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21.04.12 / Loyal bis in den Tod / Theologe entschied sich 1942 für seine jüdische Frau und gegen den NS-Staat

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-12 vom 21. April 2012

Loyal bis in den Tod
Theologe entschied sich 1942 für seine jüdische Frau und gegen den NS-Staat

Markus Baum inszeniert in „Jochen Klepper“ ein dramatisches Leben auf eindrucksvolle Weise. Jochen Klepper, 1903 geboren, war evangelischer Theologe, Schriftsteller und Poet. Wenn es in Baums Einführung heißt: „Im gemeinsamen Liederkanon der deutschsprachigen evangelischen Christenheit kommt Klepper zusammen mit Martin Luther direkt nach Paul Gerhardt“, so kann diese Feststellung noch angereichert werden durch die Mitteilung, dass sogar drei seiner Lieder in das „Gotteslob“ der katholischen Kirche Eingang gefunden haben, also seit Jahrzehnten dort im deutschsprachigen Raum gesungen werden. Kleppers Roman „Der Vater“ war in den 30er Jahren ein Bestseller.

1931 heiratete Klepper eine Jüdin, die zwei jüdische Kinder in die Ehe mitbrachte. Als der Antisemitismus 1933 mit der Kanzlerschaft Hitlers staatlich nicht nur goutiert, sondern angefacht wurde, waren die Konflikte für die Familie Klepper gleichsam programmiert, die erst mit dem Freitod im Dezember 1942 endeten.

Schon am 29. März 1933 notierte Klepper in sein Tagebuch: „Warum soll es mir besser gehen als den Juden? Lieber dort sein, wo Gott leiden lässt, als jetzt ‚mit Gott für das Vaterland‘ emporgetragen zu werden.“ Diesem ganz seltenen, geradezu märtyrerhaften Heroismus blieb er treu bis in den gemeinsamen Tod.

Doch vorher, im Kampf um das Leben seiner zweiten Stieftochter, der ersten war die Ausreise noch geglückt, setzte er alle denkbaren Hebel in Bewegung. So wurde unter anderem die Frau des Reichsmarschalls Hermann Göring eingeschaltet. Ja, er drang persönlich bis zum Reichsinnenminister Wilhelm Frick und zum SS-Sturmbannführer Adolf Eichmann vor. Letztlich ohne Erfolg.

Viele Zeitgenossen haben über ihn nach dem Ende der NS-Herrschaft berichtet. Doch die wertvollsten Quellen, die uns Einblick in sein Denken, Fühlen und Wollen gewähren, sind seine sehr umfangreichen Tagebücher. Insofern, aber auch sonst auf vielfältige Weise, erinnert er an den Juden Victor Klemperer, der ebenso in „Mischehe“ lebte, Klepper, der „Arier“ mit einer Jüdin in Berlin, Klemperer, der Jude, mit einer „Arierin“ in Dresden. An treuloses Verlassen dachte weder Eva Klemperer noch Jochen Klepper, obwohl sie dazu aufgefordert wurden und sich den Verfolgungen hätten entziehen können. Auch sonst kam es kaum zu Scheidungen der Rasse wegen, wovon aber bei Baum nicht die Rede ist.

Baum vergleicht die beiden Literaten. Während sich Klepper für unpolitisch hält, befasst sich Klemperer leidenschaftlich mit politischen Fragen. Noch 1933 stehen beide Protestanten dem Zentrum, der katholischen Partei, nahe. In der Zeit der Verfolgung schauen beide Protestanten bewundernd auf die katholische Kirche. Anfang November 1935 schreibt Klepper in sein Tagebuch: „Der Katholizismus ist mir manchmal wie eine letzte Vorstufe des Glaubens, in der Gott den Menschen noch ihre Würde belässt, den furchtbaren Blick auf die Unwürde des Menschen noch erspart. Tatsächlich stehen viele Katholiken ethisch auch höher. Reinhold Schneider ist ein Mensch voll Würde.“ Und Victor Klemperer meint bei Kriegsende: „dass wir eigentlich katholisch werden müssten“ – nach den gemachten Erfahrungen.

Doch die wichtigste Gemeinsamkeit wird von Baum nicht wahrgenommen, bleibt zumindest unerwähnt: Beide stellen dem Gros der Deutschen ein gutes Zeugnis aus, verneinen, was die gängige Geschichtsschreibung glaubhaft machen möchte, nämlich dass das Volk in seiner Mehrheit Hitlers mörderische Judenpolitik bejaht habe. Bei Klemperer heißt es wörtlich; „Fraglos empfindet das Volk die Judenverfolgung als Sünde“ und bei Klepper: „Das Volk ist ein Trost.“    Konrad Löw

Markus Baum: „Jochen Klepper“, Neufeld Verlag, Schwarzenfeld 2011, 287 Seiten, 17,90 Euro


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