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17.03.12 / Kampferfahren in drei Dimensionen / Der Marineflieger und -inspekteur sorgte für den direkten Übergang vom »Starfighter« zum »Tornado«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-12 vom 17. März 2012

Kampferfahren in drei Dimensionen
Der Marineflieger und -inspekteur sorgte für den direkten Übergang vom »Starfighter« zum »Tornado«

Seit Bestehen der Bundeswehr wurden erst vier Marineoffiziere in den Spitzendienstgrad eines Volladmirals befördert. Einer dieser wenigen Flaggoffiziere, deren Laufbahn solchermaßen gekrönt wurde, ist der vor 90 Jahren geborene Günter Luther. Als Admiral, der über praktische Einsatzerfahrung sowohl im Seekrieg wie im Luftkrieg als auch im infanteristischen Kampf verfügte, dürfte er sogar einzigartig sein.

Günter Luther wurde am 17. März 1922 im westfälischen Bestwig geboren. Erlebnis­hung­rig und technikbegeistert, meldete er sich Ende 1939 als Seeoffizieranwärter zur Kriegsmarine. Nach ersten Fronteinsätzen auf einem Minensuchboot ließ er sich zum Kampfbeobachter ausbilden und wurde zur Luftwaffe versetzt. Bei mehr als 160 Feindflügen gegen feindliche U-Boote und Geleitzüge bewährt, wurde Luther mit dem Eisernen Kreuz 1. Klasse und der goldenen Frontflugspange ausgezeichnet. Kurz vor seiner Rückversetzung zur Marine meldete sich der Oberleutnant Mitte 1944 zu den Fallschirmjägern und wurde als Kompanieführer an den Brennpunkten der Westfront eingesetzt. Bei Kriegsende geriet er in US-amerikanische Kriegsgefangenschaft, aus der er bereits im November 1945 entlassen wurde.

In den Nachkriegsjahren schlug sich Luther zunächst als Bauhilfsarbeiter, Bediensteter der US-Armee und kaufmännischer Angestellter durch, bevor er am 1. März 1956 in die neugegründete Bundesmarine eintrat. Nach einer Ausbildung zum Strahlflugzeugführer durchlief er verschiedene Truppen- und Stabsverwendungen und wurde 1965 Kommodore eines Marinefliegergeschwaders. In seiner anschließenden Verwendung als Leiter des Marineflieger-Zentralreferats im Führungsstab der Marine betrieb er die unmittelbare Umrüstung der Geschwader vom „Starfighter“ auf den „Tornado“, ohne, wie die Luftwaffe, auf die langsam veraltende „Phantom“ als Zwischenlösung zu setzen. Mit 48 Jahren wurde Luther im Oktober 1970 zum Flottillen­admiral befördert und übernahm das Kommando über die Marinefliegerdivision. In dieser Funktion setzte er konsequent sein Credo um, die Marine führe Seekrieg aus der Luft, nicht aber Luftkrieg über See. Wenngleich hoch qualifiziert, war der als eigenwilliger und detailversessener Technokrat geltende oberste Seeflieger bei seinen Leuten eher gefürchtet als beliebt. Als nächste Sprossen auf der Karriereleiter folgte die Tätigkeit als Befehlshaber der Seestreitkräfte Nordsee und als Chef des Marineamtes. Am 1. April 1975 wurde Luther bei gleichzeitiger Beförderung zum Vizeadmiral zum Inspekteur der Marine ernannt. Für die traditionsbewusste Teilstreitkraft symbolisierte die erstmalige Berufung eines Fliegers an ihre Spitze Fortschritt und Modernität.

Zum 1. April 1980 wurde der Posten eines der beiden Stellvertreter des Obersten Befehlshabers der alliierten Truppen Europa vakant, der stets einem Deutschen vorbehalten ist. Da die Marine seit Jahren weder einen Volladmiral hatte noch in der Spitze der Streitkräfte oder des Bündnisses vertreten war, fiel die Wahl auf einen Marineoffizier. Als Inspekteur der Marine war Luther prädestiniert, den letzten Streifen zu bekommen, so dass er zum „Viersterne-Admiral“ befördert und ins Nato-Hauptquartier versetzt wurde. Für seine neue Position im belgischen Casteau, dessen Dienstbetrieb seinen eigenen Gesetzen folgte, erwies sich Luther jedoch nicht als Idealbesetzung. Auf politischem und diplomatischem Parkett unerfahren, fehlte ihm die Fähigkeit, seinem kaum mit Kompetenzen ausgestatteten und daher gern mit dem eines Titularbischofs verglichenen Amt Profil zu geben. Die Stabsoffiziere spotteten, der deutsche Admiral sehe die Welt nur „durch das Bullauge“. Meldete er sich in einer Besprechung ungefragt zu Wort, wies ihn der Oberbefehlshaber, der US-amerikanische Viersternegeneral Bernard Rogers, mit dem Tadel „Schweigen Sie, Admiral, jetzt rede ich“ kurzerhand zurecht.

Am 31. März 1982 ging Luther mit Erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand, ohne während seiner zweijährigen Amtszeit im Nato-Hauptquartier nennenswerten Einfluss auf das bündnispolitische Geschehen genommen zu haben. Seinen Lebensabend verbrachte er in Kiel, wo er am 31. Mai 1997 am Steuer seines Wagens einem Herzleiden erlag.  Jan Heitmann


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