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07.04.12 / Kulminationspunkt der Menschheitsgeschichte / Die Überhöhung der Religion durch politisch-militärische Interessen machte Jerusalem zum Zankapfel der Nationen und Völker

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-12 vom 07. April 2012

Kulminationspunkt der Menschheitsgeschichte
Die Überhöhung der Religion durch politisch-militärische Interessen machte Jerusalem zum Zankapfel der Nationen und Völker

In der Osterzeit rückt Jerusalem in den Fokus der Christenheit. Hier hat Jesus den Tempel gereinigt, ist einst triumphal begrüßt, dann auf dem Hügel Golgota hingerichtet worden. Aus einem nahe gelegenen Felsengrab erstand er nach drei Tagen von den Toten, wie über 500 Zeugen später berichteten. Heute wölben sich über Golgota und dem Felsengrab die Kuppeln der Grabeskirche, dem größten Heiligtum der gesamten Christenheit, das Ziel unzähliger Pilger.

Doch Jerusalem ist nicht nur für Christen ein wichtiger Ort. Das Judentum verbindet mit dem Ort eine noch wesentlich längere Geschichte. Seit der Erzvater Abraham den König von „Salem“ vor 3800 Jahren traf, der judäische König David die Bergfestung Jerusalem um 1000 vor Christus eroberte, ist der Ort ein zentraler Ort des jüdischen Kultes. Auf dem Felsen, wo Abraham einst seinen Sohn Isaak opfern sollte, bauten die Juden verschiedene Tempel, die immer wieder zerstört wurden. Heute wölbt sich über diesem Ort der „Felsendom“ mit seiner goldenen Kuppel, ein wichtiges Heiligtum des Islam.

Jerusalem hat wohl von allen Städten der Welt die verwickeltste Geschichte hinter sich. Obwohl sie abseits wichtiger Handelsrouten im kargen Bergland Judäas liegt, geriet sie immer wieder in das Konfliktfeld von Herrschern, Nationen und Religionen. Der britisch-jüdische Historiker Simon Montefiori hat eine lesenswerte „Biografie“ über die 3000-jährige Geschichte der Stadt geschrieben und behauptet: „Jerusalems Geschichte ist die Geschichte der Welt“.

In der Tat scheint an diesem kargen Ort im Bergland von Judäa, wo nur wenige Bäume wachsen, die Geschichte der Menschheit zu kulminieren. Babylonier, Griechen und Römer eroberten die Stadt ebenso wie die christlichen Kreuzfahrer. Heute steht im Osten Jerusalems die hohe Betonmauer, die israelische von palästinensischen Gebieten trennt. Christen, Juden und Moslems leben in der Altstadt in eng abgegrenzten Stadtvierteln nebeneinander.

Wer genauer in die Geschichte der Stadt schaut, kann entdecken, dass manche konflikttreibenden Geschichten und Mythen allerdings auf tönernen Füßen stehen. So etwa die Legende, dass der Prophet Mohammed vom Tempelberg in Jerusalem zum Himmel aufgefahren sein soll, weswegen die Stadt – neben Mekka und Medina – als drittheiligster Ort des Islam gilt.

Jüdische Historiker des US-amerikanischen „Middle-East Forums“ verwiesen bei ihrer Tagung im März dieses Jahres darauf, dass im Koran der Name „Jerusalem“ überhaupt nicht vorkommt. Mohammed betete nach seiner Flucht aus Mekka im Jahre 622 auch nicht gen Jerusalem, wie oft behauptet, sondern „gen Syrien“, wie es im Koran heißt. Nur die Sure 17,1 handelt von einer „Fernen Moschee“, von der aus der Prophet 632 nach Christi Geburt auf dem geflügelten Wunderwesen „buraq“ gen Himmel gefahren sein soll.

Doch damit kann der Felsendom nicht gemeint sein, denn er wurde erst 691 nach Christi Geburt als Zeichen für die Überlegenheit des Islam über das Judentum auf dem Tempelberg erbaut. Auch in dem 240 Meter langen Zierstreifen an der Innenwand des Felsendoms findet sich unter den zahlreichen Koransprüchen kein Hinweis auf die Sure 17,1, wie Moshe Sharon, Professor für islamische Frühgeschichte an der Jerusalemer Hebrew University, erläutert hat. Erst 715, also über 80 Jahre nach Mohammeds Tod, wurde die al-Aqsa-Moschee (arabisch: die Ferne) neben dem Felsendom gebaut. Das vermeintlich drittgrößte Heiligtum des Islam wurde bald nach dem Bau völlig bedeutungslos, als das Kalifat der Abassiden nach Bagdad verlegt wurde. Im Jahr 1016 stürzte sogar die Kuppel des Felsendoms ein.

Die Bedeutungslosigkeit der Stadt änderte sich radikal, als der islamische Kalif al-Haki am 18. Oktober 1009 die Grabeskirche von Jerusalem dem Erdboden gleichmachte. Dies löste bei den christlichen Völkern Europas eine Empörungswelle aus, die vergleichbar mit der wäre, wenn Christen heute die Kaba in Mekka angreifen und zerstören würden. Die Kreuzzüge mit der Eroberung Jerusalems im Jahre 1099 waren die direkte Folge dieser Wahnsinnstat.

Im Zuge der Eroberung des „Heiligen Landes“ erkannten islamisch-arabische Herrscher, wie wichtig dieser Landstrich für die Christen war. Um dem etwas entgegenzusetzen, kam ihnen die Legende von der Himmelfahrt Mohammeds in Jerusalem offenbar zupass. Nach neuesten Forschungen ist sie wohl erst gegen Ende der Kreuzzugszeit, über 600 Jahre nach Mohammeds Tod, propagiert worden.

Das Beispiel zeigt, dass nicht die Religion an sich, sondern deren Überhöhung durch politisch-militärische Interessen die Stadt zum Zankapfel der Nationen und Völker gemacht hat. Nach dem Abzug der Kreuzfahrer lebten Juden und Christen – zwar als Bürger zweiter Klasse, aber doch relativ friedlich – unter den jeweiligen islamischen Herrschern.

Erst mit dem Beginn des britischen Mandates über das Land im Jahr 1917 begann eine neue konfliktreiche Epoche. Auch der religiöse Konflikt zwischen muslimischen, jüdischen und christlichen Gläubigen flackerte wieder auf, der sich bis in die Gegenwart fortsetzt. Doch davon wird hoffentlich bei dem diesjährigen Osterfest wenig zu spüren sein, wenn Christen wieder in die Grabeskirche, dem Ort der Kreuzigung und Auferstehung pilgern, um dort das geheimnisvolle Sich-Entzünden des Osterlichtes mitzuerleben und den Sieg über den Tod mit einem stürmischen „Halleluja“ zu feiern. Wenig Hoffnung besteht allerdings auf längere Sicht, dass die Stadt – im Strudel weltpolitischer Konflikte und Machtinteressen – ihrem hebräischen Namen „Jeruschalajim“, Stadt des Friedens, Ehre machen wird. Hinrich E. Bues


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