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24.03.12 / Die Rückkehr der Handelskriege / Wirtschaftliche Probleme erhöhen Bereitschaft zum Protektionismus – Aggressive Reaktionen folgen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-12 vom 24. März 2012

Die Rückkehr der Handelskriege
Wirtschaftliche Probleme erhöhen Bereitschaft zum Protektionismus – Aggressive Reaktionen folgen

Notfalls im nationalen Alleingang will Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy europäischen Betrieben zukünftig einen festen Marktanteil in der EU zusichern. Schon einen Schritt weiter hin zur Marktabschottung ist Argentinien, das Land hat den Import von 600 verschiedenen Produkten verboten. Doch Protektionsmus passt nicht in eine Welt des globalen Handels.

Es ist nur ein Streitpunkt von vielen: die Forderung der EU, dass sich auch außer-europäische Fluglinien, die Europa anfliegen wollen, am Handel mit Emmissions-Zertifikaten der EU beteiligen sollen. Peking reagierte darauf beispielsweise mit der Drohung, einen Großauftrag beim Flugzeugbauer Airbus zu stornieren. Man mag den EU-Zertifikate-Handel sinnvoll finden oder nicht, rein formell würde nur eine Gleichbehandlung der ausländischen Fluglinien mit den europäischen Fluggesellschaften erfolgen. Ebenso frei ist allerdings China, seine Flugzeuge dort zu bestellen, wo es will.

Der Fall ist nur einer von zahlreichen aktuellen Auseinandersetzungen im internationalen Handel. China selbst sieht sich massiven Vorwürfen von EU, Japan und den USA wegen seiner Exportbeschränkungen bei den „Seltenen Erden“ ausgesetzt. Mittlerweile hat China einen Marktanteil von über 90 Prozent bei diesen Metallen und versucht nun mit der Begründung „Umweltschutz“, weitreichende Ausfuhrbeschränkungen zu verhängen. Westliche Unternehmen sehen durch die gekappten Exporte bei weiterbestehender Versorgung chinesischer Unternehmen mit „Seltenen Erden“ vor allem, dass sich China einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Schon im Sommer 2011 wurden von der Welthandelsorganisation (WTO) die chinesischen Exportbestimmungen bei Spezialrohstoffen als unvereinbar mit den internationalen Handelsregeln erklärt. Auch eine Einstufung der Exportbeschränkungen als „illegal“ durch die WTO hat Peking nicht daran gehindert, seine Ausfuhrquoten und Zölle noch einmal zu verschärfen.

Der Rohstoffstreit könnte womöglich nur ein Vorgeplänkel zu weiteren Auseinandersetzungen sein. Erst vor wenigen Wochen hat US-Präsident Barack Obama 26 Millionen US-Dollar bewilligt, damit sich eine Kommission mit der Untersuchung von unfairen Handelspraktiken anderer Länder beschäftigen kann. Dass noch vor der anstehenden Wahl im November medienwirksam Vorwürfe vor allem in Richtung China dem Wahlvolk präsentiert werden, kann als sicher gelten. Auch an nötigen Beispielen wie mit unlauteren Mitteln Vorteile im internationalen Handel erlangt werden sollen, dürfte es nicht mangeln. Die Bereitschaft zum Schutz der eigenen Märkte wächst parallel zu den Wirtschaftsproblemen. Japan – für Jahrzehnte das Modell einer erfolgreichen Exportnation – hatte im Januar ein Handelsbilanzdefizit von 19 Milliarden Dollar zu verzeichnen, China brachte es im Februar sogar auf ein Minus von 31,4 Milliarden Dollar. Hintergrund sind steigende Ölpreise und wegbrechende Exporte durch die anhaltende weltweite Wirtschaftsflaute.

Zu welchen Schritten Regierungen im Extremfall bereit sind, lässt sich derzeit in Südamerika beobachten. Um weitere Devisenabflüsse zu verhindern, hat Argentinien für 600 Produkte, darunter zahlreiche Alltagsartikel, ein Importverbot verhängt. Hintergrund des äußerst drastischen Schritts ist der chronische Dollarmangel Argentiniens, das seit seinem Staatsbankrott von 2002 und einem anschließenden Schuldenschnitt im Jahr 2005 auf den internationalen Märkten keinen Kredit mehr erhält und daher auf eine ausgeglichene Handelsbilanz absolut angewiesen ist.

Ganz anders liegen die Probleme im Nachbarland Brasilien. Präsidentin Dilma Rousseff wirft den USA und der EU vor, mit einem „Tsunami“ von frisch gedruckten Dollar und Euro eine Aufwertung des brasilianischen Real bewirkt zu haben. Das zu günstigen Bedingungen ausgegebene Geld mache nun die EU- und US-Exporte billiger, während die brasilianischen Exportchancen zunehmend schwinden, so Rousseff. Als Gegenmaßnahmen werden ausländische Kredite mit einer Sondersteuer belegt. Sollte sich die Lage durch eine Dollar- und Euro-Flut weiter verschärfen, sind Kapitalkontrollen angedroht.

Einen Schritt hin zu einer stärkeren Markt-Abschottung deutet sich auch im französischen Wahlkampf an. Nach dem Vorbild des „Buy american act“ präsentierte Präsident Sarkozy nun den Vorschlag, dass staatliche Aufträge innerhalb der EU für europäische Unternehmen reserviert werden. „Frankreich wird verlangen, dass kleinen und mittelständischen europäischen Betrieben ein Marktanteil zugesichert wird“, sagt Sarkozy, der diesen Schritt notfalls auch im nationalen Alleingang unternehmen will. Die Ankündigung sollte man nicht als bloße Wahlkampfrhetorik abtun: Sollte Frankreich – etwa wenn französische Autobauer unter den Druck chinesischer Anbieter geraten – das Thema Marktabschottung auf die Tagesordnung der EU bringen, dann dürfte die Unterstützung von Ländern wie Spanien, Portugal, Griechenland und Italien sicher sein. Der von der damaligen französischen Finanzministerin Christine Lagarde gegen Deutschland wegen seiner Exportstärke gemachte Vorwurf hat leider den Blick darauf versperrt, dass Frankreich und die südeuropäischen Länder im letzten Jahrzehnt vor allem an China und nicht an Deutschland massiv Marktanteile verloren haben. Norman Hanert


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