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31.03.12 / Ons lewet Brotke / So wie tohuus schmeckt es am besten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-12 vom 31. März 2012

Ons lewet Brotke
So wie tohuus schmeckt es am besten

Ein lieber Frühlingsgruß kam zu mir ins Haus, ein kleines gepresstes Veilchensträußchen aus dem Garten von Frau Christel Glindemann in Meine. Als Dank für meine „trautste“ Geschichte „Veilchen vom Litauer Wall“, die Frau Glindemann, nachdem sie im Ostpreußenblatt erschienen war, kopiert und an Landsleute geschickt hat, die unsere Zeitung nicht abonniert haben – „oft unverständlich“, wie sie kommentiert. Sie besitzt noch alle Ausgaben, die sie von ihren Eltern übernommen hat, und die sind für sie bewahrte Heimat. Und wecken immer wieder Erinnerungen, so dass sie selber zur Feder greift und aufschreibt, wie das Leben daheim in Mallenuppen, Kreis Darkehmen (Gembern, Kreis Angerapp) gewesen war. Christel, eine geborene Perplies, erzählt im heimatlichen Platt, weil sie sich auch über meine Ohm-Willem-Geschichte gefreut hat, und übersandte mir ihr Vertellke über das Brotbacken daheim und nach der Flucht. Und weckt damit nicht nur bei mir Erinnerungen, sondern auch bei anderen Landsleuten, und deshalb lasst uns über „dat lewe Brotke e bätke plachandre“.

Brotbacken war „Fruenssach“, auch bei der Familie Perplies, obgleich Urgroßvater und Großvater Bäckermeister in Darkehmen gewesen waren. „Min Opa wär nich gern Bäcker. He freid dänn ook e Buerdochter on koarter Hand ward de Bäckerie verkofft on e Buerhoff en Mallnuppe jekofft.“ Frau Glindemann erzählt dann, wie der Teig für das Grobrot aus Roggenschrot zubereitet wurde. „Am Oawend vär dem Backdach wurde der Suerdechstop (Sauerteigtopf mit etwas Teig vom letzten Backen) ute Spieskoamer jehoalt, fresch angesetzt (mit Wasser, Schrot und Sauerteig) on dänn tojedeckt oppem Herdrand tom Goahne warmjestellt.“ Am anderen Morgen wurde im großen Brottrog angeteigt mit Schrot, Wasser, Salz und dem aufgegangenen Sauerteig. Und dann begann die schwere Arbeit: „Et ward jekneet bes de Händ blank weere vom Deech. De wurd dänn möttem Brotdook tojedeckt on annem warme Platz jestellt tom Goahne. So noa dree Stund wurd wedder jekneet und de Brotkes jeformt.“ Ja, das war Schwerstarbeit für die Frauen, und ich kann verstehen, dass meine Urgroßmutter behauptet haben soll, sie bekäme lieber ein Kind als einen Trog Brot auszukneten! Nachdem die Brote geruht hatten, wurden sie auf einen „Schuwer“ gelegt und in dem großen Küchenherd in der gemauerten Back­röhre, die mit Holz geheizt wurde, stundenlang gebacken. Vorher war in jeden Laib der erste Buchstabe des Namens von einem lieben Menschen, an den man gerne dachte, eingedrückt. Wenn noch genug Hitze im Ofen war, wurden noch Fladen, Stritzel und „Kuckel“ gebacken. (Nach den letzten Resten, dem „Nachschrapselchen“, jieberten immer die Kinder. Dieses Wort übertrug sich in kinderreichen Familien auf die Allerjüngsten. Auch ich war einmal so ein Nachrapselchen!)

Weiter zur Familie Perplies. Brot, Wurst und Rauchfleisch wurden dann auch in eine große Milchkanne gesteckt, als es auf die Flucht ging. Die Familie lebte davon, bis sie den Fluchtwagen stehen lassen musste und allein mit den Pferden weiterzog. Wie kostbar war damals und in den folgenden Hungerjahren ein Stück Brot. „So mancher hät enne größte Not das Beede on Danke jelehrt dorch e Stöckke Brot!“, schreibt Christel Glindemann in einem Gedicht. Und als sie endlich eine feste Bleibe und sogar einen Herd hatten, wurde wieder Brot gebacken – dank der auf den abgeernteten Feldern gestoppelten Ähren. Die ausgepulten Körner wurden in der Kaffeemühle gemahlen. Die war eine der ersten Anschaffungen, denn zum Kaffeekochen wurde Gerste gebrannt und gemahlen. Wenn das Mehl nicht reichte, wurde der Teig mit Kartoffeln gestreckt. Und weil auf dem kleinen Herd die Schüssel mit dem Teig zum Warmstellen keinen Platz hatte, wurde sie in Opas Pelzweste eingewickelt. Not macht eben erfinderisch. Aber lassen wir Christel Glindemann zu Ende erzählen:

„On so ging et emmer e betke wieder. Dat Brotbacke ward jemoakt wie tohuus. Als Omas Hände es nich mehr schaffde to kneete, hät mine Mutter fär ons jebacke, bis noah langer Tied ook ehre Händ meed wurde. Doa wär de Reej an mie, emmer noah de ole Oart on Wies. Joa, on nu wölle mine Händ ook nicht mehr so. Eck frei mi oawer, datt das Backe wieder jeiht, denn ons Dochter on ehre Familie backe ook Brot, bloß e bätke andersch. Mie schmeckt min Brotke ut Schrot, Woater, Sold on Suerdeech emmer noch am beste …“

Schließen wir diese liebevoll für unsere Ostpreußische Familie aufgeschriebene Erinnerung an das Brotbacken mit dem Spruch, der tohuus gesagt wurde, wenn die Laibe – mit drei Kreuzen versehen – im Ofen waren und Gottes Segen erbeten wurde: „Dat Brot es em Oawe, de leewe Gottke es boawe“!       R.G.


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