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21.04.12 / Der Politik zum Trotz / Deutsche Wirtschaft meistert eine Krise nach der anderen und das, obwohl Berlin seine Hausaufgaben nicht macht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-12 vom 21. April 2012

Der Politik zum Trotz
Deutsche Wirtschaft meistert eine Krise nach der anderen und das, obwohl Berlin seine Hausaufgaben nicht macht

Während Bundeskanzlerin Angela Merkel weltweit Deutschland als Vorbild präsentiert, ärgert sich die Wirtschaft daheim, dass die Kanzlerin Lorbeeren für etwas einfährt, an dem ihr Anteil eher gering ist.

Nachdem zahlreiche Wirtschaftsverbände bis Mitte April die Chance gehabt hatten, zum neuen Gesetzesentwurf der Bundesregierung bezüglich der neu einzuführenden Gelangensbestätigung Stellung zu beziehen, wird nun im Bundestag an der Fertigstellung des neuen Gesetz gearbeitet. Am Juli soll das Gesetz dann endlich greifen, nachdem die Einführung wegen massiven Widerstandes aus der Wirtschaft bereits verschoben worden war.

Eigentlich verspricht jede Bundesregierung Bürokratieabbau, doch alle blieben bisher hinter ihren Zielen zurück, alte Regelungen auf ihre Effizienz und Sinnhaftigkeit hin zu überprüfen, waren aber meisterlich darin, neue Vorschriften und Reglementierungen zu schaffen. Die neue Gelangensbestätigung, deren sperriger Name bereits im innereuropäischen Warenverkehr für Unmut sorgen dürfte und die auch griffiger Empfangsbestätigung hätte genannt werden können, soll Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble dabei helfen, Umsatzsteuerbetrug einzudämmen. Das heißt, jeder Exporteur sollte eigentlich schriftlich von seinem Kunden innerhalb der EU eine Bestätigung einfordern, dass dieser die bestellte Ware erhalten hat. In dem Fall, dass die Bestätigung nicht vorliegen sollte, war beabsichtigt, dass der deutsche Exporteur die Umsatzsteuer nachzahlt. Die Wirtschaft sah schon ein neues Bürokratiemonster am Horizont heraufziehen und protestierte vehement. Jetzt sieht es so aus, als würde deutschen Finanzbehörden auch E-Mail-Bestätigungen vom Empfänger genügen und tolerante Beamte sollen sogar die Möglichkeit erhalten, bei vertrauenswürdigen Unternehmen in Ausnahmefällen Belege über Bestellungen und die Bezahlung der Ware zu akzeptieren.

Zwar wurde dieses Gesetz nun praktikabler gemacht, doch zahlreiche Vertreter aus der Wirtschaft sind mit der Gesamtsituation unzufrieden. So manchen Firmenchef verstimmt es, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel durch die Welt reist und die gute deutsche Wirtschaftsentwicklung auch als ihren Entwurf verkauft. Dabei könne man eher sagen, die deutsche Wirtschaft wachse trotz der im Bundestag Agierenden. Der „Spiegel“ betitelte dieses Phänomen letztens als „Die Tunix-Regierung“, übersah aber dabei, dass Schwarz-Gelb mit Unterstützung aller Oppositionsparteien keineswegs die Hände in den Schoss legt, im Grunde ist es vielmehr so, dass sie der deutschen Wirtschaft noch in zahlreichen Bereichen Stöckchen in Form von Vorschriften, politischen Zielen und Gesetzen in das fleißig laufende Räderwerk wirft.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-lung (OECD) moniert seit Jahren, dass in Deutschland zu wenig junge Menschen einen Hochschulabschluss machen würden, die Chancengleichheit Defizite aufweise, zu wenig Frauen voll berufstätig seien, was durch das Ehegattensplitting und das geplante Betreuungsgeld sogar noch verschärft würde, zu wenig in die Infrastruktur investiert würde und nicht genügend für die Alterung der Gesellschaft in Vorleistung getreten würde. Auch wenn die meisten OECD-Bewertungen sich dadurch relativieren, dass häufig die deutschen Besonderheiten nicht berücksichtigt werden, so enthalten sie zumindest einen wahren Kern. Doch wenn sich zahlreiche Unternehmensverbände gemeinsam darüber beschweren, dass die auch wegen der Energiewende hohen deutschen Strom- und Energiepreise ihre Wettbewerbsfähigkeit gefährde, dass komplizierte Steuersystem einen hohen und somit teuren Verwaltungsaufwand mit sich bringe, Archivierungsfristen und Informationspflichten zu aufwendig und kostenträchtig seien sowie Verbraucher-, Umwelt- und Klimaschutzziele so manches Mal übers Ziel hinausschießen würden, so müsste die Bundesregierung eigentlich im Interesse des Standortes D aktiv werden. Aber zahlreiche Problemfelder werden von der Politik nicht zur Kenntnis genommen und Opposition wie EU verlangen oft noch schärfere Vorschriften und Reglementierungen. Liberalisierung ist inzwischen ein Unwort geworden, das selbst die Liberalen der angeschlagenen FDP kaum noch auszusprechen wagen. Letztens merkte Martin Lindner, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, an, dass zum Beispiel bei den verschärften Gesetzen zum Arbeitsschutz das Maximum nicht immer das Optimum für die Arbeitnehmer sei, da übertriebene Vorschriften auch zur Produktionsverlagerung ins Ausland führen könnten und dem deutschen Arbeitnehmern somit wenig geholfen sei. Viel weiter wagen sich die Liberalen aber nicht mehr aus der Deckung.

Auch das Thema Steuersenkungen in Bezug auf die kalte Progression scheint endgültig als verlorene Schlacht gegen-über Schäuble und dem Bundesrat verbucht worden zu sein. Dabei ist belegt, dass die seit Jahren nicht aktualisierte Festlegung der Lohnsteuersätze dazu führt, dass Lohn-erhöhungen von der Inflation und der kalten Progression fast vollständig aufgesogen werden, so dass am Ende nicht mehr Geld im Portemonnaie des Arbeitnehmers bleibt. Auch das behindert die deutsche Wirtschaft, denn es hat zur Folge, dass sie zwar höhere Löhne zahlt, die Binnennachfrage aber keineswegs wächst. Und so hängt das deutsche Wirtschaftswachstum zwangsläufig zu einem Großteil von der Auslandsnachfrage ab. Doch all das macht die Konjunktur fragil, so dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sich Merkel nicht mehr im Wachstum der deutschen Wirtschaft sonnen kann. Und dies ganz unabhängig davon, wann die unausgegorene Euro-Rettung sich auf die Realwirtschaft auswirkt.              Rebecca Bellano


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