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28.04.12 / Schatzsuche nach Noten / In den deutschen Vertreibungsgebieten, insbesondere in Ostpreußen, entstand Liedgut von höchster Qualität

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-12 vom 28. April 2012

Schatzsuche nach Noten
In den deutschen Vertreibungsgebieten, insbesondere in Ostpreußen, entstand Liedgut von höchster Qualität

„Wenn wir dieses Erbe zu gebrauchen wissen, wird Leben aus der Heimat wieder in uns gegenwärtig sein.“ Dieses Vermächtnis des letzten Organisten am Königsberger Dom, Herbert Wilhelmi, erfährt unverhoffte Aktualität.

67 Jahre nachdem die letzten Töne der alten Orgel in der Hauptstadt Ostpreußens verklungen sind, lässt sich das musikalische Erbe des deutschen Ostens wieder vernehmen. Zum Beispiel am 5. Mai: Da wird im mittelfränkischen Ellingen das 30-jährige Bestehen des Ostpreußischen Kulturzentrums gefeiert. Auf dem Programm steht auch ein Auftritt des Baritons Christoph von Weitzel. Der Opern- und Liedersänger trägt kunstvolle Stücke aus Ostpreußen vor.

Für den Künstler ist das eine wichtige Etappe auf seiner musikalischen Schatzsuche. Schon seit einigen Jahren hat er sich auf traditionelles Liedgut spezialisiert. Seine Liederabende in ganz Deutschland sind gut besucht. Auch international kommen Volkslieder „made in Germany“ immer besser an. So stehen 2013 Konzertreisen nach Südafrika und Neuseeland an, wo nicht nur Einwanderer deutscher Abstimmung sich an „Ännchen von Tharau“ erfreuen.

Ganz bewusst will Christoph von Weitzel keine volkstümliche Musik à la Musikantenstadl darbieten. Diese Richtung hat durchaus ihre Berechtigung und ihr Publikum. Dahinter aber verbirgt sich ein reichhaltiger Schatz, der sich über mehrere Jahrhunderte angesammelt hat: Texte und Melodien auf höchstem künstlerischem Niveau. Viele von ihnen drohen, einem nur noch kommerziell orientierten Musikbetrieb zum Opfer zu fallen und in Vergessenheit zu geraten. Dass an den Schulen der Musikunterricht mehr und mehr zur Randerscheinung degradiert wird, trägt ein Übriges zu dieser Entwicklung bei.

Damit aber will von Weitzel sich nicht abfinden. Und der eigene Erfolg gibt ihm Recht. Lieder mit schönen Melodien und deutschen Texten sind durchaus gefragt. Man muss sie dem Publikum nur richtig präsentieren: nicht als Schnulze, aber auch nicht als musikalisch überfrachtete Mini-Oper mit Groß-Orchestrierung.

So lässt von Weitzel sich auf seinen Liederabenden nur von Ulrich Pakusch am Klavier begleiten. Auf der Jubiläumsfeier in Ellingen übernimmt diese Rolle Heike Matthiesen mit der klassischen Gitarre. Beide Begleitinstrumentierungen bewirken, dass Text und Melodie der Lieder ganz ins Zentrum gerückt werden. Genau das ist das angestrebte Ziel. Denn die Texte dieser zum Teil jahrhundertealten Lieder haben durchweg hohe literarische Qualität, die es verdient, herausgestellt zu werden.

Schon seit Jahren ist „Ännchen von Tharau“ fester Programmpunkt auf von Weitzels Liederabenden. Es ist das wohl bekannteste Volkslied aus Ostpreußen. In 17 Strophen besingt es das Leben der Tharauer Pfarrers-tochter Anna Neander. Der ursprünglich samländische Text von Simon Dach wurde 1778 von Johann Gottfried Herder ins Hochdeutsche übertragen; 1827 entstand die heute noch vorgetragene Melodie von Friedrich Silcher. Viele andere, ebenfalls hochklassige Lieder aber werden heute fast nur noch auf ostpreußischen Heimatabenden gesungen. Und genau hier setzt ein in Gesprächen mit von Weitzel entwickeltes Projekt an. Fast sieben Jahrzehnte nach Flucht und Vertreibung gilt es, auch diesen Teil des kulturellen Erbes des deutschen Ostens zu bewahren und zu dokumentieren. In diesem Falle heißt das: Es müssen nicht nur Texte und Noten archiviert, die Lieder müssen gesungen und auf Tonträgern erhalten werden.

Dieser Aufgabe hat sich Christoph von Weitzel verschrieben und auf musikalische Schatzsuche begeben, im Kontakt mit der Landsmannschaft Ostpreußen und der Preußischen Allgemeinen Zeitung.

Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten, schon die ersten Funde sind höchst ermutigend. Aus dem zuletzt 1994 nachgedruckten Liederbuch des oben zitierten Domorganisten Wilhelmi liegen 100 Texte, Noten und Chorsätze ostpreußischer Volkslieder vor. Hinzu kommen 30 Lieder aus dem 1910 in Königsberg gedruckten Heft „1/2 Schock alte ostpreußische Volkslieder“ von E. T. v. Batocki, wohinter sich höchstwahrscheinlich die Heimatdichterin Emilie Tortilowicz von Olfers-Batocki (1876–1954) verbirgt, die ansonsten mit hoch- und plattdeutschen Gedichten bekannt wurde.

Allein aus diesem Fundus lassen sich, so von Weitzel im Gespräch mit der PAZ, ein attraktives Liederabendprogramm sowie eine oder zwei CD’s zusammenstellen. Auch sei er sicher, dass schon aufgrund der hohen Qualität dieses Liedgutes sich nicht nur alte Ostpreußen und deren Nachfahren, sondern ein breiteres Publikum dafür begeistern lassen.

An die Landsmannschaften, aber auch an den Bund der Vertriebenen richtet von Weitzel den Appell, das Volkslied stärker als bisher als wichtigen Teil des kulturellen Erbes der deutschen Vertreibungsgebiete zu würdigen und zu erhalten. Daran künstlerisch mitzuwirken, biete er gern an.

Lesern der PAZ ist von Weitzel nicht unbekannt. Eine in dieser Zeitung empfohlene CD mit den „schönsten deutschen Weih-nachtsliedern“ fand überraschend guten Absatz – und ein äußerst positives Echo, von Lesern, die sich überschwänglich bedankten, etwas anderes als „White Christmas“ zu hören. H.-J. Mahlitz


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