28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
17.03.12 / Emotionen ohne Emotionen / Germanist beschreibt die Freundschaft zwischen Friedrich II. und Voltaire

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-12 vom 17. März 2012

Emotionen ohne Emotionen
Germanist beschreibt die Freundschaft zwischen Friedrich II. und Voltaire

Ein etwas sperriges Geburtstagsgeschenk hat der Germanist und Schriftsteller Hans Joachim Schädlich da verpackt – was man dem schmalen Band zunächst gar nicht ansieht. Der 300. Geburtstag Friedrichs des Großen ist zweifelsfrei Anlass gewesen, mit der Novelle „,Sire, ich eile …‘. Voltaire bei Friedrich II.“ einen wohlbekannten Ausschnitt aus dem Leben des Königs literarisch zu gestalten.

Der Autor erzählt aus der Sicht von Voltaire. Gewählt hat er dafür eine eigenwillige Form. Obwohl es sich um eine Novelle handelt, kann man das Werk fast als Fachbuch lesen. Äußerst streng orientiert sich der Text an Daten und Fakten. Zuweilen ist es ein wenig anstrengend, wenn Schädlich Vornamen und Titel der Personen ausführlich benennt, korrekt wie ein Nachschlagewerk. Er verzichtet auf nachempfundene wörtliche Rede oder gar Spekulationen über Gedankengänge. Äußern sich die Personen, so handelt es sich um – nachweisbare – Zitate aus Briefen oder anderen Schriften. All dies geschieht in einer kaum zu überbietenden Verdichtung, ein bewusst gewählter Stil, der dem Leser von Schädlich nicht fremd sein dürfte. Es ist jedoch nicht immer einfach, ohne Vorkenntnis der Geschichte zu folgen, etwa wenn es um den Streit zwischen dem Akademiepräsidenten Pierre Louis Maupertuis und dem Mathematiker Samuel König geht, der für das Zerwürfnis zwischen Friedrich und Voltaire so große Bedeutung erlangen sollte.

Dennoch sei betont, dass die Lektüre lohnt. Denn bei aller Verknappung gelingt es Schädlich, sein Bild der Figuren plastisch zu zeichnen. Voltaire ist der große Denker und Autor, der sich allerdings nicht ungern von Friedrich schmeicheln und mit Annehmlichkeiten überhäufen lässt. Materielle Sicherheit ist wichtig für die Unabhängigkeit des Freigeistes. So wird auch seine andere Seite – der zuweilen geschickte und auf Gewinn bedachte Geschäftemacher – dargestellt. Sein gescheiterter Spekulationsversuch mit sächsischen Staatsanleihen erregte stark das Missfallen des Königs.

Friedrich kommt ebenfalls als großer Geist daher, aber auch als großer Feldherr, dessen Grausamkeit der diesbezüglich enttäuschte Voltaire mitunter kritisch anzusprechen weiß. Andererseits war er sich nicht zu schade, Fried-richs „Antimachiavell“ in dessen Sinne abzuschwächen, als dem König die kronprinzlichen Ideen, die Voltaire ursprünglich bewundert hatte, nicht mehr opportun erschienen. Friedrich wiederum entgegnete später auf den Hinweis, die Vergünstigungen für Voltaire würden viel Neid hervorrufen: „Ich brauche ihn höchstens noch ein Jahr. Man preßt eine Orange aus und wirft die Schale weg.“

Als Kronprinz hatte Friedrich der Große den fast 20 Jahre älteren Philosophen zu umwerben begonnen, 1740 kam es zu einem ersten Zusammentreffen. 1750 schien der König am Ziel seiner Wünsche, als er ihn an seinen Hof holte. Diese enge persönliche Verbindung sollte knapp drei Jahre dauern, der Abschied, für Voltaire sogar mit einer kurzzeitigen Festnahme verbunden, war nicht sonderlich rühmlich. Von alldem erzählt der Autor Hans Joachim Schädlich auf seine Weise.

Im Gegensatz zu den beiden Hauptfiguren bringt er einer Gestalt, die auch sehr ausführlich zu Wort kommt, unverhohlene Sympathie entgegen: Émilie du Châtelet – Freundin und Geliebte Voltaires, vor allem aber anerkannte Naturforscherin und Mathematikerin im 18. Jahrhundert und damit eine hochinteressante Ausnahmeerscheinung. Erik Lommatzsch

Hans Joachim Schädlich: „‚Sire, ich eile…‘ Voltaire bei Friedrich II. Ein Novelle“, Rowohlt Verlag, Reinbek 2012, broschiert, 143 Seiten, 16,95 Euro


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren