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12.05.12 / Die goldige Freundin vom Rummelplatz / Mit dem Deutschen Filmpreis geehrt, mit Max Schmeling verheiratet: Vor 110 Jahren kam der Filmstar Anny Ondra auf die Welt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-12 vom 12. Mai 2012

Die goldige Freundin vom Rummelplatz
Mit dem Deutschen Filmpreis geehrt, mit Max Schmeling verheiratet: Vor 110 Jahren kam der Filmstar Anny Ondra auf die Welt

Mit „Evas Töchtern“ sowie „Sündig und süß“ gelang ihr Ende der 20er Jahre der Sprung ins Reich: Die tschechische Filmschauspielerin Anny Ondra hatte den Durchbruch geschafft. Die Ondra wurde mit Filmen der leichten Muse ein internationaler Star und für einen Hitchcock-Film die erste synchronisierte Schauspielerin der Filmgeschichte. Ihre Ehe mit Max Schmeling war von seltener Harmonie und Einigkeit.

Ich bin ihr nicht oft begegnet, aber die wenigen Treffen mit ihrem Ehemann Max Schmeling, bei denen sie ihn begleitete, sind in der Erinnerung haften geblieben. Es war in den 50er Jahren und Anny Ondra hatte dem Film endgültig ade gesagt. Sie lebte auf dem ländlichen Anwesen des Ehepaares im stillen Hollenstedt bei Hamburg, ihr Refugium, das sie selten verließ, während ihr Mann beruflich aber auch als Boxlegende die ganze Welt bereiste. Dass sie auf diesen großen Reisen nie dabei war, hatte einen einfachen Grund: Anny hatte Flugangst. So langte es gerade zu einer Fahrt in das Ruhrgebiet, wo sich die Konzessionäre des Getränkeimperiums, zu dem Schmeling gehörte, in Essen trafen. Und das Interesse galt sofort dieser zierlichen, etwas schüchtern wirkenden Frau, die man auf den ersten Blick erkannte.

Obgleich sie damals schon über 50 Jahre alt war, hatte sie sich ihre Mädchenhaftigkeit bewahrt, die einmal in ihrer großen Zeit als Filmstar zusammen mit der – gespielten – Naivität und der – echten – Komik ihr Markenzeichen gewesen war. Noch immer umgab die Frau mit dem faltenlosen Teint – heute hätte man sofort vermutet, dass sie geliftet war – die Aura jener frühen Jahre des deutschen Films, als der Begriff „Star“ geboren wurde. Und sie hat auch Filmgeschichte geschrieben, nicht nur deutsche, denn sie war in den 20er und 30er Jahren ein internationaler Star, der auch den Sprung vom Stummfilm zum Tonfilm schaffte. Hätte sie, wie es heute üblich ist, ihre Memoiren geschrieben, hätten diese sich wie ein „Who is who“ der damaligen Zeit gelesen. Das Memoirenschreiben überließ sie lieber ihrem späteren Mann, der seiner Frau in seinen „Erinnerungen“ die schönste Liebeserklärung machte: „Der einzige Mensch, der mich begreift, ist meine Frau!“

Er wusste noch im späten Alter genau, wo er das erste Mal von ihr gehört hatte. Das war in Prag, wo Anna Sophie Ondráková aufgewachsen war. Als Tochter eines ehemaligen k. u. k. Offiziers hatte sie am 15. Mai 1902 im galizischen Tarnau [Tarnów] das Licht der Welt erblickt. In den Trümmern der Nachkriegszeit ergriff sie schnell die Möglichkeit, ihren Traumberuf zu realisieren. Anna besuchte die Schauspielschule in Prag, aus der viele tschechische Mimen hervorgingen, darunter auch die Filmschauspielerin Jarmila Vacek. Diese hatte Max Schmeling auf einer Überfahrt von New York kennengelernt und ihn nach Prag eingeladen. Schmeling, der mit vielen Prominenten aus Kultur und Kunst befreundet war, folgte der Aufforderung nur zu gern. Sein Besuch in jenem Prager Frühling 1929 führte allerdings auch zu Irritationen: Weil ein Reporter, der das Paar entdeckt hatte, Jarmila und Max kurzerhand zu Verlobten machte, erfuhr auch Anny Ondra im fernen Berlin davon. Denn ihre Mutter war ob dieser „Verlobung“ entsetzt und schrieb an ihre Tochter: „Mit Jarmila ist es weit gekommen, sie hat sich mit einem Boxer verlobt. Mit einem Boxer! Bei uns haben sie neulich einen bei einem Bankeinbruch erwischt und eingesperrt.“ Anny dürfte es damals nicht interessiert haben.

Jarmila war auf der Prager Schauspielschule Annys beste Freundin gewesen und so erzählte sie auch Max von der jungen Tschechin, die sich als Anny Ondra in Berlin einen Namen erspielt hatte. Bereits im Alter von 16 Jahren drehte sie die ersten Stummfilme, in denen sie das naive junge Mädchen gab, harmlose Streifen, in denen sich allerdings schon Annys Begabung zur Komik zeigte. Die erkannte auch der Regisseur und Schauspieler Karel Lamac, mit dem sie ihre ersten Filmerfolge erreichen konnte.

„Gilly zum ersten Mal in Prag“, 1920 gedreht, brachte den Durchbruch. Anny stieg zu der Komikerin im tschechischen Film auf. Da es sich um Stummfilme handelte, musste sie eine starke Ausdruckskraft haben. Ihr rundes Gesicht mit den Kulleraugen und dem Herzmund wurde den Filmfans bald vertraut – und von ihnen geliebt. Zuerst in der Tschechoslowakei, dann auch in Deutschland, denn Lamac und Anny wechselten bald in die große Filmmetropole Berlin, wo ihnen mit dem 1928 gedrehten Film „Evas Töchter – das Paradies von heute“ und dem darauf folgenden Streifen „Sündig und süß“ der Durchbruch gelang.

Natürlich zeigen schon die Titel die Anspruchslosigkeit dieser ganz auf die mimische Komik der Ondra zugeschnittenen Filmchen. Aber es waren die schweren Jahre der Nachkriegzeit, die Menschen wollten ihre Alltagssorgen vergessen, und das geschah am besten in den „Flohkinos“ mit Filmen von Anny Ondra, der naiven Blonden vom Dienst, die nichts anderes als die Menschen erheitern wollte.

So schien es, aber die junge Tschechin bekundete auch bald einen gesunden Geschäftssinn: Mit Lamac gründete sie 1930 die Ondra-Lamac-Filmgesellschaft und hatte nun als Produzentin ein ganz anderes Mitspracherecht. Ihre Filme wurden anspruchsvoller, Filme wie „Eine Freundin so goldig wie du“ ließen die Kinokassen klingeln. Der Titelsong wurde ein Hit, die Ondra zur Personifizierung der „goldigen Freundin“. Mit Hitchcock hatte sie bereits 1929 zwei Filme gedreht, von denen einer Filmgeschichte schrieb. In „Blackmail“ (Erpressung) war sie Hitchcocks erste blonde Mörderin. Der berühmte Regisseur wollte sie durchaus für die Rolle in diesem ersten englischen Tonfilm haben, obgleich sie noch nie einen Tonfilm gedreht hatte und ihr Englisch nicht gut war. Hitchcock ließ einfach Anny von der britischen Schauspielerin Joan Barry synchronisieren. Auf simple Weise: Die Ondra bewegte die Lippen, Barry sprach dazu, nicht erfasst von der Kamera, den Text. So wurde Joan Barry die erste Synchronsprecherin, die Ondra die erste synchronisierte Schauspielerin der Filmgeschichte. Annys erste selber gesprochene Tonfilmrolle war 1930 in „Die vom Rummelplatz“.

Diesen Film sah sich auch der berühmte Max Schmeling zusammen mit seiner Freundin Olga Tschechowa an, mit der er zusammen in dem Film „Liebe im Ring“ gespielt hatte. Ja, auch der Boxweltmeister war für die Kamera entdeckt worden, seine Berühmtheit garantierte volle Kassen. Schmeling war von der „kessen, hübschen Blondine“ sofort begeistert. Er hatte schon von ihr gehört, denn sie besaß wie er eine Wohnung am Sachsenplatz im Berliner Westend, wo sich die Filmprominenz eingenistet hatte. Über Schmeling wohnte Willy Forst, unweit davon Henny Porten und im Nachbarhaus Anny Ondra. Er hatte bisher keine Verbindung zu ihr gesucht, denn auf dem – vermeintlich zur Wohnung gehörenden – Balkon stand ein Kinderwagen mit einem oft und laut schreienden Baby. Das erwies sich aber, nachdem die ersten Annäherungsversuche kläglich missglückt waren, als Kind der Nachbarin. Die Liebe zwischen dem Muskelpaket Schmeling und der zierlichen Ondra wuchs langsam, aber unaufhaltbar bis zur Hochzeit am 6. Juli 1933. Die Trauung fand in der Dorfkirche von Bad Saarow statt, wo der Bräutigam ein idyllisches Anwesen besaß, das auch Anny liebte. Schmeling schreibt über diesen Tag: „Es war so etwas wie eine Traumhochzeit, die den Wochenschauen Stoff für Wochen lieferte.“

Und es wurde eine Ehe, die sich wegen der Beständigkeit ihrer Liebe als eine Verbindung erwies, die nie auch nur den Ansatz von einem Skandal oder einer Affäre erkennen ließ wie in so vielen Ehen von Menschen, die im Fokus der Öffentlichkeit stehen.

Eine Liaison wurde Mitte der 30er Jahre zum Dauerklatsch in ganz Deutschland. Veranlasst von einer anderen Tschechin, die sich in Berlin hochgespielt hatte: Lida Baarová. Offiziell war sie die Freundin des Schauspielers Gustav Fröhlich, heimlich die Geliebte des damaligen Propagandaministers Joseph Goebbels. Man erzählte sich, dass Fröhlich den Rivalen, der alles andere als ein Adonis war, geohrfeigt hätte. Die Wahrheit sah anders aus: Fröhlich hatte der Baarová, als er sie im Auto des Ministers entdeckte, eine kräftige Ohrfeige verpasst. Sie war eine arrogante Person, die bei einem Essen in der Goebbelschen Villa über ihre Landsmännin hämisch lästerte: „Anny Ondra, diese dumme Ziege! Wer will denn noch ihr albernes Getue sehen!“ Sie bekam allerdings Kontra von einer nahen Verwandten von Magda Goebbels: „Frau Baarová, eine derartige Stellungnahme steht Ihnen nicht zu. Anny Ondra hat sich aus eigener Kraft, ohne Protektion, einen Weltnamen gemacht. Darüber hinaus ist sie ein wertvoller, vielseitig begabter Mensch.“ Ob Anny Ondra je von diesem Disput erfahren hat, ist nicht überliefert.

Bis 1942 drehte die Schauspielerin noch viele Filme, so 1935 zusammen mit ihrem Mann „Knock out“. Bei einigen war Anny auch alleinige Produzentin. Die letzten vor dem Zusammenbruch entstandenen Filme waren „Narren im Schnee“ (1938), „Der Gasmann“ (1941) und „Himmel, wir erben ein Schloss“ (1942). Nach dem Krieg gab es nur noch den Film „Schön muss man sein“ und einen Auftritt in „Die Zürcher Verlobung“. Anny zog sich aus der Öffentlichkeit zurück, nachdem für ihren Mann nach einigen vergeblichen Versuchen zur Gründung einer neuen Existenz – so scheiterte eine Verlagsgründung mit Axel Springer und John Jahr unter skandalösen Umständen – und nach PR-Arbeit bei einer Hamburger Konservenfirma endlich eine geschäftliche Karriere begann.

1970 erfuhr Anny Ondra noch eine große Ehre: Sie erhielt das Filmband in Gold für ihr langjähriges und erfolgreiches Wirken im deutschen Film. Sie verließ dann nur noch selten das Haus in Hollenstedt, das Max 1948 nach dem Verlust seines Gutes Ponickel in Pommern erwarb – für die 40000 D-Mark, die er für seinen letzten Boxkampf erhalten hatte.

Auf dem nahen Friedhof liegen sie vereint: Anny Ondra, die 1987 starb, und Max Schmeling, der ihr 2005 in den Tod folgte. Ein Paar, das alle Höhen, aber auch alle Tiefen des Lebens gemeinsam meisterte. In Schmelings Erinnerungen bargen die letzten Jahrzehnte mit Anny, die keine Sensationen enthielten, das Glück seines Lebens. Das kann auch für ihr Leben gelten, das am 15. Mai 1902 in Galizien begann, an dem Tag, der sich nun zum 110. Male jährt. Anlass genug, um diese Zeilen zu schreiben, die auch einen Einblick vermitteln in das junge Filmschaffen der Medienmetropole Berlin. Günther Falbe/Ruth Geede


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