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24.03.12 / Mutig, tapfer, weiblich / Vor 100 Jahren wurde die Fliegerin Hanna Reitsch in Schlesien geboren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-12 vom 24. März 2012

Mutig, tapfer, weiblich
Vor 100 Jahren wurde die Fliegerin Hanna Reitsch in Schlesien geboren

Attribute wie Mut und Tapferkeit werden für gewöhnlich mit Männern assoziiert. Aber gelegentlich gelingt es auch einer Frau, durch herausragende militärische Leistungen in die Geschichte einzugehen. Eine dieser Amazonen war die am 29. März 1912 im schlesischen Hirschberg geborene Fliegerin Hanna Reitsch.

Schon als Kind träumte die Tochter eines Augenarztes von der Fliegerei. In ihrer schulfreien Zeit fuhr sie mit dem Fahrrad in die Segelflugschule Grunau, wo sie ihre Ausbilder mit ihrem außergewöhnlichen fliegerischen Können und ihrem Wagemut beeindruckte. Als Traumberuf gab sie „fliegende Missionsärztin in Afrika“ an. Nach dem Abitur schrieb sie sich an den Universitäten Berlin und Kiel als Medizinstudentin ein. Doch dann verschrieb sie sich ganz der Fliegerei und gab ihr Studium auf. Von 1932 an, als sie ihren ersten Weltrekord im Nonstopsegelflug aufstellte, sollte sie im Laufe ihres Fliegerlebens insgesamt 40 Höhen- und Dauerrekorde im Segel-, Motor- und Hubschrauberflug erringen. In den Jahren 1933/34 nahm Reitsch an einer Forschungsexpedition in Brasilien und Argentinien teil. Anschließend absolvierte sie die Deutsche Verkehrsfliegerschule Stettin und ging als Versuchspilotin zur Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug nach Darmstadt. Drei Jahre später wurde sie in Anerkennung ihrer herausragenden Leistungen als erste Frau der Welt zum Flugkapitän ernannt und an die Erprobungsstelle der Luftwaffe in Rechlin berufen. Dort flog sie als Testpilotin alle Arten von Militärflugzeugen und die ersten Hubschrauber. Mit dem sicheren Instinkt der geborenen Fliegerin flog sie neue Flugzeugmuster ein, um das Leben der Piloten zu schützen, die später diese Maschinen im Einsatz fliegen sollten. Selbstlos und mutig ging sie dabei immer bis an die Grenzen, so dass sie mehrfach bei Abstürzen mit Testmaschinen schwer verletzt wurde.

Diese gefahrvolle Arbeit setzte sie auch während des Krieges fort. Unter anderem flog sie die raketengetriebene Jagdmaschine Messerschmitt Me 163, das riesige Transportflugzeug Me 323 „Gigant“, den antriebslosen Jäger Me 328 und absolvierte zehn Flüge mit der Fieseler V1, die als bemannte fliegende Bombe für Sondereinsätze vorgesehen war. Für ihren Einsatz und ihre viel bewunderte Tapferkeit erhielt die auffallend zierliche und zarte Person mit dem hinreißenden Lächeln als erste Frau das Flugzeugführer- und Beobachterabzeichen in Gold mit Brillanten und wurde als zweite Frau in der Geschichte mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse (die erste war 1813 die Krankenschwester Johanna Krüger) sowie als erste Frau mit dem Eisernen Kreuz 1. Klasse ausgezeichnet.

Als Testpilotin hatte Hanna Reitsch die Möglichkeit, als „verkappte Militärfliegerin“, wie sie es selbst einmal ausdrückte, „sich für das Vaterland einzusetzen“. Politisch unbedarft und naiv, ließ sie sich in dieser Rolle bereitwillig von der NS-Propaganda instrumentalisieren, indem sie in der Wochenschau auftrat, durch Vortragsreisen die Wehrwilligkeit zu stärken versuchte und die Jugend zum Kriegseinsatz aufrief. Obwohl sie der Person Adolf Hitlers geradezu schwärmerisch erlegen war, war sie keine Nationalsozialistin im eigentlichen Sinne. Aufgewachsen in einem durch die Folgen des Versailler Vertrages genährten deutschnationalen Umfeld, begrüßte sie das Wiedererstarken Deutschlands unter dem NS-Regime. Gleichwohl äußerte sie sich nie zu politischen Fragen. Auch trat sie nie der NSDAP oder einer Parteigliederung bei. Die NS-Rassenpolitik lehnte sie ab und unterstützte mit ihrer Familie die diesbezügliche Haltung der evangelischen Kirche in ihrer schlesischen Heimat. Nach dem Krieg äußerte sie einem US-amerikanischen Journalisten gegenüber, sie sei „erschüttert und angewidert“ von dem, was sich während des Dritten Reiches „in den Korridoren der Macht“ ereignet habe. In ihren Lebenserinnerungen findet sich indes keine kritische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. Vielmehr beklagt sie, dass die Lügen, die über Deutschland verbreitet worden seien, nunmehr „als Geschichte Realität geworden zu sein scheinen“. In seinem Nekrolog bescheinigte der „Spiegel“ Hanna Reitsch „persönlichen Anstand“ und stellte ihr die tatsächlich Unbelehrbaren gegenüber. Anders als diese, so die Deutung von Reitschs Verhalten, habe sie die Vergangenheit aus einem Schamgefühl heraus geleugnet, „das die Wahrheit über das gläubig verehrte Reich und seinen ‚tragischen‘ Führer nicht ertragen konnte, nicht hätte aushalten können“.

Bei Kriegsende flog Reitsch zweimal in die von der Roten Armee belagerte Festung Breslau und erkundete in Tirol Notlandeplätze für Verwundetentransporte. Von dort wurde sie nach München gerufen, um den designierten Oberbefehlshaber der Luftwaffe, Generaloberst Robert Ritter von Greim, zu Hitler in das eingeschlossene Berlin zu fliegen. Bei dem Flug durch russisches Flak-Sperrfeuer wurde der „Fieseler Storch“ getroffen und der Generaloberst schwer verwundet. Drei Tage später gelang es ihnen wie durch ein Wunder, eine in einer Splitterbox abgestellte Arado 96 auf der unter schwerem Artilleriefeuer liegenden Ost-West-Achse zu starten und aus dem brennenden Berlin zu entkommen.

Die folgenden 15 Monate verbrachte Hanna Reitsch in US-amerikanischer Internierungshaft. Ab 1954 arbeitete sie wieder als Testpilotin bei der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt in Darmstadt. Außerdem baute sie in Indien ein Leistungssegelflugnetz auf und lebte von 1962 bis 1966 in Ghana, wo sie die staatliche Segelflugschule leitete und als Chefpilotin des Staatspräsidenten Kwame Nkrumah tätig war. Im Jahre 1961 wurde sie von John F. Kennedy im Weißen Haus empfangen und 1972 in den USA zum „Piloten des Jahres“ gekürt. Aus Verärgerung über den immer wieder erhobenen Vorwurf, das Dritte Reich zu glorifizieren, gab sie 1974 die deutsche Staatsangehörigkeit auf und nahm die österreichische an. Hanna Reitsch flog bis an ihr Lebensende. Ihren letzten Weltrekord stellte sie 1978 im Segelflug auf. Erst der Tod nahm ihr am 24. August 1979 den Steuerknüppel aus der Hand. Jan Heitmann


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