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14.04.12 / Es spritzt der Dreck / Debatte um Grass-Gedicht verrät viel über deutsche Befindlichkeiten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-12 vom 14. April 2012

Es spritzt der Dreck
Debatte um Grass-Gedicht verrät viel über deutsche Befindlichkeiten

Bis vor kurzem gehörte Günter Grass selbst zu jenen, die vor lauter Hypermoral die deutsche Vergangenheit auf zwölf Jahre NS-Herrschaft reduzierten. Diese Heuchelei prägte die deutsche Gesellschaft.

Laut einer Umfrage der „Financial Times Deutschland“ finden 56 Prozent der Teilnehmer Günter Grass’ Kritik an Israel „richtig“, weitere 28 Prozent „diskutabel“. Nur 16 Prozent wenden sich gegen den Autor.

Was sind die Motive? Geht es allein ums Pochen auf das „Recht, Israel kritisieren zu dürfen“? Ist es bloß die Furcht um den Frieden? Oder verbirgt sich dahinter der Fortsatz eines nie überwundenen Antisemitismus, der seit 1945 nur oberflächlich besiegt worden sei, wie manche Grass-Kritiker behaupten?

Vermutlich nichts von alldem. Eher darf man den Grass-Kritikern glauben, die da meinen, dass sich hier die Deutschen heimlich darüber freuten, dass jemand „den Israelis“, oder gar „den Juden mal ordentlich Bescheid gesagt hat“. Und dieses trübe Gefühl hat kaum etwas mit Nahost zu tun, es entspringt allein deutschen Befindlichkeiten, die  einen Schluss zulassen: Die deutsche Debatte um Vergangenheitsbewältigung, Reue und „Lernen aus der Geschichte“ hat sich festgefahren im Morast ihrer Heuchelei und Hypermoral. Nun spritzt der Dreck.

Bizarrerweise sind es gerade die Akteure vom Schlage Grass’, die jene Debatte über Jahrzehnte prägten und steuerten. Von Trauer und Scham über die vor allem jüdischen NS-Opfer lenkten sie die Richtung mehr und mehr zu einer pauschalen Verdammung aller Deutschen. Die finstersten Blüten treten seit Jahren in Dresden auf, wo die Notablen der Stadt gegen ein paar Neonazis marschieren, Hand in Hand mit deutschen Deutschenhassern unter dem Plakat „Do it again, Harris!“ (Mach’s nochmal, Harris). Aufschrei? Empörung? Fehlanzeige. Mit der gleichen brachialen Eiseskälte, dem gleichen Hass begegnen sie deutschen Bomben- und Vertreibungsopfern oder den Frauen, die als Mädchen in den Gulag verschleppt wurden, weil sie Deutsche waren, und heute als alte Frauen noch immer auf Entschädigung warten.

In diesem Eis der Selbstverdammung konnte kein echtes Mitgefühl mehr gedeihen, auch kein wirkliches Einfühlungsvermögen in die Nöte anderer. Wer die eigenen Toten, auch öffentlich als Nation, nicht betrauern soll (oder, bei den Nachgeborenen, gar nicht mehr kann), dem bleibt nur das hohle, anbiedernde Ritual oder die hypermoralische Belehrung anderer, meist „Mahnung“ genannt.

Hass und Verachtung werden aus Selbsthass und Selbstverachtung geboren, auch menschliche Kälte kommt von innen. Wer nun am Beispiel von Günter Grass beklagt, wie wenig Einfühlungsvermögen die Deutschen für Israel und die Juden allgemein aufbringen, der sollte bei der Ursachenforschung zuerst betrachten, wie diese Deutschen mit sich selbst umgehen. Dort wird er die Antwort finden.              Hans Heckel


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