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31.03.12 / Misthaufen voller Schätze / »Spiegel«-Redakteur über Chancen und Risiken des Internets

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-12 vom 31. März 2012

Misthaufen voller Schätze
»Spiegel«-Redakteur über Chancen und Risiken des Internets

„ D a s Internet ist ein großer Mi s thaufen, in dem man allerdings auch kleine Schätze und Perlen finden kann“, bemerkte der deutsch-amerikanische Informatiker Joseph Weizenbaum zu Beginn des Jahrhunderts. Christian Stökker kennt sie alle, die Perlen und die Misthaufen in der digitalen Welt. Seit Anfang 2011 leitet er das Ressort „Netzwelt“ bei „Spiegel Online“. In seinem Buch „Nerd-Attack!“ berichtet der Journalist von den Anfängen der Internetbewegung. Von ihm stammt der Begriff der Generation C64, jener Jahrgänge, die mit den ersten Heimcomputern und PC-Spielen in den 80er Jahren groß geworden sind.

Der 39-Jährige zählt sich selbst zu dieser Generation: „Ich bekam meinen Commodore 64, kurz C64, zu meinem elften Geburtstag, am 1. Februar 1984. Er erhielt einen Ehrenplatz in der Ecke zwischen einem von oben bis unten mit Werbeaufklebern verzierten Buchenkleiderschrank und der Gasheizung auf unserem alten Kinderzimmertisch mit seiner zerkratzten und bemalten Kiefernholzplatte.“ Seitdem hat sich viel getan. Die Entwicklung nahm ihren Lauf vom zunächst nur über Uni-Rechner erreichbaren Internet bis hin zu sozialen Netzwerken und Kommunikationsplattformen wie Facebook, studiVZ und Twitter, Online-Lexika wie wikipedia, Enthüllungsplattformen wie wikiLeaks, Videoportalen wie You- Tube oder illegalen Tauschbörsen wie Napster und eMule. Akribisch hat der Autor sowohl die Ereignisse als auch die Debatten recherchiert, ohne in den journalistentypischen Kulturpessimismus oder die Technikgläubigkeit zu verfallen.

Von Berufs wegen begreift er das Internet eher als Chance denn als Risiko und versucht, eine Brücke zwischen Technikbegeisterten und Technikverweigerern zu schlagen. Keine leichte Aufgabe, denn besonders in Deutschland zieht sich ein tiefer Graben zwischen beiden Gruppen. Während die Hippie-Bewegung in den USA das globale Netz für ihre Vorstellungen von einer freieren Welt nutzte, fürchteten die ersten Grünen im Bundestag einen Verlust von Arbei t splätzen durch die neue Computertechnik. Bis in die 90er Jahre hinein wehrten sich viele Linksalternative gegen jeglichen technischen Fortschritt, so Stöcker. Neue Gefahren wie Cyber-Mobbing, Computerspielsucht, Datenklau durch Hakker- Angriffe oder die Verbreitung von Kinderpornografie scheinen ihnen Recht zu geben. Eine Organisation wie die US-amerikanische Electronic Frontier Foundation (EEF), die die Bürgerrechte im Internet schützt und sich mit Themen wie Zensur im Internet, Überwachung, Software-Patenten und Urheberrechten beschäftigt, fehlt bislang in Deutschland. „Das Internet ist ein sehr unordentliches, ungeordnetes Ding“, schreibt Stöcker, „das ist lästig und gewöhnungsbedürftig, besonders für Menschen, die Ordnung lieben.“ In seinem Buch gelingt es ihm, mit dem Technikwirrwarr aufzuräumen und auch Laien einen klaren und kritischen Einblick in die Geschichte des Internets zu geben. Nur wer sich aktiv ins Netz begibt – so seine Botschaft –, kann in der digitalen Welt heimisch werden. Sophia E. Gerber

Christian Stöcker: „Nerd Attack! Eine Geschichte der digitalen Welt vom C64 bis zu Twitter und Facebook“, DVA, München 2011, kartoniert, 320 Seiten, 14,99 Euro.


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