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31.03.12 / Abstrus und unwirklich / Schauspielerin Petra Nadolny erinnert sich an ihr Leben in der DDR

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-12 vom 31. März 2012

Abstrus und unwirklich
Schauspielerin Petra Nadolny erinnert sich an ihr Leben in der DDR

Nach mehr als zwei Jahrz e h n t e n im Westen hat die Fernseh-Schauspielerin und Parodistin Petra Nadolny einen literarischen Blick zurück auf 28 Jahre DDR geworfen. Herausgekommen ist ein leichter, flotter Roman mit autobiografischem Hintergrund über ihre eigene Jugend in „Honnis Wunderstaat“ mit dem originellen Titel „Alles Neiße, Oder?“ Schönfärberei oder irgendeine Tendenz wird dem kurzweiligen und amüsanten Roman gewiss niemand unterstellen wollen, hingegen spürt man darin jederzeit die Liebe zur Heimat, zur Familie und zur eigenen Geschichte. Geboren 1960 in Jarmen bei Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern, war Nadolny nach ihrer fünfjährigen Ausbildung zur Journalistin kurze Zeit beim „Börsenblatt“ für den Deutschen Buchhandel in Leipzig tätig. 1986 kündigte sie ihre Stelle und stellte einen Ausreiseantrag, worauf sie und ihr Mann Berufsverbot erhielten. 1988 durften beide schließlich mit ihrer kleinen Tochter in die Bundesrepublik ausreisen.

Zuvor hatte Nadolny ihre Liebe zum Schauspielerberuf entdeckt, als sie aus der Not heraus mit einer von ihr selbst gegründeten Theatergruppe auftrat. Die Theaterschauspielerei setzte sie in Nordrhein-Westfalen zunächst fort, bis ihre Fernseh- Comedy-Karriere 1997 mit der – später mehrfach preisgekrönten – ProSieben-Serie „Switch Reloaded“ begann. Alles Neiße, Oder? Nein, erklärt Petra Nadolny eingangs, natürlich war weder alles „nice“ noch alles schlimm in der DDR. Vieles war aber so abstrus, dass es ihr mit den Jahren immer unwirklicher vorkommt. Als Tochter eines Filmvorführers und einer Konsumverkäuferin durfte sie studieren, während der SED-Staat den Traum ihrer besten Freundin Christiane von einem Medizinstudium durch kreuzte, weil sie Kind von Akademikern war. In den 70er Jahren fing das Nacktbaden an der Ostsee an, das sich rasch durchsetzte und dann zum gesellschaftlichen Gruppenzwang ausartete.Mütterlicherseits stammt Nadolnys Familie aus Ostpreußen. In Plötz besaßen ihre Großeltern einen Bauernhof, doch der Staat nahm den Bauern das zugeteilte Land wieder ab, als die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPGs) gegründet wurden. Später muss sich die Autorin auf Druck des linientreuen Staatsbürgerkundelehrers zwischen Konfirmation und Jugendweihe entscheiden. Wie fast alle ihre Klassenkameraden gibt sie nach – was sich später mehrmals wiederholen sollte, so lange bis sie es nicht länger erträgt, in dem von ihr erwählten Beruf als Journalistin alles schönzuschreiben.

Wie allen Studienabsolventen wurde ihr von der Universität eine Stelle zugewiesen. Beim „Börsenblatt“ für den Deutschen Buchhandel in Leipzig teilte sie ihr Redaktionsbüro mit einer Arbeitskollegin, die in Leidenschaft für den Staat glühte. Da galt es nun, sich ständig zurückzunehmen. Sie hatte aber keine Lust zur Produktion von Artikeln, die gewohnheitsmäßig die DDR schönredeten, bot sich denMenschen in den Städten doch die Kehrseite dieser Scheinwelt, da die Gebäude in sich zusammenfielen und es überall bröckelte. Ein Freund nahm sich das Leben, ein intelligenter Kopf, der wie sie die Dinge durchschaute, aber dann etwas vollkommen anderes daraus machen sollte. Bald nach ihrem Mutterschaftsurlaub kündigte Petra ihre Arbeitsstelle. Nach der Ausreise 1988 durften sie aber nicht mal mehr ihre Familie besuchen. So strafte der Staat seine Bürger für die ideologische Abkehr. Dagmar Jestrzemski

Petra Nadolny: „Alles Neiße, Oder? Meine Geschichten aus dem Osten“, Bastei Lübbe, Köln 2011, broschiert, 271 Seiten, 12,99 Euro.


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