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24.03.12 / Im Dienste fremder Herren / Geschichte der Schweizer Fremdenlegionäre

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-12 vom 24. März 2012

Im Dienste fremder Herren
Geschichte der Schweizer Fremdenlegionäre

Die 1831 gegründete französische Fremdenlegion ist von zahlreichen Mythen umwoben. Tatsächlich ist ihre Geschichte nicht nur eine Geschichte militärischer Leistungen und Heldentaten, sondern auch eine Geschichte von gescheiterten Existenzen, Problemflüchtlingen und Abenteurern. Und sie ist auch eine Geschichte von Rechtlosigkeit, Repression, Schikane und bisweilen auch unmenschlicher Behandlung der Legionäre. Unter dem Titel „Endstation Algier“ beschreibt der Schweizer Vincenz Oertle, Autor mehrerer militärhistorischer Werke, das Schicksal schweizerischer Fremdenlegionäre in den 1950er. Mit ihrem Dienst in der Legion stellten sich diese durchaus in eine gewisse Tradition, denn, anders als beispielsweise in Deutschland, war es für Eidgenossen jahrhundertelang durchaus üblich und akzeptiert gewesen, als Söldner in den Dienst fremder weltlicher oder geistlicher Herrscher zu treten. Das bekannteste Beispiel dafür ist die päpstliche Garde.

Mitte des 20. Jahrhunderts dienten etwa 2000 Schweizer unter der Flagge Frankreichs. Wie alle Legionäre dienten auch sie überwiegend loyal den französischen Kolonialinteressen in einer Zeit, als in Indochina und Algerien keine Siege, sondern nur noch blutige Niederlagen zu erwarten waren. Die Gründe für ihre Verpflichtung bei der Legion waren vielfältig: zerrüttete Familien und Ehen, berufliches Scheitern, Schulden, Flucht vor Strafverfolgung und, wenn auch eher selten, jugendliche Unbekümmertheit und Abenteuerlust. Während manche ihrem tristen und perspektivlosen Leben zu entkommen suchten, hofften andere, durch militärische Disziplin und Pflichterfüllung wieder auf den rechten Weg zu gelangen.

Auf der Grundlage von Originalquellen und Aussagen von Zeitzeugen schildert der Autor am Beispiel von 13 Lebensbildern, wie diese Legionäre harter Ausbildung, bedingungslosem Gehorsam, brutalen Strafen, übertriebenem Drill, öder militärischer Routine, aber auch den Schrecken erbarmungsloser Gefechte und dem gewissenlosen „Verheiztwerden“ ausgesetzt waren. Nicht jeder konnte das ertragen, so dass es auch unter den Schweizer Legionären häufig zu Fahnenflucht und Selbstmorden kam. Um ihnen die Rückkehr in die Heimat zu ermöglichen, gab es sogar eine regelrechte Fluchthilfeorganisation. Doch auch derjenige, der fahnenflüchtig in die Schweiz zurückgekehrt oder seinen Dienst in der Legion regulär beendet hatte, war damit noch kein freier Mann. Denn zu Hause erwartete ihn ein Militärgerichtsverfahren wegen des Dienens in fremden Streitkräften und der Entziehung vom Wehrdienst im Schweizer Militär. Die Gerichtsakten der Divisionsgerichte und die Äußerungen der Richter, die stets um eine objektive Beurteilung und ein gerechtes Urteil bemüht waren, bilden eine wesentliche Grundlage für Oertles Darstellung.

Den 13 Biografien sind auf etwa 150 Seiten mehrere Kapitel vorangestellt, die ebenso umfassend wie detailliert über die Geschichte der Fremdenlegion, den historischen Kontext, die Motive für den Fremddienst, Leben und Dienst der Legionäre sowie die besondere Rechtslage bei den Schweizer Söldnern informieren. Die vom Autor zitierten Akten und Zeitzeugen sprechen für sich. Seine Darstellung ist äußerst sachlich, wertend wird er nur selten. Allerdings beschert die Lektüre dem Leser einen Wermutstropfen: Für den fremdsprachlich nicht Bewanderten ist es ein Ärgernis, dass Zitate durchweg im französischen Original wiedergegeben sind. Auch dürften landestypische Formulierungen und Rechtsbegriffe nicht jedem Leser nördlich der Alpen geläufig sein. Wer aber bereit ist, sein Schulfranzösisch zu bemühen, und die nötige Phantasie besitzt, zu erkennen, dass eine „bedingte Gefängnisstrafe für zwei Jahre auf Probe“ ein für zwei Jahre auf Bewährung festgesetzter Freiheitsentzug ist, der wird das Buch gleichwohl mit Gewinn lesen. Für jeden, der sich mit der Fremdenlegion beschäftigt, gehört es in jedem Fall zur Pflichtlektüre. Jan Heitmann

Vincenz Oertle: „Endstation Algerien. Schweizer Fremdenlegionäre“, Appenzeller Volksfreund, Appenzell, geb., 354 Seiten, 29,80 Euro


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