25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
14.04.12 / Westafrika vor dem Umbruch / Mali droht im Chaos zu versinken – Islamistische Rebellen haben auch Nachbarstaaten fest im Griff

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-12 vom 14. April 2012

Westafrika vor dem Umbruch
Mali droht im Chaos zu versinken – Islamistische Rebellen haben auch Nachbarstaaten fest im Griff

Nach dem Sturz Gaddafis werden die Karten in Westafrika neu gemischt. Tuareg-Rebellen haben den Norden Malis erobert, sie profitieren von einem Heer gut ausgebildeter zurückgekehrter Söldner und billigen Waffen.

Mit der Einnahme der wichtigen Stadt Timbuktu haben die Tuareg-Rebellen in Mali den gesamten Norden des Landes mit einer Fläche von der doppelten Größe Deutschlands unter ihre Kontrolle gebracht. Damit kontrollieren die Tuareg-Rebellen jetzt zum ersten Mal ihr gesamtes Siedlungsgebiet auf dem Territorium des Staates Mali, dessen Armee nur noch den schwarzafrikanischen Siedlungsgürtel im Süden des Landes kontrolliert. Doch der Tuareg-Aufstand im Norden hat auch im Süden des Landes eine politische Krise ausgelöst. Zunächst hatten wütende Armeeangehörige in der Hauptstadt Bamako und in anderen Städten nur demonstriert, vor einigen Wochen putschten sie den Offizier Amadou Sanogo an die Macht, weil der gewählte Präsident, Amadou Touré, unfähig gewesen sein soll, den Aufstand niederzuschlagen. Durch den Putsch geschwächt, brachen die militärischen und zivilen Strukturen im Norden des Landes zusammen und begünstigten so den Tuareg-Aufstand.

Am 17. Januar hatten Tuareg-Milizen unter dem Banner der Azawad-Befreiungsfront (MNLA) die Rebellion gegen die Regierung Malis ausgerufen. Die von Angehörigen des Tuareg-Volkes Ende 2011 gegründete Rebellengruppe MNLA will nach eigener Aussage einen unabhängigen Staat der Tuareg in ihrem Heimatgebiet, Azawad genannt, ausrufen. Der Aufstand dümpelte wochenlang vor sich hin, bis sich vor zwei Wochen islamistische Krieger der „Ansar ad-Din“ (Anhänger des Glaubens) unter Führung des legendären Tuareg-Führers Iyad Ag Ghali dem Aufstand anschlossen. Anders als die MNLA verfügt Iyad Ag Ghali bereits über mehr als 20 Jahre Erfahrung im „Befreiungskampf“. Nach dem letzten Friedensabkommen 2006 wurde er von der malischen Regierung durch ein hohes Amt in der malischen Botschaft in Saudi-Arabien belohnt. Dort scheint er seine nationalistische Ideologie gegen eine islamistische ausgetauscht zu haben, die sogar den saudischen Behörden, die nicht zimperlich sind in der Verbreitung islamistischen Gedankenguts, suspekt vorgekommen ist, und so wurde er 2010 des Landes verwiesen.

Die Ursachen für den Aufstand der Tuareg liegen in einem grundlegenden Gefühl von Vernachlässigung und Marginalisierung durch die Regierung Malis. Hintergrund für den neuerlichen Aufstand ist der Sturz des libyschen Gaddafi-Regimes. Dessen Niederlage ließ auch einen einflussreichen Vermittler im Konflikt zwischen den transnationalen Tuareg und den Regierungen der Sahel-Staaten von der Bühne verschwinden. Erst 2009 hatte Gaddafi ein Waffenstillstandsabkommen in Mali ermöglicht, indem er tausende Tuareg-Kämpfer in seine Armee übernommen hatte. Jene Kämpfer strömen nun zurück nach Mali.

Das Nomadenvolk der Tuareg erhebt sich seit der Unabhängigkeit der schwarzafrikanischen Staaten in den 60er Jahren immer wieder gegen die Regierungen der Region. Als Berbervolk sind die Tuareg hellhäutig und sie waren jahrhundertelang am Transsahara-Sklavenhandel beteiligt. Aus diesem Grunde fühlten sie sich den neuen schwarzafrikanischen Herrschern in dieser Region überlegen und waren nicht bereit, sich in die neuen Staaten einzugliedern. Gegenüber der schwarzafrikanischen sesshaften Bevölkerung wurden sie von den neuen Regierungen auch benachteiligt. Das 1,5 Millionen Menschen zählende Nomadenvolk lebt verstreut in mehreren Ländern, vor allem in Mali, Burkina Faso, Niger, Nigeria, Algerien und Libyen. Nirgendwo bilden sie eine Mehrheit oder genießen Autonomie. In Mali und Niger erhoben sich die Tuareg in den 60er und 90er Jahren sowie nach der Jahrtausendwende gewaltsam gegen die dortigen Regierungen und forderten die Anerkennung ihrer Traditionen sowie staatliche Unabhängigkeit.

Die Schwarzafrikaner waren für Gaddafi reine Verhandlungs- und Manövriermasse für seine imperialistischen Spielchen, die er sich dank des Ölreichtums seines Landes erlauben konnte. In Mali und Niger war er so ein Partner der jeweiligen Regierungen. Mit libyschem Geld ließ er Hotels und Regierungsgebäude errichten und unterstützte gleichzeitig deren Opposition mit Waffen.

Auch in Libyen selbst kehrt keine Ruhe ein. Erst kürzlich versuchten schwarzafrikanische Toubou-Rebellen, die Oasenstadt Sebha, die Hauptstadt des Fezzan, zu erobern. Das Land mit seinen 150 Milizen droht in einem langanhaltenden Stillstand zu verkommen. Libyen war – dank des Erdölreichtums – ein wirtschaftlicher Stabilitätsfaktor in der Region.

Die Tuareg-Rebellion könnte, wenn sie zu einem neuen Staat führt, worauf im Moment alles hindeutet, die politische Landkarte Westafrikas radikal verändern, vor allem wenn über die Ansar ad-Din auch Islamisten der Al-Kaida in der Sahelzone neue Bastionen erringen. Es kursieren Gerüchte über eine Beteiligung der zuletzt stark geschwächten regionalen Al-Kaida-Basis (AQMI) am Tuareg-Austand, ohne dass dafür bisher handfeste Beweise vorliegen. Die AQMI hat bislang nicht nur im Norden Malis operiert, sondern auch die Nachbarstaaten Niger, Tschad und den Süden Algeriens fest im Griff.

Mali war einst das demokratische Musterland Westafrikas, am 29. April sollten dort eigentlich Präsidentschaftswahlen stattfinden. Der nun weggeputschte Präsident wollte nicht wieder antreten. Jetzt droht das Land über Jahre im Chaos zu versinken. Auch dies ist eine von den Nato-Staaten nicht bedachte Spätfolge des Sturzes von Gaddafi.   Bodo Bost


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren