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31.03.12 / »Ein fremder und wilder Stamm« / Die Haltung König Friedrichs des Großen gegenüber Ostpreußen war gelinde gesagt ambivalent

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-12 vom 31. März 2012

»Ein fremder und wilder Stamm«
Die Haltung König Friedrichs des Großen gegenüber Ostpreußen war gelinde gesagt ambivalent

Der 300. Geburtstag Fried­richs des Großen ist Anlass für eine Betrachtung über seine Beziehung zu Ostpreußen. Dieser Teil seiner Herrschaft hat ihn nicht besonders interessiert. Zeit seines Lebens hatte er ein gespaltenes, zum Teil widersprüchliches Verhältnis und eine kühle Distanz zu Ostpreußen.

Fried­richs des Großen persönliche Einschätzung von Königsberg und seinen Bewohnern war wenig schmeichelhaft: „Müßiggang und Langeweile sind die Schutzgötter von Königsberg; denn die Leute, die man hier sieht, und die Luft, die man hier atmet, scheinen einem nichts anderes einzuflößen.“

Im Jahr 1735 begleitete er seinen Vater, König Fried­rich Wilhelm I. Er besuchte unter anderem Gumbinnen und Tilsit. Sein Urteil: „ein wenig anständiger als Sibirien, aber nicht viel“. Bei der nächsten Reise, im Juli 1739, zeigte er sich durchaus beeindruckt von der durch seinen Vater erfolgreich betriebenen Kolonisation. Aus Insterburg schrieb er an Voltaire: „Preußisch-Litauen ist die blühendste unserer Provinzen, die Schöpfung des Königs, meines Vaters.“

Dem stehen von derselben Reise besonders abwertende Bemerkungen an seinen Freund Jordan gegen­über: „Wären Sie hier, so ließe ich Ihnen die Wahl zwischen dem artigsten litauischen Mädchen und der schönsten Stute von meiner Zucht. Ihre Ehrbarkeit ärgere sich hieran nicht; denn hier zu Lande ist ein Mädchen nur dadurch von einer Stute unterschieden, dass es auf zwei und diese auf vier Füßen geht.“

Obwohl er die Absicht hatte, jährlich Reisen in seine, auch entfernt liegende Herrschaftsgebiete zu unternehmen, gab es nur drei Aufenthalte im Gebiet Ostpreußens als König, nämlich 1740, 1750 und 1753.

Während sein Vater Preußen mit besonderer Fürsorge bedacht hatte, verspürte Fried­rich keine Sympathie für das, was das Land zu bieten hatte: Wälder und Seen, Pferde, einfache, unkomplizierte Menschen. Er liebte Musik, Philosophie, Literatur und Kunst, die französische Sprache. Nie hat er Kant (1724–1804), der nur zwölf Jahre jünger war, gesprochen oder eines seiner Werke gelesen. Auch andere deutsche Geistesgrößen aus Ostpreußen wie Gottsched (1700–1766), Hamann (1730–1788) oder Herder (1744–1803) erwarben Geltung, ohne dass der König davon Kenntnis nahm. Sein ebenso bündiges wie falsches Urteil lautete: „Mag dies Land auch noch so fruchtbar an Pferden, so gut bestellt, so reich an Bevölkerung sein, es liefert doch nicht ein denkendes Wesen … Wenn ich lange hier bleibe, verlöre ich mein biss­chen Menschenverstand.“ Aus seiner Einschätzung sprach eine gewisse „voreingenommene Vorstellungsart“, wie Jürgen Luh es in seinem Werk „Der Große. Fried­rich II. von Preußen“ formuliert hat.

Um die aus seiner Sicht bestehenden Defizite zu mildern, unterstützte Fried­rich II. bereits 1741 die Königliche Deutsche Gesellschaft zur Pflege von Wissenschaft und Kultur. Im Jahr 1755 gestattete er den Bau eines Theaters in Königsberg. An seine Schwester Wilhelmine schrieb er: „Ich bin dabei, einem fremden und wilden Stamme die Künste aufzupfropfen.“

Friedrich besuchte das Land allerdings weder zum 200. Universitätsjubiläum im Jahr 1744 noch im Jubiläumsjahr 1755 zur 500-Jahr-Feier der Stadt.

Immerhin schrieb er 1752: „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Preußen feinen und gelenkten Geistes sind, dass sie Geschmeidigkeit besitzen. Man beschuldigt sie der Falschheit, aber ich glaube nicht, dass sie falscher sind als andere. Viele Preußen haben gedient und dienen noch mit Auszeichnung sowohl im Heer wie in der Verwaltung. Aber ich würde wider besseres Wissen reden, wollte ich einen einzigen von denen, die ich persönlich kennen gelernt habe, der Falschheit bezichtigen.“

Wie wenig Friedrich sich für Preußen engagierte, wird in seinem Verhalten im Siebenjährigen Krieg deutlich. Weil er nicht glaubte, die ferne Provinz gegen die russische Armee verteidigen zu können, zog er den bis dahin mit der Verteidigung betrauten Feldmarschall Lehwaldt ab und überließ damit die Provinz schutzlos den Russen. Die preußischen Behörden, die Geistlichen und alle im Land gebliebenen Amtspersonen leisteten der Zarin den Treueeid. Das musste den König gegen Land und Bevölkerung einnehmen. Die vierjährige Kollaboration bis 1762, als Zar Peter III., ein Verehrer Friedr­ichs, das Land wieder räumte, hat der Preußenkönig nicht verziehen. Er hat danach Ostpreußen nie wieder betreten. Seine Fürsorge galt nach dem Ende des Krieges 1763 vor allem den neuen Provinzen Schlesien und später Westpreußen. Für ihn war Ostpreußen eine undankbare Provinz, die nur dank seines Vaters kein wüstes Land mehr war. Er sah darin nur eine Einnahmequelle und ein Soldatenreservoir.

In seinem zweiten politischen Testament schrieb er 1768: „Die Preußen sind nicht ohne Geist, und es befinden sich unter ihnen solche, die gute Untertanen abgeben, ausgenommen diejenigen, die in der Umgebung von Königsberg wohnen; denn ihre zu weiche Erziehung hat bisher nur Faulenzer hervorgebracht. Ich habe Grund gehabt, mit dem Adel dieses Königreichs ziemlich unzufrieden zu sein; sie waren mehr russisch als preußisch und außerdem aller Niederträchtigkeiten fähig, deren man die Polen zeiht. Jedoch habe ich alles vergessen, nachdem ich sie ihr Unrecht und meine Unzufriedenheit habe fühlen lassen. Das Volk ist nicht bösartig.“

Die Zukunft seines Staates sah er nur durch eine Expansion gesichert, möglich durch Erbschaften und Eroberungen, das heißt „Erwerbungen durch das Recht der passenden Gelegenheit“. Dabei ging es um die Frage, welche Gebiete am besten zum Staat Fried­rich II. passten und ihn am besten arrondieren konnten. Dazu gehörte unter anderem das polnische Preußen. Das Königreich Preußen sei von den anderen Staaten des Königs abgeschnitten und lasse sich im Kriegsfall nicht halten, falls Russland der Gegner sei. Die Expansion geschah durch Annexionen, beginnend 1772 mit der ersten Teilung Polens. Die alte preußische Provinz sollte auf königliche Weisung vom Januar 1773 Ost-Preußen, das akquirierte Gebiet West-Preußen genannt werden.

Ostpreußen als Provinz des von Fried­rich II. regierten Staates hatte Teil an allen Maßnahmen, die generell für das Hoheitsgebiet getroffen wurden. Selbst schrieb er: „Der jetzige König wollte, dass die Provinz den anderen nicht nachstände.“ Allerdings verweigerte er den Ständen im Gegensatz zu anderen Provinzen ein landschaftliches Kreditsystem, die Errichtung einer Landschaft.

Kaum ein anderes Leben und Wirken eines Herrschers seiner Zeit ist so gut dokumentiert wie das Fried­richs, kaum einer hat so viele schriftliche Zeugnisse aller Art hinterlassen wie er. Sein Leben und seine Taten sind unendlich weitgespannt und widersprüchlich. Das gilt auch für sein Verhältnis zu Ostpreußen. Es war korrekt und lieblos. George Turner


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