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28.04.12 / Traditionskultur abgedrängt / Hamburger Kammeroper bietet gute Unterhaltung und historisch interessanten Stoff, hat aber Existenzprobleme

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-12 vom 28. April 2012

Traditionskultur abgedrängt
Hamburger Kammeroper bietet gute Unterhaltung und historisch interessanten Stoff, hat aber Existenzprobleme

Während das Buch „Kulturinfarkt“ in Deutschland zu einer großen Debatte über die staatliche Subventionierung des Kulturbetriebes geführt hat, kämpfen die Betreiber der Hamburger Kammeroper jedes Jahr aufs Neue um ihre Existenz. Das privat geführte Haus ist ein kleines, feines Juwel für Opernliebhaber. Seit 1996 befindet sich in der Max-Brauer-Allee 76 in Hamburg nicht mehr nur das „Theater für Kinder“, sondern eben auch die Kammeroper, die immerhin seit zwei Jahren mit einem kleinen Betrag von der Hansestadt unterstützt wird. Dabei würden es die Eigentümer viel sinnvoller finden, wenn die Hamburger Tourismuszentrale statt nur für die Musicals der Stadt auch für die Theater werben würde, denn Werbung ist kostspielig und ein kleines Haus wie die Kammeroper kann sich weder das Personal nach die Maßnahmen im nötigen Ausmaß leisten. Für die Stadt hingegen wäre es ein leichtes, so die Theatermacher, auch gleich für alle Theater der Stadt zu werben. Und so kommt es, dass selbst alteingesessene Hamburger noch nie von der Kammeroper gehört haben.

Dabei bietet die Kammeroper ein Programm, das für Opernliebhaber wie für Operneinsteiger gleichermaßen gemacht ist. Stimmlich gibt es am gut ausgebildeten Ensemble absolut nichts auszusetzen. Besonders der im siebenbürgischen Klausenburg geborene Marius Adam interpretiert die Titelrolle in „König Theodor in Venedig“ überzeugend. Es geht in der Oper des Italieners Giovanni Paisiello (1740–1816) um die historische Figur des 1694 in Köln geborenen Freiherrn Theodor Stephan von Neuhoff. Dessen abenteuerliches Leben inspirierte mehrere Komponisten, Dichter und Schriftsteller. Paisiellos Oper wurde 1784 in Wien uraufgeführt und setzt ein, als Theodor unter falschen Namen in einen Hotel in Venedig logiert. Der Freiherr hat schon bessere Zeiten gesehen. Nach einem Aufstand war der Edelmann, der an mehreren europäischen Höfen in Diensten gestanden hat, zum König von Korsika gekrönt worden. Nun aber ist auf ihn ein Kopfgeld ausgesetzt und guter Rat teuer, denn er weiß nicht, wohin er flüchten, geschweige denn, womit er seine Hotelrechnung bezahlen soll.

Das Team der Hamburger Kammeroper hat die italienische Oper, die zwar die historische Figur zum Vorbild hat, deren Venedig-Aufenthalt aber fiktiv ist, neu ins Deutsche übersetzt, gekürzt und die Dialoge eingebaut, um sie auch für Operneinsteiger zugänglich zu machen. Während sich das „Hamburger Abendblatt“ über das fast pantomimische Spiel des in Australien aufgewachsenen und ausgebildeten Roy Weissensteiner als Theodors Diener Gafforio freute, wirkt es auf die Verfasserin dieser Zeilen auf nervig-alberne Weise übertrieben, zumal es nicht zu dem ernsthaften Spiel von Marius Adam passt, schließlich befinden sich beide in einer Notlage. Gafforios Idee, dass Theodor Lisetta, die Tochter des Hoteliers, heiratet, so dass dieser Vater einer Königin wird und im Gegenzug Theodors offene Rechnungen erlässt, ist der Einstieg für amüsante Verwicklungen. Denn Lisetta ist bereits verlobt, doch da es so aussieht, als würde ihr Verlobter Sandrino der schönen Belisa, die ihr Auge aber auf den inkognito reisenden Achmet geworfen hat, den Hof machen, willigt sie zögernd ein. Das Ende ist überraschend kriminell.

Übrigens war auch das Ende des wahren Theodor wenig romantisch: Er, der einst Page von Liselotte von der Pfalz in Paris und Versailles war, als Agent für den schwedischen König Karl XII. spionierte, bei John Laws „Mississippi-Spekulation“ kurzfristigen Reichtum erlangte und eben König von Korsika war, starb 1756 im Londoner Schuldgefängnis „Kings Bench“. Bel

Der „König Theodor in Venedig“ ist noch bis zum 10. Juni zu sehen im Allee Theater Kammeroper Hamburg, Max-Brauer-Allee 76, 22765 Hamburg, Telefon (040) 382959, www.hamburger-kammeroper.de.


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