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24.03.12 / Das Entscheidende bleibt: die Sucht / Die Elektro-Zigarette wird als »gesunde Alternative« zum Rauchen gehandelt, da sie keinen Tabak verbrennt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-12 vom 24. März 2012

Das Entscheidende bleibt: die Sucht
Die Elektro-Zigarette wird als »gesunde Alternative« zum Rauchen gehandelt, da sie keinen Tabak verbrennt

Nur eine Leuchtdiode am Ende des Glimmstengels verrät die Elektro-Zigarette. Von einem chinesischen Geschäftsmann entwickelt, umgeht der vermeintlich harmlose, da rauchlose neue Glimmstengel nicht nur Rauchverbote. Das Gerät ist Trend: Hollywoodstars wie Katherine Heigl zeigen sich gern damit. Die wechselnden Inhaltsstoffe sind indes weniger bekannt: Von Aromen bis zu hochkonzentrierten Nikotinlösungen ist viel im Angebot – eine rechtliche Grauzone.

Vor allem Internethändler verdienen mit dem neuen Produkt der Elektro-Zigarette. Der Markt ist riesig. Allein in den USA konsumierten 2011 gut 2,5 Millionen Menschen die E-Zigarette, auch in Deutschland soll es Millionen Konsumenten geben. Anbieter werben vor allem über elektronische Versandwege für „freies Rauchen“ und die „Revolution des Rauchens“. Längst liefern nicht mehr nur zweifelhafte Netz-Basare, sondern Firmen aus der Schweiz und mit Garantie. Mit „schadstoffarm“ und „im schweizer Labor auf krebserregende Inhalte überprüft“ wirbt beispielsweise ein Hersteller, der zur Erklärung gleich ein Bild mitliefert: Eine Batterie, eine elektronische Einheit und eine „atomisierende Kammer“ versprechen fortschrittlichen Genuss ohne Risiko. „Nein, E-Zigaretten sind auch nicht gesund“, verrät die Firma immerhin.

Auch deutsche Anbieter gibt es. Im Labor, „wo sonst die Gesundheit im Mittelpunkt steht, wird nun ein Gift abgefüllt“, kritisierte der ARD-Ratgeber Technik 2010 die Herstellungsmethoden des damals in Deutschland kaum bekannten Produkts. Die Risiken, die sich im Auffülltank des Markenprodukts verbergen, bleiben verborgen. Kaum eine Studie zeigt sie.

In Florida verbrannte sich kürzlich ein Mann schwer im Gesicht, als seine E-Zigarette im Mund explodierte. Die Batterie raste aus dem Gerät. Die Behörden untersuchen nun den Fall. Beim US-Verband der E-Zigaretten will man noch nicht von ähnlichen Fällen gehört haben. Doch bereits vor zwei Jahren forderte die US-Zulassungsbehörde FDA die Hersteller von E-Zigaretten zu mehr Sorgfalt auf. Was nämlich in den Gerätetanks landet, ist höchst unterschiedlich und hängt zudem von den Verbrauchern ab. Die befüllen die Tanks mitunter selbst. Auch der Zusammenbau der im „Basis-Set“ rund 80 Euro teuren Geräte erfolgt oft in Eigenregie. Das erhöht das Risiko plötzlicher Entleerung des ganzen Tank­inhalts in den Mund einschließlich Vergiftung. Der 57-Jährige Amerikaner habe das Gerät manipuliert, argwöhnen nun Freunde der E-Zigarette in Internetdiskussionen. Sie wissen um die Möglichkeiten des Selbstbefüllens.

Wie die E-Zigarette das Rauchverhalten langfristig ändert und was für Gesundheitsrisiken sie birgt, ist kaum erforscht. Als gefährlich stufen Experten ein, dass die E-Zigarette vor allem „auf Lunge“ geraucht wird. Nur dort wird über die Nikotinaufnahme die Sucht gestillt. Als technisches Produkt, das zumindest bei vielen Herstellern konzentriertes Nikotin enthält, fällt die E-Zigarette zudem eigentlich in den Bereich der gesetzlichen Pflicht, als Arzneimittel zugelassen werden zu müssen. Das ist bisher nicht geschehen.

„Der Grund für die Definition als Arzneimittel wäre das enthaltene Nikotin, aber nach dieser Logik müsste auch die Tabakzigarette unter diese Regelung fallen – naja, wir sind gespannt!“, geben sich Anhänger der Aromastengel im Forum „die-e-zigarette.com“ eher entspannt. Sie wissen: „Da das Produkt ohne Tabak auskommt, kann es auch nicht verboten werden, da sich das Nichtraucherschutzgesetz auf tabakhaltige Artikel und Waren beruft.“

Das Umgewöhnen fiel ihnen nicht schwer: Nur Wasserdampf entweicht der neuen Zigarette. Statt des einst fürs Rauchen typischen Tabakdufts gibt die Elektrozigarette ein Aerosol, eine Vernebelung eines Gemisches aus Propylenglycol, Wasser, Nikotin sowie Aromastoffe nur an den Nutzer weiter. Das Entscheidende, die Sucht, bleibt. Im Januar haben einige Bundesländer wegen der Gefahren die E-Zigarette verboten. „Was derzeit auf dem Markt ist, ist alles nicht zugelassen und nicht geprüft“, warnt Nordrhein-Westfalens Noch-Gesundheitsministerin Barbara Steffens.

Doch das längst tot geglaubte Klischee von Erfolg und Abenteuer beim Rauchen kehrt zurück: Im Film „The Tourist“ nuckelt Johnny Depp am Elektrostengel, in der Bahn, wo Rauchverbot herrscht. Die Botschaft ist klar: Der neue Genuss ermöglicht jedem, sich über Rauchverbote hinwegzusetzen. Eine Kapsel reicht für gut 300 Züge, weit mehr als jede andere Rauchware. Das erhöht Suchtgefahren, fürchten Experten, zumal die E-Zigarette pausenlos gedampft werden kann – überall, jederzeit.

Das Bild von der sauberen Sucht verfestigt sich: Der Gilb ist weg und angeblich auch die 40 krebserregenden Stoffe, die beim Tabakverbrennen entstehen, ebenso das Kohlenmonoxyd. Die FDA fand indes krebserregende Nitrosamine auch im Inhalat der E-Zigarette. „Ein Gerät, das Ihnen ein tödliches Nervengift verpasst, kann nicht gesund sein“, lautet das Urteil von www.e-zigarette-test.de. Die Tester weisen darauf hin, dass Nikotin bis in die 60er Jahre als Mittel gegen Insekten zum Einsatz kam. Dann stellte sich heraus, dass nicht nur Ungeziefer, sondern auch die Gärtner erheblich Schaden nahmen. Sverre Gutschmidt


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