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17.03.12 / Zweisprachige Hilfestellung für Historiker / Deutsche und russische Archive legen sachthematisches Inventar zur Königsberger Nachkriegsgeschichte vor

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-12 vom 17. März 2012

Zweisprachige Hilfestellung für Historiker
Deutsche und russische Archive legen sachthematisches Inventar zur Königsberger Nachkriegsgeschichte vor

Die „Archivagentur des Kaliningrader Gebiets“ und das „Staatsarchiv des Kaliningrader Gebiets“ haben mit dem „Bundesarchiv der Bundesrepublik Deutschland“, ein „Sachthematisches Inventar zur Nachkriegsgeschichte des nördlichen Ostpreußen (Kaliningrader Gebiet) 1945–1955“ erstellt. Das 217 Seiten starke und zweisprachige Inventar kann im Internet eingesehen werden unter www.bundesarchiv.de

Die Grenzjahre 1945 und 1955 wurden im wesentlichen aus zwei Gründen gewählt. Zum einen sollten die Unterlagen überschaubar gehalten werden. Zum anderen stellten die zuständigen Archivare fest, dass der Prozess der Integration der ostpreußischen Vertriebenen in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR im ersten Nachkriegsjahrzehnt erkennbar fortgeschritten war. Auch die Ansiedlung sowjetischer Bürger im Königsberger Gbeiet war in den Jahren bis 1955 im Wesentlichen abgeschlossen.

Die an dem Projekt beteiligten deutschen und russischen Archivare waren sich darin einig, dass in das Quelleninventar insbesondere Vorgänge einzubeziehen seien, die mit dem Kriegsende 1945 und dessen Folgen für die vertriebene deutsche und die dafür angesiedelte sowjetische Bevölkerung verbunden waren. Dazu gehören die Vorgänge um die Vertreibung der deutschen Bevölkerung und ihre Integration in Mittel- und Westdeutschland, die Bildung eines Sondermilitärbezirks Königsberg, der Aufbau einer zivilen Verwaltung und die Einbeziehung des Königsberger Gebiets in die Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik. Aufgenommen wurden ferner Archivalien über das Leben der im Königsberger Gebiet verbliebenen Deutschen und ihr Zusammenleben mit der russischen Bevölkerung in den Jahren 1945 bis 1948. Parallel hierzu wurden Quellen über die Neubesiedlung der Region mit Umsiedlern aus verschiedenen Teilen der Sowjetunion und die damit verbundenen Entwick­lungsprobleme erfasst sowie der Aufbau der Lebensbereiche im Innern des Gebiets, der Wiederaufbau der Industrie und die Neustrukturierung der Landwirtschaft berücksichtigt. Es bestand darüber hinaus Übereinstimmung, dass die aufzunehmenden Archivbestände sowohl amtliches Schriftgut als auch Erlebnisberichte, Nachlässe, Presseerzeugnisse und Bildmaterialien umfassen.

Zunächst hatten die Projektpartner vereinbart, alle Texte des Inventars in die Sprache des jeweiligen Partners zu übersetzen. Von dieser Vereinbarung wurde später abgerückt, nachdem sich die Übersetzung der nach unterschiedlichen Traditionen einer archivischen Verzeichnung erarbeiteten Aktentitel nicht nur sprachlich als schwierig erwies, sondern auch insofern wenig sinnvoll erschien, als übersetzte Verzeichnungseinheiten von den ihnen zugrunde liegenden Akten eher weg- als hinführen. Die Verantwortlichen entschlossen sich daher, die Verzeichnungen in der jeweiligen Sprache der Akten zu belassen.

Bestehende Übersetzungsschwierigkeiten wurden insbesondere an Begriffen wie „Vertreibung“ und „Umsiedlung“ deutlich. Der Terminus „Vertreibung“ (russisch „izgnanie“), der im deutschen Sprachgebrauch üblich und im kollektiven Gedächtnis verwurzelt ist, wird in den russischen Aktentiteln nicht gebraucht. Der Begriff wird im Russischen allgemein mit „pereselenie“ (Umsiedlung) beschrieben. Dass sich gerade hinter der unterschiedlichen Terminologie auch ein unterschiedliches Verständnis für dieselben Vorgänge verbirgt, war den Verantwortlichen von Anfang an klar. Umso sachgerechter, rationaler und pragmatischer schien ihnen die Lösung zu sein, die Spezifik der Terminologie in der jeweiligen Sprache zu belassen.

Die deutschen und russischen Herausgeber und Bearbeiter des sachthematischen Inventars verbinden mit ihrer gemeinsamen Publikation die Hoffnung, dass die Kenntnis und Benutzung von bisher in Russland unbekannten deutschen Quellen zum Schicksal der deutschen Bevölkerung im Königsberger dazu beitragen kann, die während der letzten Jahre begonnenen Diskussionen über dieses Thema zu vertiefen und zu bereichern. Umgekehrt soll die Heranziehung und wissenschaftliche Auswertung russischer Quellen über die Ansiedlung und die Lebensverhältnisse der sowjetischen Bevölkerung im Königsberger Gebiet nach 1945 dazu anregen, den Blick auf die Geschichte der Vertreibung zu erweitern.          PAZ


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