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12.05.12 / Diplomatie im Grünen / Schorfheide war nicht nur Jagdrevier, hier wurde auch Politik gemacht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-12 vom 12. Mai 2012

Diplomatie im Grünen
Schorfheide war nicht nur Jagdrevier, hier wurde auch Politik gemacht

Seit jeher dient die Jagd den Mächtigen nicht nur zur Entspannung und Selbstdarstellung, sondern auch dazu, am Rande Politik zu machen. Wohl an keinem anderen Ort hat sich das so manifestiert wie im nördlich von Berlin gelegenen Revier Schorfheide, einem der größten und bekanntesten Jagdgebiete Europas. Wer auch immer in Brandenburg, Preußen und dem Deutschen Reich herrschte, ging hier dem Waidwerk nach und pflegte dabei die „Jagddiplomatie“.

Burghard Ciesla, habilitierter Zeithistoriker, und Helmut Suter, Leiter des Schorfheidemuseums, beschreiben in ihrem Buch „Jagd und Macht. Die Geschichte des Jagdreviers Schorfheide“, wie sich die Schorfheide zu einem Zentrum der herrschaftlichen Jagd entwickelte, bis aus ihr nach dem Untergang der DDR das größte Naturschutzgebiet vor den Toren Berlins wurde. Dabei kommen sie immer wieder auf den Zusammenhang von Jagd, Macht und Politik zurück. Durch diesen breiten thematischen Ansatz geht ihr Buch weit über einen Beitrag zur Regional- und Jagdgeschichte hinaus, es ist auch ein Beitrag zur politischen und zur Diplomatiegeschichte.

Zunächst waren es Markgrafen und Kurfürsten, die die Schorfheide vom 13. Jahrhundert bis ins ausgehende 17. Jahrhundert zur privilegierten Jagdausübung nutzten. Ihnen folgten die preußischen Könige, die hier in unterschiedlicher Intensität Prunk-, Hof- und Gesellschaftsjagden veranstalteten. Wilhelm I. nahm die feudale Tradition wieder auf und veranstaltete regelmäßig Kaiserjagden. Bei den Jagdgesprächen wurde regelmäßig Innen- und Außenpolitik geschrieben. Sein Enkel Wilhelm II. setzte diese „Diplomatie im Grünen“ systematisch fort. Als fortschrittlicher Monarch fuhr er mit der Eisenbahn und dem Automobil in die Schorfheide und ließ das Wegenetz ausbauen. Er war ein begeisterter Jäger und galt als ausgezeichneter Schütze.

In den ersten Jahren nach dem Untergang der Monarchie verkam das Revier und die Förster mussten sich mit Wilddieben herumschlagen. Obwohl der sozialdemokratische Reichspräsident Friedrich Ebert der Jagd nichts abgewinnen konnte, musste er sich ihr widmen, da die mit seinem Staatsamt verbundenen protokollarischen Gepflogenheiten dies verlangten. Ganz anders dagegen sein Parteifreund Otto Braun, preußischer Landwirtschaftsminister und späterer Ministerpräsident, der häufig in der Schorfheide auf die Pirsch ging. Die gemeinsame Jagdleidenschaft half sogar, die Spannungen zwischen ihm und Reichspräsident Paul von Hindenburg abzubauen. Unter der Ägide des Reichsforst- und Reichsjägermeisters Hermann Göring wurde die Schorfheide nicht nur zu einer Art Natur- und Wildpark umgestaltet, sondern sie entwickelte sich auch zu einem Ort einer regelrechten Nebendiplomatie. Der „zweite Mann im Staate“ schuf sich mit dem „Waldhof Carinhall“ ein repräsentatives Refugium.

Die roten DDR-Machthaber hatten keine Hemmungen, beinahe nahtlos daran anzuknüpfen. Erich Honecker schloss hier eine Jagdfreundschaft mit Leonid Breschnew, die ihm den Sturz Walter Ulbrichts ermöglichte. In der Schorfheide empfing Honecker auch Bundeskanzler Helmut Schmidt und fädelte mit Franz Joseph Strauß den Milliardenkredit ein. Sein letztes Stück Wild erlegte Honecker am 18. Oktober 1989, einen Tag nach seiner Entmachtung. Damit war nicht nur für ihn, sondern auch für die Schorfheide die Jagd abgeblasen. Heute ist das ehemalige Staatsjagdgebiet Teil eines Biosphärenreservats.

Man muss weder Jäger noch ausgeprägter Liebhaber der Schorfheide oder besonders historisch interessiert sein, um das Buch mit großem Gewinn zu lesen. Für alle, auf die diese Kriterien zutreffen, ist es in jedem Fall Pflichtlektüre. Durchgehend interessant geschrieben und äußerst großzügig bebildert, bietet es eine Menge an Informationen und bereitet Lesefreude. Jan Heitmann

Burghard Ciesla, Helmut Suter: „Jagd und Macht. Die Geschichte des Jagdreviers Schorfheide“, be.bra Verlag, Berlin-Brandenburg 2011, geb., 256 Seiten, 24,50 Euro


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