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14.04.12 / Berliner jahrelang geschröpft / Teilprivatisierung der Wasserbetriebe: Schatzkiste für Investoren, Desaster für Verbraucher

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-12 vom 14. April 2012

Berliner jahrelang geschröpft
Teilprivatisierung der Wasserbetriebe: Schatzkiste für Investoren, Desaster für Verbraucher

Bereits zum zweiten Mal hat das Bundeskartellamt den Berliner Wasserbetrieben (BWB) eine Abmahnung zugestellt. Die vom Amt angeordnete Entlastung der Kunden um fast 300 Millionen Euro wirft ein bezeichnendes Licht auf die ohnehin umstrittene Privatisierung der Wasserbetriebe.

Versprochen waren sinkende Preise, mittlerweile hat Berlin die höchsten Wasserpreise unter allen deutschen Großstädten: Für die Preispolitik der teilprivatisierten BWB ist es die sprichwörtliche Ohrfeige, was nach vorläufigem Ermittlungsergebnis nun vom Bundeskartellamt gefordert wird: Um 292 Millionen Euro, verteilt über die nächsten Jahre, sollen Wasserpreise sinken. Noch im laufenden Jahr sollen die Preise gegenüber den Tarifen von 2010 um stattliche 21 Prozent ermäßigt werden, von 2013 bis 2015 immerhin noch um 20 Prozent. Der Preisvorteil soll laut Bundeskartellamt den Berliner Kunden unmittelbar zugutekommen.

Für die BWB ist es bereits die zweite Abmahnung, die von den Wettbewerbshütern zugestellt wurde. Berlins Antwort auf die erste Abmahnung zog weitere Ermittlungen nach sich, deren Ergebnis nun die angeordneten Preissenkungen sind.

1999 waren die Wasserbetriebe teilprivatisiert worden. Der von der damaligen schwarz-roten Koalition vorangetriebene Verkauf eines Landesanteils von 49,9 Prozent an RWE und den französischen Konzern Veolia galt lange Zeit als Musterbeispiel einer „Öffentlich-Privaten-Partnerschaft“, sogar als größtes Privatisierungsvorhaben innerhalb der EU. Zieht man eine Zwischenbilanz bei dem eigentlich bis zum Jahr 2028 laufenden Vertrag, dann fällt das Ergebnis jedoch verheerend aus: Statt der versprochenen sinkenden Wasser- und Abwasserpreise, die durch die Privatisierung kommen sollten, sind die Tarife allein seit 2004 um etwa 35 Prozent gestiegen.

Ebenso ernüchternd ist die Bilanz im Hinblick auf die durch das Land Berlin eingenommene Kaufsumme: Durch die ungünstig gestalteten Verträge ist die komplette Kaufsumme von 1,68 Milliarden Euro bereits bis zum Ende des Jahres 2011 an die Investoren zurück-geflossen. Laufen die Verträge weiter bis zur ersten möglichen Kündigungsmöglichkeit zum 31. Dezember 2028, werden weitere 3,05 Milliarden Euro fließen.

Wie dieses Desaster zulasten der Berliner Wasserkunden zustande kam, wird seit dem 6. Januar im Sonderausschuss „Wasserverträge” des Berliner Abgeordnetenhauses geklärt. Bereits im Vorjahr hatten 666000 Berliner in einem Volksentscheid die Offenlegung der bis dahin geheim gehaltenen Verträge mit RWE und Veolia gefordert. Noch ist aber nicht geklärt, ob inzwischen alle wichtigen Einzelheiten wirklich offengelegt worden sind.

Was bisher bekannt ist, reicht allerdings schon aus, den damals politisch Verantwortlichen ein miserables Zeugnis auszustellen: Ohne unternehmerisches Risiko haben die beiden Investoren vom Land Berlin eine Gewinn-garantie erhalten, die mit einer Kapitalrendite von sagenhaften zwölf Prozent weit über dem Durchschnitt in der freien Wirtschaft liegt.

In dem 1999 unterzeichneten Geheimvertrag war sogar vereinbart worden, dass den Konzernen ein Ausgleich aus dem Landeshaushalt zufließt, sobald das Land Berlin die Gewinn-garantie antastet. In dieser Situation entpuppen sich die Abmahnungen des Bundeskartellamtes für das Land Berlin und die Berliner als Glücksfall: Die von den Wettbewerbshütern verordnete Preissenkung bewahrt das Land vor der Pflicht zu Ausgleichszahlungen an RWE und Veolia, die Berliner werden endlich – zumindest zum Teil – von den weit überhöhten Wasserpreisen entlastet. Zum anderen dürfte die Abmahnung des Amtes für etwas realistischere Preisvorstellung bei den Rückkaufverhandlungen sorgen. Die sind nämlich mittlerweile im Gange.

Nach zwölf Jahren Erfahrung mit teilprivatisierten Wasserbetrieben findet sich im Berliner Abgeordnetenhaus unterdessen niemand mehr, der bereit ist, das 1999 eingeleitete Debakel noch zu verteidigen. Zumindest RWE scheint generell bereit zu sein, das einträgliche aber mittlerweile fast rufschädigende Berliner Engagement wieder aufzugeben.

Derweil sickert schon der nächste Skandal durch. Die Berliner Verbraucher haben offenbar nicht nur jahrelang zu viel für Wasser bezahlt, sondern auch für überteuerte Gasrechnungen: Der ehemalige Aufsichtsratschef der Gasag, Karl Kauermann, hat Klage gegen die Unternehmen Eon Ruhrgas und Gaz de France Suez als Eigentümer des Berliner Gasunternehmens eingereicht. Der Vorwurf Kauermanns: Zu Lasten der Tochtergesellschaft hätten die Eigentümer Preisabsprachen getroffen, die bei der Gasag inzwischen einen Schaden von bis zu 110 Millionen Euro verursacht hätten.

Hintergrund: Mit der Privatisierung des einst kommunalen Unternehmens wurden die Gaspreise für 20 Jahre an die Ölpreise gekoppelt. Trotz mittlerweile gesunkener Gaspreise auf dem internationalen Markt durch neue Anbieter muss die Gasag, sprich: müssen die Berliner Verbraucher aber weiterhin die festgeschriebenen und überteuerten Preise zahlen. Norman Hanert


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