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14.04.12 / Dem Sinnlichen der Klassiker auf der Spur / Jenseits von Literatur: Im Schiller-Museum Weimar packt Goethe seine Sammlerstücke aus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-12 vom 14. April 2012

Dem Sinnlichen der Klassiker auf der Spur
Jenseits von Literatur: Im Schiller-Museum Weimar packt Goethe seine Sammlerstücke aus

Die Ausstellung „Weimarer Klassik – Kultur des Sinnlichen“ der Klassik-Stiftung Weimar bringt Besuchern das sinnliche Erleben der Epoche Goethes und Schillers über Gegenstände und Farben nahe, die solche Geistesgrößen schätzten. Das Ausstellungskonzept verspricht ein Museum zum Anfassen.

„Da strömet herbei die unendliche Gabe, / Es füllt sich der Speicher mit köstlicher Habe, / Die Räume wachsen, es dehnt sich das Haus“ – was Schiller einst im „Lied von der Glocke“ als wohlständige häusliche Umgebung beschrieb, das dürfen Besucher des Weimarer Schiller-Museums mit unmittelbarem Bezug zu ihm und anderen Klassikern neu und umfänglicher denn je begreifen. Ausstellungsstücke zum Wohnen, Sammeln und Schreiben sind „jenseits ihrer literarisch-ideellen Dimension als eine spezifische ,Kultur des Sinnlichen‘“ zum Anfassen zusammengestellt.

Auf die richtige Komposition kam es schon damals an. Was Universalgelehrte wie Goethe an Sammlerstücken auspackten und im Kreis von Freunden und Bewunderern vorstellten, das sollen nun in ähnlicher Weise wieder Besucher zur Hand nehmen. Denn Kostbarkeiten nach Art antiker Gemmen gehörten zum Teil des geselligen Lebens, waren Ausdruck der Antikenverehrung und zugleich als Siegelring praktisches Alltagsinstrument. Sie fanden sogar als Naschwerk ab 1792 von Weimar aus reißenden Absatz.

Die Schau will zeigen, „mit welchem Anspruch man im klassischen Weimar die sinnliche Erfahrung zum Maßstab einer neuen Wohnkultur und zur Richtschnur einer reflektierten Kunstbetrachtung erhoben hat“. Die drei Bereiche Wohnen, Sammeln und Schreiben stehen unter anderem wegen der Veränderungen, die diese Bereiche um 1800 durchliefen, im Zentrum der Betrachtung. Wie sehr beispielsweise der Blick auf die Antike bereits mit modernen, fabrikartigen Herstellungstechniken einherging, zeigt eine Antinoos-Büste. Sie wurde in Martin Gottlieb Klauers Kunst-Fabrik seinerzeit aus bereits beschriebenem Altpapier gefertigt – recycelt, würde man heute sagen. Derart gegenständliches Denken wollen die Macher der Schau getreu der klassischen Vorbilder als eigene Erkenntnisform kultivieren. Darum verzichten sie auf die sonst üblichen Schilder zu den Ausstellungsstücken. Statt sofort Erklärungen zu lesen, sollen die Besucher das Gezeigte wie einst auf sich wirken lassen. Ein Begleitbuch gibt später die Chance, Näheres zu erfahren.

Einen Höhepunkt der Ausstellung bildet eine dreidimensionale Simulation, die erstmals verschiedene Einrichtungssituationen in Goethes Wohnhaus am Frauenplan in Weimar nachvollziehbar macht. So entsteht ein Eindruck von den wechselnden Wahrnehmungen, die der Dichter in seinen vier Wänden zu erzeugen hoffte. Das Spiel mit der Psychologie von Wahrnehmung und der Schönheit des Materials steht dabei ungewohnt deutlich im Mittelpunkt. Das macht die Klassiker nicht nur begreifbar, eine Atmosphäre freudigen Stöberns stellt sich ein. Wenig stört dabei, dass zum Konzept gehörende grüne Teppiche zu Goethes Zeit unbekannt waren, wie die Lokalpresse kritisierte. Auf die künstlerische Wirkung von Farben und Formen im Zusammenhang kommt es an.

Dieses Kontrastprogramm zum sonst üblichen musealen Rundgang durch Goethes und Schillers Wohnhaus erfrischt. Zahlreiche Stücke anderer europäischer Museen sind zudem als Leihgaben im Rahmen der mit Bundesmitteln geförderten Ausstellung zu sehen. Eine Broschüre, dessen Gestaltung von den charakteristischen Materialqualitäten der Exponate inspiriert wurde, begleitet die Besucher auf ihrem Rundgang.

            Sverre Gutschmidt

„Weimarer Klassik. Kultur des Sinnlichen“ noch bis 10. Juni 2012 im Schiller-Museum, Schillerstraße 12, 99423 Weimar. Öffnungszeiten dienstags bis freitags  9 bis 18 Uhr, sonnabends 9 bis 19 Uhr, sonntags 9 bis 18 Uhr. Eintritt: 3,50 Euro, ermäßigt 2,50 Euro, Schüler 1 Euro; Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren frei. Besucherinformation: Telefon (03643) 545-400, Internet: www.goethe2012.de und www.klassik-stiftung.de   


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