20.04.2024

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05.05.12 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-12 vom 05. Mai 2012

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Grummeln über Gauck / Warum Verschwörungstheoretiker Oberwasser haben, woher die Dunkelheit kommt, und wie wir Belgien überholen

Ach je, die Verschwörungstheoretiker. Sie kennen diese Leute, die ständig Gespenster sehen und atemberaubende Zusammenhänge herstellen, um uns zu „beweisen“, wie hinterhältig alles mit allem vernetzt ist und wie wir Tag für Tag aufs Kreuz gelegt werden.

Meist verschwinden ihre Phantastereien wie die Weltuntergangs-Vorhersagen obskurer Sekten. Manchmal aber haben sie Glück, die Wirrköpfe.

Für die Verschwörungstheoretiker war klar, dass die Vorwürfe gegen Ex-Bundespräsident Wulff nur ein Vorwand waren. Dass er aus ganz anderen Gründen weg sollte, und zwar aus diesen hier: Ende August hielt, das ist ein Fakt, Christian Wulff eine Rede im schönen Lindau, wo er die Euro-Rettungspolitik ziemlich offen kritisierte und wörtlich sagte, die „Politik mit ungedeckten Wechseln auf die Zukunft ist an ihr Ende gekommen. Was vermeintlich immer gut ging – nämlich neue Schulden zu machen – geht eben nicht ewig gut. Es muss ein Ende haben, sich an der jungen Generation zu versündigen.“

Die Mächtigen in Berlin, Brüssel und anderswo haben das angeblich so verstanden: Der Mann will womöglich die Unterschrift unter das ESM-Gesetz verweigern, mit dem Deutschland endgültig in die Zange einer ewigen Transferunion genommen würde.

Dann wäre es in Berlin zu einem riesigen Na-Hoppla gekommen mit unabsehbaren Folgen für das Euro-System. Daher sei an jenem Tag in Lindau das Urteil über Wulff gefallen. Wenige Wochen später tropften die ersten „Unregelmäßigkeiten“ aus der Vergangenheit des Staatsoberhaupts durch, und nun haben wir Gauck.

Der Nachfolger macht die Verschwörungstheorie komplett. Joachim Gauck sagte nämlich vor kurzem: „Mit dem ESM fällt den Deutschen die Solidarität mit Europa leichter.“ Das hat man in Berlin und Brüssel sicher viel lieber gehört als Wulffs Standpauke.

Was er wohl mit „leichter“ meint? Vielleicht, dass die „Solidarität“ (sprich: endloses Zahlen) eben nicht mehr so wehtut, wenn das Geld einfach eingetrieben wird, ohne dass wir oder unser Parlament daran etwas ändern könnten. Ziemlich frivol, aber schlüssig.

Für die Verschwörungstheoretiker jedenfalls hat Gauck mit dem Ausspruch den Schleier darüber gelüftet, warum Wulff verschwinden und er selbst Präsident werden musste. Immerhin ist es ein einmaliger, nie dagewesener Vorgang, dass wie Gauck der Präsident ein Gesetz durchwinkt, bevor es ihm überhaupt vorgelegt wurde. Das spricht in den Augen seiner Kritiker dafür, dass man ihn gar nicht fragen musste, weil er schon längst und bedingungslos auf Linie war.

Sind wir also verschaukelt worden? Na, seien wir mal nicht so hart mit Gauck. Der hat ja selber gesagt, dass er erst noch üben müsse. Allerdings hat er beim ESM dafür wenig Zeit.

Mehr Frist bleibt ihm da schon bei weitschweifigeren Themen wie etwa Patriotismus oder der Frage: „Was ist Deutschland?“ Mit seiner merkwürdigen These zum Islam hat uns Wulff da einiges hinterlassen. Gauck geht ganz pragmatisch vor. In der Paulskirche rief er aus: Zu Deutschland gehöre jeder, der hier wohne und sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekenne. Das reiche.

Emotionale Bindung zum Land, seiner Geschichte und Kultur, Sprache und Musik? Freundliche Aufgeschlossenheit gegenüber seinen Traditionen? Braucht’s alles nicht. Gauck predigt stattdessen eine Art Nationalgefühl in Gefrierpunktnähe. Selbst Einwanderer, die offen einräumen, Deutschland zum Brechen zu finden, könnten das unterschreiben.

Keine Frage, Gauck übt wirklich noch. Hoffentlich übt er das Richtige. Zweifel an dem so freudig Aufgenommenen schleichen sich in die anfängliche Euphorie.

Haben wir den Wulff ganz falsch gesehen? Mal halblang: Vielleicht wollte er mit seinen steilen Sätzen vom Bodensee auch bloß ein bisschen was gegen seinen öden Ruf tun, um am Ende doch alles artig durchzuwinken. Wäre nicht neu: Schon in den 90er Jahren haben Politiker vor dem Euro gewarnt, um dann, wenn es galt, doch immer gehorsam ihr Pfötchen zu heben.

Außerdem wollen wir uns von solch dunklen Gedanken jetzt nicht die prächtige Laune verderben lassen, wo sich der Frühling mit Macht meldet und es überall heller wird in Deutschland.

Wir sollten die Helligkeit in vollen Zügen genießen, denn der kommende Winter könnte so dunkel werden wie seit den Stromsperren der Nachkriegszeit nicht mehr: Immer mehr Haushalten wird der Strom abgeklemmt, weil sie die stetig steigenden Rechnungen nicht mehr begleichen können. Von über einer halben Million Haushalten ist die Rede. Die Verbraucherzentrale von Nordrhein-Westfalen schätzt, dass 15 Prozent den Strom nur noch mit Mühe bezahlen können.

Das sei eine Folge der „Energiewende“ und des „Erneuerbare Energien-Gesetzes“, heißt es aus Expertenkreisen. Während sich also ein kleine Schar von „Einspeisern“, Windmühlenkonstrukteuren und (vornehmlich chinesischen) Solarfirmen goldene Nasen verdienen, landen die kleinsten der kleinen Leute im Finstern. Und es soll weiter kräftig nach oben gehen mit den Preisen. „Die soziale Dimension der Energiewende wurde bislang bizarrerweise gerade von den Parteien des linken Spektrums völlig ignoriert“, höhnt eine große Tageszeitung.

Das hat die Gescholtenen tief getroffen. Renate Künast schoss hoch, als habe ihr jemand eine Gabel in den Hintern gerammt: Schwarz-Gelb habe die energie- intensive Industrie viel zu sehr von dem Preissteigerungen verschont. Nur deshalb müssten die kleinen Verbraucher so viel blechen.

Mit anderen Worten: Frau Künast schlägt vor, nun endlich auch die großen Fabriken ordentlich zur Kasse zu bitten. Sollen die doch ihre Produktion ins Ausland verlagern, wenn sie die einmalig hohen Preise nicht zahlen wollen. Genau das dürften die dann auch tun, weshalb es in Deutschland nach dem Künast-Plan bald einige tausend Arbeitslose mehr geben dürfte, die dann Probleme mit ihrer Stromrechnung bekommen werden. Und wohl nicht nur damit. Zudem wäre Deutschland seinen heimlichen Vorbildern wie USA und Großbritannien wieder ein Stück näher: Die haben ihre Industrie schon vor Jahrzehnten zur Strecke gebracht. Das schaffen wir auch, lasst nur Renatchen ran.

Doch was wird mit den Abgeklemmten? Wenn die Fabriken weg sind, müssen die die Subventionen ja wieder in voller Höhe zahlen, darunter viele der neuen Arbeitslosen.

Keine Sorge: Wir kennen „die Parteien des linken Spektrums“ schlecht, wenn wir glauben, dass die darauf keine Antwort hätten. Um Arbeitslose und Hartz-IV-Empfänger von den unbezahlbaren Rechnungen zu befreien, werden sie fordern, dass die Stromsubventionen „sozial gerecht“ über Steuererhöhungen eingetrieben werden, über einen „Energie-Soli“ beispielsweise.

Das hätte den Vorteil, dass man die Kosten wie üblich auf die Mittelschicht abwälzen könnte. Immerhin beträgt die Steuer- und Abgabenlast in Deutschland erst 49,8 Prozent des Bruttogehalts, die Leute dürfen also immer noch die Hälfte der Früchte ihrer Arbeit behalten.

Die Hälfte! Das ist unerträglich: Seit vielen Jahren drängen die Parteien des bewussten „Spektrums“ daher darauf, dass der Staat mehr Steuergeld abkassiert, damit er „seine Aufgaben erfüllen kann“. Unter den 34 OECD-Staaten gibt es ja tatsächlich immer noch ein (einziges) Land, in dem die Steuer- und Abgabenlast höher ist als in Deutschland: Belgien. Alle anderen, von Schweden bis Chile, nehmen ihre Bürger weit weniger herzhaft aus. Nun wird in Belgien schon seit Jahren im Vertrauen darauf regiert, dass es das kleine Land bald sowieso nicht mehr geben wird. Wenn wir dem Nachbarn den Nummer-eins-Titel abjagen wollen, bevor er auseinanderbricht, dann sollten wir die Parteien des „Spektrums“ nur machen lassen.


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