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07.04.12 / Opfer beiseite gedrängt / Streit um ehemaliges KGB-Gefängnis in Potsdam: Wird roter Terror kaschiert?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-12 vom 07. April 2012

Opfer beiseite gedrängt
Streit um ehemaliges KGB-Gefängnis in Potsdam: Wird roter Terror kaschiert?

Es riecht nach ideologischer Absicht: Im ehemaligen KGB-Gefängnis von Potsdam erinnert kaum noch etwas an die Opfer des roten Terrors. Nun eskaliert der Streit, die Opfer wehren sich.

Bereits seit Jahren fühlen sich Opferverbände von der Gestaltung des sogenannten KGB-Museums in Potsdam ausgegrenzt. Wenige Wochen vor Eröffnung einer neuen Dauerausstellung im ehemaligen sowjetischen Geheimdienst-Gefängnis ist der Streit nun eskaliert: Noch ist relativ undurchsichtig, was sich wirklich am 23. März auf dem Gelände der Gedenk- und Begegnungsstätte in der Potsdamer Leistikowstraße ereignet hat.

Museumschefin Ines Reich behauptet, sie sei von einem ehemaligen Häftling des sowjetischen Untersuchungsgefängnisses in Potsdam körperlich attackiert und bedroht worden. Der angebliche Angreifer, ein 83-Jähriger, war noch als Minderjähriger in der Nachkriegszeit von der Straße weg verhaftet worden. Über die Zwischenstation des Untersuchungsgefängnisses in der Leistikowstraße wurde er in ein russisches Arbeitslager bei Workuta verschleppt: Im Gegensatz zu vielen anderen überlebte er acht Jahre Zwangsarbeit nördlich des Polarkreises.

Derartige Schicksale waren bis zum Tod Stalins im Jahr 1953 keineswegs Ausnahmefälle. Auf dem Weg ins Gulag-System war das Gefängnis in Potsdam oft die erste Station: Nach endlosen Nachtverhören und Folter lautete in vielen Fällen das Urteil auf jahrzehntelange Zwangsarbeit. Der Streit, wie den Opfern der kommunistischen Terrorherrschaft im Rahmen der Gedenk- und Begegnungsstätte in der Leistikowstraße gedacht werden soll, schwelt bereits länger.

Im Zentrum der Kritik steht Museumschefin Ines Reich. Hauptvorwurf: Reich lasse es im Kontakt mit den hochbetagten Zeitzeugen an Einfühlungsvermögen fehlen, selbst von Arroganz ist die Rede. Ebenso regelmäßig sorgen bauliche Veränderungen am Museum für Betroffenheit. Bodo Platt, der 1. Sprecher der Zeitzeugen-Initiative „Ehemaliges KGB-Gefängnis Potsdam Leistikowstr. 1“, als Jugendlicher wegen Aufbewahrung zweier Briefe wegen „Spionage“ zu 20 Jahren Zwangsarbeit verurteilt, kritisiert, dass dem Ort mittlerweile viel an Authentizität genommen worden sei: Eine Isolationszelle im Obergeschoss, die so eng war, dass die Inhaftierten sich in ihr kaum bewegen konnten, ist beispielsweise nicht mehr zugänglich. Mit der Begründung einer drohenden Einsturzgefahr ist sie gesperrt worden. Erstaunlicherweise besteht die Einsturzgefahr nach erfolgter Sanierung des Gebäudes angeblich noch immer.

Ebenso wenig nachvollziehbar sind Veränderungen im Kellergeschoss. Das sonst reichlich bemühte Argument „Denkmalschutz“, mit dem Vorschläge von Opferverbänden abgeblockt wurden, scheint nur in ausgewählten Fällen eine Rolle zu spielen. Denn bei der Sanierung wurden nicht nur die Zellenfenster im Keller vergrößert, auch die ursprünglich vorhandenen Verdunkelungen wurden entfernt. Der Eindruck einer Total-Isolation, der sich einst bei vielen Gefangenen in den dunklen Zellen einstellte, ist für heutige Besucher nach den Umbauten kaum noch zu erahnen. Ein aus Brandschutzgründen erforderlicher Notausgang aus dem Keller wird – im Gegensatz zu den herausgerissenen Fenstern – hingegen aus Denkmalschutzgründen abgelehnt. Für Besuchergruppen dürfte damit ein Betreten der Kellerzellen – eines zentralen Ortes des einstigen Untersuchungsgefängnisses – zukünftig nicht mehr möglich sein.

Beiseite gewischt wurde ebenso der Wunsch, auf dem Gelände eine Gedenkstele zu errichten. Die merkwürdige Begründung: Dies sei der Ausdruck einer veralteten Gedenkstättenkultur aus „DDR-Zeiten“. Die Tatsache, dass auch westlich der Elbe Hunderte solcher Gedenkorte existieren und bis heute errichtet werden, ignoriert die Museumsleitung.

Noch stärker in der Kritik steht die Konzeption der neuen Dauerausstellung. Bis zum Jahr 2007 wurde durch den Verein „Memorial“ vor Ort eine Ausstellung gezeigt, die auf reges Besucher-Interesse gestoßen war. Das Aus für die Ausstellung kam mit der Begründung, dass sie keinen wissenschaftlichen Ansprüchen genüge. Indes: Angesichts der neuen Konzeption hat sich inzwischen auch bei Mitgliedern des Museums-Beirats der Eindruck eingestellt, dass dieses Argument nur vorgeschoben war. Vielmehr sollte offenbar der Schwerpunkt der Darstellung bewusst verschoben werden: Weniger Gedenk- und Begegnungsstätte – mehr Spionagemuseum. Nicht der Terror der unmittelbaren Nachkriegszeit mit zivilen deutschen Opfern, sondern die Rolle nach 1953, als reines Armeegefängnis der Sowjet-Streitkräfte, steht nun im Vordergrund: „Einzelne Spionagefälle werden aufgebläht, an die Schicksale unschuldig Inhaftierter wird nur bruchstückhaft erinnert. Das Leid und die oft barbarischen Strafen bilden nicht den Schwerpunkt der Ausstellung“ lautet etwa die Einschätzung des Gedenkstätten-Vereinschefs Richard Buchner.

Die Summe dieser Eindrücke hat inzwischen bei einem Teil der noch lebenden Opfer den Verdacht hervorgerufen, dass bewusst versucht wird, die brisante Geschichte des Ortes zu verwischen. Zur Eröffnung der neuen Dauerausstellung am 18. April wird neben dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) auch Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) erwartet. Opferverbände haben inzwischen angekündigt, alternativ zur offiziellen Eröffnungsfeier in der benachbarten Villa Quandt eine Gegenveranstaltung zu organisieren. Norman Hanert


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