28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
24.03.12 / Die stille Energie-Revolution / Schiefergas macht Importeure zu Exporteuren – Entmachtung Russlands

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-12 vom 24. März 2012

Die stille Energie-Revolution
Schiefergas macht Importeure zu Exporteuren – Entmachtung Russlands

Unkonventionelle Erdgasvorkommen verschieben traditionelle Machtverhältnisse zwischen den einzelnen Staaten und schaffen neue wirtschaftliche Möglichkeiten.

Schaut man auf die aktuellen Benzinpreise, dann scheint zunächst nichts dafür zu sprechen, dass sich der Energiemarkt in den USA auf dem Weg zu sinkenden Preisen befinden könnte. Der Preis für eine Gallone (3,8 Liter) Normalbenzin hat die Marke von vier Dollar, in Ballungsräumen sogar von fünf Dollar erreicht. In einer Umfrage der „Washington Post“ gaben zwei Drittel der Befragten an, mit US-Präsident Barack Obamas Energiepolitik unzufrieden zu sein. Für die US-Mittelschicht sind die inzwischen erreichten Benzinpreise politischer Sprengstoff, der sogar die Wiederwahl von Obama gefährden kann.

Im Schatten der Rekordpreise an den Tankstellen ist ein anderer Energiepreis allerdings auf ein Zehnjahrestief gefallen: der für Erdgas. Zumindest in Nordamerika spricht einiges dafür, dass die Zeiten niedriger Erdgaspreise von Dauer sein werden, womöglich sogar für Jahrzehnte andauern können. Fast schleichend hat sich innerhalb weniger Jahre eine stille Energierevolution vollzogen. Erdgaslagerstätten in Schiefergestein, die in der Vergangenheit als nicht erschließbar galten, sind seit dem Jahr 2005 durch neue Förderverfahren (siehe Kasten) und eine Gesetzesänderung rentabel zu fördern. Inzwischen stammen zehn Prozent des in den USA geförderten Erdgases aus Schiefergestein. Die zusätzliche Menge hat ausgereicht, dass die USA im Jahr 2009 Russland als weltweit größten Erdgasförderer überholt haben. Erstmals im Jahr 2010 konnte auf Gasimporte fast vollständig verzichtet werden.

Sollten sich die USA in den nächsten Jahren sogar zu einem Erdgas-Exporteur entwickeln, könnten die Folgen für die internationalen Märkte weitreichend sein. „Dass die USA in den Gas-Export einsteigen, verändert die Spielregeln am Gasmarkt massiv“, lautet die Einschätzung der Société Generale in einer Analyse der US-Energiemarkts. Unter Druck geraten könnten vor allem etablierte Produzenten wie Russland und Norwegen. Ein Preiskartell ähnlich der Opec auf dem Ölmarkt existiert im Gasgeschäft nicht.

Unternehmen wie die russische Gazprom könnten gleich durch zwei Seiten unter Preisdruck geraten: zum einen durch einen Preisverfall aufgrund des globalen Angebots im Tagesgeschäft, dem sogenannten Spot-Markt, zum anderen dadurch, dass neue Konkurrenten mit langfristigen Lieferverträgen auftreten. Der Rückgriff auf eigene Schiefergasvorkommen wird aus einigen bisherigen Erdgas-Importeuren neue -Exporteure machen. Sollten sich Prognosen über Schiefergasvorkommen auf dem Balkan, in Polen oder der Ukraine bestätigen, dann ist auch mit geopolitischen Folgen zu rechnen. Erdgas als „Energiewaffe“ wird für Russland zunehmend weniger außenpolitischen Einfluss bieten.

Veränderungen sind allerdings auch für die USA zu erwarten. Bis die auf Benzin fixierten US-Autofahrer Erdgas als preisgünstige Alternative entdecken, wird noch einige Zeit vergehen. Wesentlich schneller werden gasbetriebene Kraftwerke ans Stromnetz gehen. Anlass genug, dass US-Stromkonzerne schon begonnen haben, ihre bisherigen Pläne für den Neubau von Atomkraftwerken wieder zu überdenken.

Noch weitreichender sind allerdings die industriepolitischen Folgen. Das billige Angebot an Energie durch Schiefergas könnte die Grundlage einer Re-Industriealisierung der USA sein. Erdgas war im Jahr 2011 auf dem US-Markt über längere Zeit immerhin nur halb so teuer wie auf dem europäischen Markt.

Sollte der Kostenvorteil durch die niedrigen Erdgaspreise dauerhaft anhalten, ist durchaus denkbar, dass Firmen aus energieintensiven Branchen – etwa der Chemieindustrie – mit der Rückverlagerung von Unternehmen aus dem Ausland beginnen. Zumindest beim Öl-Multi Shell will man wegen der günstigen US-Gaspreise bereits einen Trend zur Ansiedlung von Industrieunternehmen ausgemacht haben. Norman Hanert


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren