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07.04.12 / Ideale Illusion / Über die Korrekturen, die die Realität den konservativen Theorien abnötigt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-12 vom 07. April 2012

Ideale Illusion
Über die Korrekturen, die die Realität den konservativen Theorien abnötigt

Der Sammelband „Konservative Korrekturen“ macht einen etwas heterogenen, aber durchaus interessanten Eindruck. So beschreibt beispielsweise Christian Sebastian Mosers einleitender Aufsatz „Tafelsilber für die Waagschale“ den „Neokonservatismusstreit der 2000er Jahre in Politik und Feuilleton“. Er ist mit seinen rund 80 Seiten aber recht fußnoten- und literaturlastig geraten. Angesichts der Fülle von Zitaten und Namen verliert man ein wenig den roten Faden und auch die Lust am Lesen. Ein komprimierter, schlanker Essay mit ein paar knackigen Thesen wäre vielleicht besser gewesen.

Wesentlich greifbarer ist der zweite Beitrag des Bandes. Gemeinhin sehnen sich Konservative ja nach einem starken Staat. Wenn dieser starke Staat in einem Sammelband mit dem programmatischen Titel „Konservative Korrekturen“ als „Ideal und Illusion“ bezeichnet wird, dann stellt dies zunächst einmal eine Zumutung für konservativ denkende Menschen dar. Autor des Artikels ist der „FAZ“-Redakteur Philip Plickert, der die Ordnungspolitik nach der Finanzkrise (vielleicht auch vor der nächsten Finanzkrise) beleuchtet. Sein Beitrag ist gut geschrieben, und man kann dem jungen Volkswirt sicher in vielem zustimmen. Allerdings läuft er manchmal Gefahr, seine schönen volkswirtschaftlichen Ideengebäude, die in der Theorie sicher alle prima funktionieren, mit der Wirklichkeit zu verwechseln. Es gibt eben letztlich keine „reinen Lehren“, kein Schwarz und Weiß, sondern nur ein häufig verwaschenes Grau. Das ist aber etwas langweilig, da steile Thesen oft mehr Interesse wecken.

Plickert hat den Mut zu Meinungen, die dem Zeitgeist widersprechen. So schreibt er, dass dem viel beklagten Marktversagen in der Finanzkrise ein „(Geld- und Fis-kal)-Politikversagen“ voraus gegangen sei. Im Ursprungsland der Krise, den Vereinigten Staaten, habe eine Mischung aus expansiver Geldpolitik, stimulierender Fiskalpolitik und fehlgeleiteter Sozialpolitik zum großen Knall und Einsturz des Kartenhauses geführt. Die fundamentale Korrektur, so der Autor, bestünde darin, „Abschied vom Staat als Marktteilnehmer zu nehmen und den Staat wieder als glaubwürdigen Schiedsrichter über die Spielregeln eines transparenten Marktes zu etablieren“.

Wenn Politiker Banker spielen, dann geht der Schuss häufig nach hinten los. Plickert zitiert aus einer Studie der Ökonomen Harald Lau und Marcel Thum, wonach die öffentlich-rechtlichen Banken 2007 und 2008 durchschnittlich zwei- bis dreimal so hohe Verluste wie die privaten Banken eingefahren hätten. Zudem hätten die Ökonomen auch einen eklatanten Mangel an Kompetenz in den Aufsichtsräten festgestellt. „Politiker sind nicht die besseren Banker“, so Plickert.

Plickerts Beitrag endet ziemlich düster. Der (Sozial-)Staat ist überdehnt, das Land von „Überfremdung“ beziehungsweise den „falschen“ Einwanderern bedroht, die demografische Entwicklung fällt negativ aus. Dies mag alles so sein. Allerdings wünscht man sich beim Lesen dieses Beitrags manchmal einen fröhlichen Konservatismus mit einer positiven Ausstrahlung, der gewinnend wirkt.

Mosers zweiter Beitrag mit dem Titel „Volk ohne Volksparteien“ trägt klar die Handschrift seines Arbeitgebers, nämlich der Politischen Stiftung der ÖVP. Alles, was sich neben den immer kleiner werdenden Volksparteien tummelt, quasi dem linken und rechten Populismus zuzuordnen, erscheint ein wenig ungerecht. Schließlich sind auch Volksparteien oft vor Populismus nicht gefeit, schließlich wollen sie wieder gewählt werden. Ansgar Lange

Christian Moser, Philip Plickert, Till Kinzel, Roland Freudenstein, Christian Kasper: „Konservative Korrekturen“, Edition noir, Wien 2011, 252 Seiten, 9,50 Euro


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