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17.03.12 / Er brachte den Menschen auf den Mond / Wernher von Braun konstruierte für das Dritte Reich die »V2« und für die USA die »Saturn V«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-12 vom 17. März 2012

Er brachte den Menschen auf den Mond
Wernher von Braun konstruierte für das Dritte Reich die »V2« und für die USA die »Saturn V«

Als Gymnasiast ließ Wernher von Braun schon einmal ein primitives Raketenauto durch den Berliner Tiergarten sausen. Bereits zum 13. Geburtstag eröffnete seine Mutter ihm mit einem Teleskop den Blick auf die Sterne. Seine zweite Heimat, die USA, bedachte ihn mit vielen Ehrungen. Vor 100 Jahren, am 23. März 1912, wurde von Braun als Spross einer preußischen Adelsfamilie in Wirsitz, Provinz Posen geboren.

Angeregt durch Hermann Oberts „Rakete zu den Planetenräumen“ aus dem Jahre 1923 und andere Schriften lebte Wernher von Braun seine Weltraumpläne als Student zunächst auf dem „Raketen-Flugplatz“ in Berlin-Reinickendorf aus. 1932 erwarb er ein Diplom als Ingenieur für Mechanik und trat nach Vermittlung durch Walter Dornberger in das Raketenprogramm des Heereswaffenamtes ein. Nur die Staatsgelder schienen ihm die Möglichkeit zu bieten, seine Träume zu verwirklichen.

Seit 1937 arbeitete von Braun als technischer Direktor der Heeresversuchsanstalt Peenemünde, zu der auch Klaus Riedel und Arthur Rudolph gehörten, an der ersten Großrakete. Dabei lag seine Begabung weniger in der Entwick-lung einzelner Bauteile als vielmehr in der effizienten Verbindung aus Forschung, Verwaltung und ingenieurwissenschaftlicher Anwendung, welche die Raumfahrt als Hochtechnologie erst ermöglichte.

Beim ersten erfolgreichen Testflug am 3. Oktober 1942 erreichte das mit Flüssigtreibstoff betriebene „Aggregat 4“ (A4) eine Gipfelhöhe von 84,5 Kilometer und kratzte damit an der Grenze zum Weltraum. Der eigentliche Zweck lag indes in der Verwendung als Waffe.

Die Serienfertigung des A4 mit dem Propagandanamen „Vergeltungswaffe 2“ (V2) stellte eines der finstersten Kapitel der Raketengeschichte dar. Ab 1944 erfolgte die Fertigstellung in unterirdischen Bunkern der Mittelwerk GmbH durch Häftlinge des Konzentrationslagers Mittelbau-Dora. Die Arbeitsbedingungen, unter denen Tausende starben, konnten unmenschlicher nicht sein. In einem 1976 mit dem National Space Institute geführten Interview bezeichnete von Braun das Mittelwerk als „schreckliche und höllische Umgebung“. Eine persönliche Verantwortung lehnte er jedoch ab und bewertete seine Einflussmöglichkeiten als nur minimal.

Die innere Abneigung gegen-über dem nationalsozialistischen Regime wuchs 1944, ungefähr zu der Zeit, als er kurzfristig durch die SS inhaftiert war. Er, der sich lange politisch uninteressiert zeigte, fühlte sich aber weiterhin in der Pflicht. Der Biograf Michael J. Neufeld sieht in ihm denn auch einen faustischen Charakter des 20. Jahrhunderts, weil er nicht der Verlockung widerstand, sich in den Dienst eines totalitären Regimes zu begeben, um im Austausch die Mittel für seine ambitionierten Ziele zu erhalten. Neufeld führt von Brauns unreflektierte Pflicht­erfüllung zum einen auf seine preußisch-aristokratische Abstammung zurück, aber auch auf die Haltung eines Wissenschaftlers, der Technik und Moral voneinander trennt, um nicht mit unerwünschten Folgen seines Tuns konfrontiert zu werden.

Der Umstand, dass die US-Amerikaner das Peenemünder Personal für eine eigene Raketenentwicklung brauchten, bewahrte ihn nach Kriegsende vor einer eingehenden Strafverfolgung.

Ab 1950 arbeitete er zusammen mit anderen deutschen Raketentechnikern in Huntsville, Alabama. Für die Army Ballistic Missile Agency (ABMA) entwickelten sie unter anderem die „Redstone“- und „Pershing“-Raketen. Das Projekt der ABMA, einen Satelliten in den Orbit zu schicken, wurde 1955 auf Entscheidung der Eisenhower-Regierung zugunsten des Vanguard-Projekts des US Naval Research Laboratory eingestellt. Aber nach dem überraschenden Start des sowjetischen „Sputnik 1“ am 4. Oktober 1957 und einem gescheiterten Vanguard-Versuch im Dezember wurde der vom Jet Propulsion Laboratory gebaute künstliche Erdsatellit „Explorer 1“ als erster US-Satellit Anfang 1958 erfolgreich ins All geschickt.

1960 wurde von Braun erster Direktor des Nasa Marshall Space Flight Center in Huntsville. Die für das Mondprogramm entwickelten „Saturn“-Raketen gehörten zu den leistungsstärksten Trägersystemen, die es jemals gab. Von 1969 bis 1972 betraten zwölf Menschen den Erdtrabanten. Das Raumfahrtprogramm der 60er Jahre ermöglichte einen erweiterten Blick auf den Heimatplaneten.

Eine Gelegenheit, aus seinem militärischen Arbeitsumfeld auszubrechen, bot Braun das Magazin „Collier’s Weekly“. Zwischen März 1952 und April 1954 veröffentlichte er mit anderen anerkannten Autoren, darunter Heinz Haber und Willy Ley, eine Serie von Artikeln, in denen er den Lesern die bemannte Weltraumfahrt und Zukunftsvisionen interplanetarer Reisen auf allgemeinverständliche Weise vorstellte.

Die Ambivalenz in Brauns Schaffen tritt besonders im Vergleich zum Astronomen und Physiker Carl Sagan (1934–1996) hervor. Beide kannten sich seit den 50er Jahren und Sagan zollte von Braun Anerkennung sowohl für die technischen Erfolge als auch für den kulturellen Einfluss, den die „Collier’s Weekly“-Artikel und Sachbücher wie „Die Eroberung des Mondes“ aus dem Jahre 1954 ausübten. Diese Wertschätzung entgegnete der ältere Kollege. Auf der anderen Seite empfand der liberal erzogene und jüdischstämmige Sagan von Brauns Mitwirkung an militärischen Projekten als „zutiefst verstörend“. Er zog daraus die Konsequenz, dass Wissenschaftler und Ingenieure die Avancen „finsterer Regime“ ablehnen sollten. Völlig anders war deshalb sein Ansatz, in den 70er Jahren den „Pioneer“- und „Voyager“-Sonden friedliche Botschaften mit Bildern, Musikkompositionen und anderen irdischen Tönen mitzugeben.

Mit dem Wechsel 1970 von Huntsville zum Nasa-Hauptquartier in Washington D.C. änderte sich die Arbeitssituation für Braun. George Low, Nasa Acting Administrator, sah in den Planungsarbeiten für eine bemannte Marsmission und anderen ehrgeizigen Projekten nur einen geringen Nutzen. Gleichzeitig sank die öffentliche Unterstützung. Bereits 1969 fuhr der Kongress das Nasa-Budget auf den Stand von 1963 zurück. Aus Kostengründen wurde das Apollo-Programm um drei Missionen gekürzt und vorzeitig beendet. 1972 kündigte von Braun und ging zu Fairchild Industries. Am 16. Juni 1977 starb er in Alexandria, Virginia an Nierenkrebs.

Zwar wies auch die Sowjet-union unter der Leitung des Konstrukteurs Sergej Koroljow (1907–1966) Erfolge auf, unter anderem den ersten Menschen im Weltall, aber auch diese fingen erst mit dem Kopieren des „A4“ an, dessen Bau zuvor viele Leben gekostet hatte. Als Raumfahrtenthusiast machte Braun die Möglichkeiten des Raumflugs der Allgemeinheit bekannt. Keine seiner „Saturn“-Raketen, die Menschen zum Mond trugen, sollte im Einsatz versagen.    Ulrich Blode


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