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05.05.12 / Am Flaggenstreit gescheitert / Vor 50 Jahren, am 11. Mai 1962, starb Weimars zweiter parteiloser Reichskanzler Hans Luther

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-12 vom 05. Mai 2012

Am Flaggenstreit gescheitert
Vor 50 Jahren, am 11. Mai 1962, starb Weimars zweiter parteiloser Reichskanzler Hans Luther

Hans Luther scheiterte als Politiker am Weimarer Flaggenstreit. Es ist bezeichnend, dass der preußische Finanzfachmann gerade in einer derart emotional und ideologisch aufgeladenen Frage wie dieser schwächelte und schließlich strauchelte. Karl Erich Born bescheinigte Luther eine „unbestechliche Sachlichkeit und Klarheit“. Andere sehen in dem „Politiker ohne Partei“ einen typischen im Innersten apolitischen Beamten des 20. Jahrhunderts.

Der am 10. März 1879 geborene Spross einer angesehenen Berliner Kaufmannsfamilie entschied sich für den Staatsdienst. Nach dem Abitur am Berliner Leibniz-Gymnasium und einem Jurastudium in Kiel, Genf und Berlin, das er mit der Promotion abschloss, schlug er eine Verwaltungslaufbahn ein. Nach einer kurzen Tätigkeit in Charlottenburg wurde er 1907 Stadtrat in Magdeburg und 1913 der erste hauptamtliche Geschäftsführer des Deutschen Städtetages (DST). Noch zu Kaisers Zeiten nahm er 1918 als Oberbürgermeister die Geschicke der Stadt Essen in seine Hände.

Luther war kein Parteipolitiker, doch stand er dem Nationalliberalismus nahe. Nichtsdestoweniger zeigte er jedoch auch sozialpolitisches Engagement. So hatte er sich bereits als Magdeburger Stadtrat um die Ausdehnung der Klein- und Schrebergärten auf das Zehnfache verdient gemacht, und später, in der Weimarer Zeit, setzte er sich, wenn auch vergebens, für die Abschaffung der dritten und vierten Klasse bei der Reichsbahn ein. Möglicherweise war es diese sozialpolitische Ader, möglicherweise seine um die Sache bemühte, überparteiliche Amtsführung, die den Essener Oberbürgermeister die Novemberrevolution nicht nur körperlich, sondern auch politisch unbeschadet überstehen ließ. Mehr noch: In der Weimarer Republik startete der „Politiker ohne Partei“, so der Titel seiner 1960 veröffentlichten Memoiren, erst richtig durch. Die in der Kaiserzeit auf kommunaler Ebene begonnene politische Karriere fand nun auf Reichsebene ihre Fortsetzung.

Wenn Luther auch im Gegensatz zu seinem Vater in den Staatsdienst gegangen war, so wahrte er doch insoweit die Familientradition, als er sich auf Wirtschaft und Finanzen spezialisierte. 1922 bot der parteilose Wirtschafts- und Finanzexperte Wilhelm Cuno dem parteilosen Wirtschafts- und Finanzexperten Luther an, in seinem Reichskabinett das Wirtschafts- oder das Innenressort zu übernehmen. Luther lehnte ab, ließ sich jedoch Ende des Jahres doch als Reichsminister in die Pflicht nehmen, als Ernährungsminister Karl Müller zurücktreten musste. In dieser Funktion widmete er sich insbesondere der Lebensmittelversorgung seiner von der Inflation hart getroffenen Landsleute. Die Inflation wurde zu Luthers Schwerpunktthema. Beim Wechsel im Reichskanzleramt von Cuno zu Gustav Stresemann von der rechtsliberalen Deutschen Volkspartei im Jahre 1923 wechselte Luther vom Ernährungs- an die Spitze des Finanzministeriums. Dort verblieb er auch, als Stresemann noch im selben Jahr durch den Zentrumsmann Wilhelm Marx abgelöst wurde. In seine Amtszeit fiel die Beendigung der Hyperinflation durch die Währungsreform mit der Einführung der Rentenmark, für die er an führender Stelle mit verantwortlich zeichnete.

Als Marx’ Regierungskoalition aus Zentrum und Liberalen nach der Reichstagswahl vom 7. Dezember 1924 an der Frage zerbrach, ob sie sich nach links um die Sozialdemokraten (SPD) oder nach rechts um die Deutschnationalen (DNVP) erweitern solle, wurde mit Luther ein Parteiloser vom Reichspräsidenten mit der Regierungsbildung betraut. Es kam zu einer Erweiterung der Regierungskoalition nach rechts. Aus Protest schieden die linksliberalen Deutschdemokraten (DDP) aus der Koalition aus, blieben jedoch durch Otto Geßler als Reichswehrminister im Kabinett vertreten. Überhaupt ist bezeichnend für Luthers Kabinett, dass es sich weniger durch Parteifunktionäre der Regierungskoalition auszeichnete, sondern eher durch Verwaltungsfachleute aus dem Staatsapparat.

Schon im Jahr ihrer Entstehung drohte die frisch geschmiedete Koalition an der Präsidentenwahl von 1925 zwischen Marx und Paul von Hindenburg zu zerbrechen. Luthers Versuch, den Reichsgerichtspräsidenten Walter Simons als Kompromisskandidaten aufzubauen, scheiterte bereits an Simons fehlender Bereitschaft zur Kandidatur. Trotzdem überlebte die Koalition Weimars erste Präsidentenwahlen. Als Luther jedoch in seinem Bestreben um eine Revision der die deutsche Volkswirtschaft belastenden Bestimmungen des Versailler Diktates soweit ging, im Vertrag von Locarno den Franzosen den Besitz von Elsass-Lothringen zu garantieren, verließen die Deutschnationalen 1926 nicht nur die Regierungskoalition, sondern auch die Regierung.

Luther gelang es jedoch nach einer Regierungsumbildung, mit einer nur aus Rechtsliberalen und Katholiken bestehenden Koalition weiterzuregieren. In die Zeit dieser Minderheitsregierung fiel der Abschluss des Berliner Vertrages, mit dem die mit dem Vertrag von Rapallo begonnene Zusammenarbeit der Paria Deutsches Reich und Sowjetunion eine Vertiefung erfuhr.

Zum Verhängnis wurde Luther schließlich, dass er zusammen mit Hindenburg mit der Zweiten Verordnung über die deutschen Flaggen vom 5. Mai 1926 dafür sorgte, dass an einigen Stellen auf der Welt, an denen bislang nur Schwarz-Rot-Gold im Wind geweht hatte, nun auch Schwarz-Weiß-Rot zu sehen sein sollte. Die Kritik aus dem linken Lager brachte Luther ins Schlingern und Lavieren, und mit seinen hilflosen Versuchen, es allen recht zu machen, erregte er Misstrauen in allen Lagern, brachte sich letzt­endlich um Kopf und Kragen. Am 12. Mai 1926 sprach der Reichstag auf Antrag des DDP-Abgeordneten Erich Koch-Weser der Reichsregierung das Misstrauen aus. Reichskanzler Luther trat noch am selben Tag zurück.

Es folgten Tätigkeiten als Mitglied des Verwaltungsrates der Deutschen Reichsbahn, als Reichsbankpräsident in der schwierigen Endphase der Weimarer Republik, als Botschafter in den USA während der NS-Zeit sowie nach dem Krieg als Vorsitzender im Sachverständigenausschuss für die Neugliederung des Bundesgebietes und des Vereins für das Deutschtum im Ausland. Doch als Politiker trat Luther nicht mehr hervor. Die Flaggenverordnung, über die Luther stürzte, hatte übrigens ungeachtet ihrer Anfeindungen bis zum Ende der Weimarer Republik Bestand. Manuel Ruoff


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