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21.04.12 / Die Eidgenossen als Buhmann / Während der Schweiz Hilfe beim Steuerbetrug unterstellt wird, gehören einige ihrer Ankläger selbst angeklagt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-12 vom 21. April 2012

Die Eidgenossen als Buhmann
Während der Schweiz Hilfe beim Steuerbetrug unterstellt wird, gehören einige ihrer Ankläger selbst angeklagt

Schritt für Schritt hat die Schweiz gegenüber Ländern wie Deutschland und den USA Positionen um ihr bisheriges Bankgeheimnis geräumt. In der Öffentlichkeit ist dabei das Bild eines skrupellosen Landes entstanden, das aus Eigennutz Steuerhinterziehern aus aller Welt behilflich ist. Dieser Vorwurf trifft allerdings eher auf zwei andere Länder zu: Großbritannien und die USA.

Bereits 2010 veröffentlichte der australische Steuerexperte Jason Sharman von der Griffith University in Brisbane erstaunliche Ergebnisse eines Experiments. 20000 Dollar, ein Telefon und ein Internetzugang waren die Voraussetzung für den Versuch, anonym im Ausland eine „Strohfirma“ zu gründen. Von den in aller Welt kontaktierten 54 Dienstleistern für Unternehmensgründungen antworteten 45. Von diesen wollten 28 Dienstleister eine Identifizierung des Firmengründers, etwa eine notariell beglaubigte Passkopie. In 17 Fällen reichte für die Unternehmensgründung eine Postadresse und ein Kreditkartennummer. Im Klartext: Wirklich ernsthaft hat sich niemand dafür interessiert, wer eigentlich der Eigentümer der zu gründenden Firma ist. Lediglich vier Mal gelang eine solche anonyme Konstruktion, die zum Missbrauch und Wirtschaftskriminalität fast einlädt, in „klassischen“ Steueroasen, 23 Mal allerdings in Ländern, die allgemein nicht mit Begriffen wie Steueroasen oder Geldwäsche in Verbindung gebracht werden.

Auch nachdem nun zwei Jahre vergangen sind, dürfte sich an dem Befund wenig geändert haben. Wenn überhaupt, dann ist es wegen des internationalen Drucks in den „klassischen“ Steueroasen noch schwieriger geworden, anonym eine Firma und damit ein Konto einzurichten. Woran das liegt, hat der britische Steuerexperte Nicolas Shaxson untersucht. Ging es in den letzten Jahre um Steueroasen, dann stand immer das Bankgeheimnis, das zum Beispiel typisch für den Standort Schweiz ist, im Vordergrund der Diskussion. Völlig aus dem Blick geraten ist dabei das Instrument des „Trust“ – eine vor allem in englischsprachigen Ländern übliche Form der Vermögensanlage. Vor allem den USA ist es bisher gelungen, die Problematik „Steuerparadiese“ auf eigenem Boden erfolgreich aus der Diskussion herauszuhalten, stattdessen wurden Länder wie die Schweiz öffentlichkeitswirksam unter Druck gesetzt.

Wie Steuerhinterziehung für Ausländer auf dem Boden der USA konkret abläuft, lässt sich am Beispiel des US-Bundesstaats Delaware erkennen. Im kleinen Ostküsten-Staat werden jährlich im Durchschnitt 130000 Firmen gegründet. Hinter einem Großteil dieser Firmen steht lediglich ein Firmenname, ein Konto und eine Postadresse. Rechtsform ist üblicherweise die „Limited Liability Company“ (LLC). Die dürfen anonym eingerichtet werden und müssen nicht einmal Geschäftsaktivitäten  vorweisen. Firmenchef, Verwaltungsrat und Aktionär können ein und dieselbe Person sein. Für Ausländer sind die LLC das ideale Instrument, um in den USA Schwarzgeld vor der Steuerfahndung ihrer Heimatländer oder sogar kriminell beschafftes Geld zu verbergen.

Für ausländische Anleger sind die USA noch aus einem anderen Grund attraktiv. Der Staat besteuert die Zinsen nicht. Gekoppelt mit der Anonymität bei der Firmengründung bieten mehrere US-Bundesstaaten „alle Vorteile einer Steueroase“, wie der britische „Economist“ bemerkt hat. Wie ausgiebig dies genutzt wird, lässt sich am Beispiel eines Bürogebäudes in Wilmington, der größten Stadt Delawares, beobachten. Unter einer einzigen Adresse – 1209 North Orange Street – sind mehr als 200000 Unternehmen gemeldet. Bei einer beachtlichen Anzahl der Kunden, die auf die LLC-Firmen in Delaware zurückgreifen, soll es sich um Lateinamerikaner und Osteuropäer handeln, die Geld außerhalb ihres Heimatlandes verstecken oder sogar Geldwäsche betreiben. Ähnlich ausgiebig werden die Möglichkeiten in den Bundesstaaten Wyoming, Florida und Nevada genutzt. Vom Steuerexperten Nicolas Shaxson wird die hinter dieser Praxis stehende Doppelmoral der USA scharf kritisiert. Auf Länder wie die Schweiz wird Druck ausgeübt, um Steuern von US-Bürgern einzutreiben, gleichzeitig werden Steueroasen auf eigenem Boden geduldet, mit denen Ausländer Steuern in ihren Heimatländern hinterziehen können. Das geschieht sogar in einem unglaublichen Maßstab. Nach Shaxson kontrollieren Großbritannien und die USA mehr als der Hälfte aller Steuerparadiese weltweit. Die USA stehen für 21 Prozent des „Offshore“-Finanzmarktes. Großbritannien steht direkt für 20 Prozent und über indirekt kontrollierte Gebiete für weitere zehn Prozent. Bedeutung haben hier insbesondere Territorien, in denen nicht EU-Recht gilt, sondern die direkt der britischen Krone unterstehen, wie die Kanalinseln Jersey und Guernsey, Bermuda, die Cayman-Inseln in der Karibik oder die Isle of Man.

Auf internationalen Gipfeltreffen ist es vor allem den USA bisher hervorragend gelungen zu verhindern, dass die eigenen Steueroasen zum Thema werden. Mit dazu beigetragen haben allerdings auch deutsche Politiker wie der ehemalige Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), der zwar gegenüber dem kleinen deutschen Nachbarn Schweiz kraftvoll polterte, im Hinblick auf US-Steueroasen allerdings bisher öffentlich kein Wort verloren hat.  Norman Hanert


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