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28.04.12 / Höchste Zeit / Buch hält Wissen über Liegnitzer fest

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-12 vom 28. April 2012

Höchste Zeit
Buch hält Wissen über Liegnitzer fest

Man kann sich des Eindrucks oft nicht erwehren, dass einige Abschnitte der jüngeren deutschen Geschichte von offiziellen Vertretern dieses Landes eher stiefmütterlich behandelt werden; eine „moralisierende Geschichtsbetrachtung“ wäre der passende Ausdruck dafür. Das ist relativ bequem: Konkretes Faktenwissen ist nicht nötig, man kippt einfach die Soße der moralischen Entrüstung über die jeweilige Zeit und ist auf jeden Fall im politisch korrekten Bereich. Nur leider hat das oft mit den tatsächlichen Geschehnissen nicht allzu viel zu tun. Die Vertreibung der Deutschen aus ihren angestammten Gebieten jenseits von Oder und Neiße am Ende des Zweiten Weltkrieges und kurz danach gehört in diese Kategorie. Nach dem Motto „Selber schuld!“ lässt sich die Befreiung der dort wohnenden Bevölkerung von ihrem Eigentum und ihrer Heimat darstellen; nur ja nicht in die „Opferrolle“ kommen. Die englische Schriftstellerin Kate Mosse meinte vor einigen Jahren: „Wir wissen aus der Geschichte, dass die Wahrheit immer das Opfer von Eroberung und Krieg ist; diejenigen, die besiegt werden, verlieren die Fähigkeit, ihre eigene Geschichte zu erzählen.“ Recht hat sie, und das trifft auf alle Seiten zu. Allerdings legen wir gern noch eins drauf, denn „Der Hang zur Selbstkritik, der oft bis zum Selbstekel, zur Selbstverfluchung ging, ist kerndeutsch“, wie schon Thomas Mann wusste.

Gemäß Leopold von Ranke hat der Historiker die Aufgabe, möglichst objektiv zu zeigen, „wie es eigentlich gewesen ist“. Das ist gar nicht so einfach und erfordert vor allem viel Fleiß, denn Quellenstudium ist immer mühsam.

Freiherr von Zedlitz hat sich dieser Mühsal unterzogen und das ist gut so: In zwanzig Jahren ist die Erlebnisgeneration des Krieges fast verschwunden, dann kann niemand mehr unmittelbare Eindrücke erzählen − und die das jetzt noch können, waren damals Kinder; deren Eltern haben meistens ihre Erfahrungen und Erlebnisse mit ins Grab genommen. Es war also höchste Zeit, schriftliche Berichte zusammenzutragen, um diese schweren drei Jahre 1944 bis 1946 in ihrer Dramatik für die Liegnitzer Deutschen vor dem Vergessen zu bewahren.

Das Buch ist alphabetisch nach den Gemeinden des Landkreises Liegnitz gegliedert. Natürlich ist nicht jedes Dorf dabei. Nur von etwa einem Viertel war es möglich gewesen, schriftliche Zeugnisse zu bekommen. Und natürlich hat jede Ortschaft und jede Familie ihre ganz spezielle Geschichte und selbst die kann unterschiedlich erzählt werden. Doch was hier niedergeschrieben ist, berührt schon aus dem Grunde, weil das Erlebte unmittelbar und unverändert zu uns spricht - in die Texte sind kaum Korrekturen eingeflossen. So erfahren wir aus den Worten der Betroffenen das Schicksal Ihrer Familien von Leid, Tod und auch Neuanfang. Alles Dinge, die heute in den Nachrichten über Krisenherde in dieser Welt fast jede Woche vorkommen. Aber hier erschüttern die Masse und die Dimension des Geschehens. In diesem Sinne ist das Buch auch eine Mahnung zum Nachdenken über die Folgen der „Großen Politik“, deren praktische Umsetzung durch Menschen und deren Auswirkungen auf das Leben von Menschen. Ein zeitgemäßes Thema also.

Ernst-Günter Lattka

Liegnitz und sein Landkreis 1944, 1945 und 1946. Zeitzeugenberichte. Hrsg. v. Sigismund Freiherr von Zedlitz. (Beiträge zur Liegnitzer Geschichte der Historischen Gesellschaft Liegnitz e.V. 41. Band), Henske-Neumann Verlag. Hofheim/Taunus 2011. ISBN 978-3-9813078-2-5. 231 Seiten. 35 Euro.


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