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07.04.12 / Für widersprüchlichste Zwecke eingespannt / In der Erinnerungsindustrie: Museum untersucht spannend die Instrumentalisierung des »Alten Fritzen«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-12 vom 07. April 2012

Für widersprüchlichste Zwecke eingespannt
In der Erinnerungsindustrie: Museum untersucht spannend die Instrumentalisierung des »Alten Fritzen«

Mit Bildern kann man Geschichte machen. Das weiß jeder Politiker oder Ideologe. Bilder sind eingängiger als Worte, aber auch verführerischer. Das verdeutlicht eine Ausstellung über Friedrich den Großen im Deutschen Historischen Museum in Berlin unter dem Titel „Verehrt. verklärt. verdammt“.

Das Museum nimmt den 300. Geburtstag des Preußenkönigs zum Anlass, um zum ersten Mal einen umfassenden Blick auf das Nachleben Friedrichs in Kunst, Politik und Gesellschaft zu werfen. Auf einer Fläche von 1100 Quadratmetern in 13 Abteilungen sind 450 Exponate aus dem In- und Ausland zu sehen, die einen faszinierenden Einblick in die Wirkungsgeschichte des Herrschers geben – oder moderner ausgedrückt: in die „preußisch-deutsche und europäische Erinnerungskultur“, wie es im Ausstellungskatalog heißt.

Das Bild vom „Alten Fritz“ mit dem Dreizack auf dem Kopf ist das wohl bekannteste des Preußenkönigs. Der volksnahe Herrscher hat einen Platz im kollektiven Gedächtnis des deutschen Volkes eingenommen, ebenso wie viele andere Bilder, die seit seinem Tod 1786 geschaffen wurden. Wer aber war Friedrich II. oder wie wurde er instrumentalisiert? Als erster Diener des Staates oder als Philosoph auf dem Thron wurde Friedrich porträtiert, als Feldherr und Nationalidol verherrlicht, später als Kriegstreiber und Menschenverächter an den Pranger gestellt.

Der historischen Wahrheit kommen auch Wissenschaftler schwer auf die Spur. Dazu benötigt es objektiver Quellen, die oft nur schwer zugänglich sind. Was der Herrscher beispielsweise autobiografisch oder in seinem berühmten „Testament“ schreibt, ist natürlich aus dessen subjektivem Blick-winkel entstanden. Den gleichen Vorwurf kann man gegen­über den Bildern erheben, die die Nachwelt von Fried­rich gezeichnet hat. In dieser Hinsicht verhilft der Blick über die Exponate dabei, etwas mehr Abstand vom eigenen Bild über den Preußenkönig zu gewinnen; zum anderen zeigen manche Bilder, wie Fried­rich in grotesker Form überzeichnet und verfremdet wurde, so etwa in der sowjetischen oder nationalsozialistischen Rezeption.

Kerzen empfangen den Besucher, wie sie viele preußische Bürger in Berlin und Potsdam in ihre Fenster stellten, als sich die Kunde vom Tode des verehrten Monarchen verbreitete. Eine Kopie der Totenmaske und das Original seines mit Blut befleck­ten Sterbehemdes begrüßen den Besucher gleich zu Beginn etwas martialisch. Eine Wachsfigur mit blauem Uniformrock und Dreispitz vermittelt dem Besucher nun das Gefühl, direkt dem König gegenüberzustehen.

Mit der Darstellung des Todes des Preußenkönigs gleich zu Beginn der Schau machen die Ausstellungsmacher klar, dass es ihnen allein um das Nachleben, eben um die Wirkungsgeschichte Friedrichs geht. Und die ist, um es zurückhaltend zu sagen, äußerst vielfältig. Offensichtlich, das zeigt der Rundgang, ließ sich die Person Friedrichs des Großen für die verschiedensten, einander widersprechenden Zwecke einspannen. Napoleon sah in ihm den großen Feldherrn, auch wenn er die auf Friedrichs Erbe fußende Armee 1806 bei Jena und Auerstedt besiegte. Freischärler beriefen sich auf ihn, obwohl ihre Ideale eigentlich nichts mit dem Erbe Friedrichs zu tun hatten. In den 1840er Jahren sahen Liberale in ihm den aufgeklärten Herrscher; Konservative blickten auf ihn als Landesvater, der preußische Tugenden wie Ordnung, Fleiß, Bescheidenheit und Pflichtbewusstsein repräsentierte.

Die „Erinnerungsindustrie“ kam erst relativ spät, rund 50 Jahre nach Friedrichs Tod, in Gang. So wurde das berühmte Reiterstandbild des Monarchen in Berlin Unter den Linden erst 1839 durch Friedrich Wilhelm III. in Auftrag gegeben und dann 1851 aufgestellt. Ab 1871 avancierte Friedrich dann im Kaiserreich zur deutschen Nationalikone oder Ahnherrn des preußisch-deutschen Staates.

Nach dem Ende der Hohenzollern-Monarchie, in der republikanischen Weimarer Zeit, begann die wohl intensivste Verklärung des Monarchen als Vertreter militärischer Größe, nationaler Würde und solider Staatsfinanzen. Friedrich ist in dieser Zeit auf politischen Plakaten, im Kino, ja sogar in der Werbung für Bier oder Tabak zu sehen. Die Nationalsozialisten schließlich machten ihn zu einem der Ihren, banden Friedrich ein Hakenkreuz an den Arm und eine Granate an das Koppel. Fast logisch oder auch ideologisch könnte man den Umschwung nach 1945 nennen, als die sowjetische DDR und einige europäische Nachbarländer Friedrich als Kriegstreiber verdammten. Im Bürgertum waren dann nur noch die intellektuellen und künstlerischen Qualitäten des Königs von Interesse.

Neben dieser politisch-ideologischen Komponente zeigt die Schau auch eine erstaunliche Präsenz Friedrichs im Alltagsleben einer breiten Bevölkerungsschicht, als dekoratives „Idol im Wohnstubenformat“ sozusagen. Ob auf Sammeltellern oder als Figur im blauen Uniformrock der Firma „Steiff“, nichts ist hier unmöglich gewesen. Viele dieser Exponate werden zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert.

All das hilft, das für die deutsche Geschichte so wichtige Erbe des Preußenkönigs differenziert zu betrachten, wie Museumsdirektor Klaus Koch bei der Eröffnung am 21. März meinte. Die facettenreiche Ausstellung zeige, wie gefährlich und aberwitzig manche „Zerr- und Spiegelbilder vergangener Gesellschaften“ seien. Daher sei es sinnvoll, sich mit den Mythenbildungen zu beschäftigen, um schließlich zur realen Person des Königs vorzustoßen. Hinrich E. Bues


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