23.04.2024

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12.05.12 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-12 vom 12. Mai 2012

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Maximaler Druck / Was man uns lieber nicht sagt, warum der Lindner die Künast zum Zappeln bringt, und wo das viele frische Geld herkommt

Das Erste, was der Jungjournalist lernt, ist, wie er eine simple Meldung formuliert. Der erste Versuch geht meist schief und hört sich in etwa so an: „In Berlin wurden am Sonnabend Personen provoziert, woraufhin es zu Auseinandersetzungen kam, aus der zum Teil schwere Verletzungen resultierten.“

Was daran falsch ist, sagt einem der erfahrene Kollege: „Der Leser will nicht nur erfahren, was passiert ist, er will auch wissen, wer’s war!“ Also: Nichts mit „wurde“ und „es kam zu“ – sondern möglichst immer die „handelnden Personen“ nennen: A hat B provoziert, woraufhin B auf C losging und ihn schwer verletzte.

Redakteuren, die täglich Meldungen formulieren, ist diese Regel ebenso präsent wie der Name ihrer Großmutter, weshalb uns doch überrascht hat, was wir da neulich im Teletext des Fernsehkanals 3Sat gelesen haben: „Bei Ausschreitungen zwischen Anhängern der rechtsextremen Gruppierung ProNRW und radikal-islamischen Salafisten in Bonn sind am Samstag 29 Polizisten verletzt worden.“ Aha, „sind verletzt worden“, bei „Ausschreitungen“ – und, bitte schön, von wem wurden sie verletzt? Wer schritt da gegen wen aus?

Richtig hätte es heißen müssen: „Nachdem Anhänger von ProNRW Mohammed-Karikaturen hochhielten, gingen Salafisten mit Steinen, Flaschen und Messern auf die Polizisten los, die die ProNRW-Kundgebung schützten. Zwei Beamte wurden dabei von Salafisten mit Messern schwer verletzt, 27 weiteren fügten sie leichtere Verletzungen zu.“

Wir dürfen davon ausgehen, dass die „handelnden Personen“ nicht zufällig ungenannt blieben. Es rührt einen regelrecht, wenn man sich vorstellt, wie er da saß, der 3Sat-Kollege, und sich quälte bei dem Versuch, mit abgespreizten Fingern gezielt am Kern der Sache vorbei zu tippen. Die Faust der Politischen Korrektheit im Nacken und im Bauch das Gefühl, gerade auf das journalistische Niveau einer schlechten Schülerzeitung abzurutschen. Armes Würstchen.

Die Republik ist entrüstet. „Menschenverachtend und zynisch!“, schimpft der „Extremismusexperte“ Alexander Häusler in der „Frankfurter Rundschau“, wo er mahnt: „Mittlerweile ist eine Ebene der Auseinandersetzung erreicht, die einfach nur noch eine Bedrohung der öffentlichen Ordnung und einzelner Menschen ist.“

Im Unterschied zum 3Sat-Texter lässt Häusler nicht im Dunkeln, von wem die „Bedrohung der öffentlichen Ordnung“ ausgeht: Nicht etwa von den Salafisten, sondern von ProNRW. Die kleine rechte Truppe wolle nämlich den „interkulturellen Frieden zerstören“ mit ihren Provokationen.

Jetzt fühlt man sich plötzlich selbst wie ein dummer Anfänger. War da nicht was mit „Meinungsfreiheit“ in Wort und Bild? Wie es scheint, gilt die nur noch soweit, wie die Salafisten es tolerieren. Wer gegen deren Regeln verstößt, sie gar „provoziert“, der ist „zynisch“ und „menschenverachtend“ und eine „Bedrohung“.

NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) will jetzt hart durchgreifen. Als erstes wollte sie das Zeigen von Mohammed-Karikaturen ganz verbieten. Da haben die Gerichte leider nicht mitgespielt. Frau Kraft lässt aber nicht locker: „Wir werden diese Angriffe auf den Rechtsstaat und unsere Polizisten nicht dulden und den Druck sowohl gegen ProNRW als auch gegen die Salafisten maximal erhöhen“, sagte sie der „Bild“-Zeitung.

Immerhin hat die Genossin von den Salafisten schon etwas gelernt, nämlich, dass Aktionen (wie das Zeigen gewisser Bilder), die im Islam verboten sind, einen „Angriff auf unseren Rechtsstaat“ darstellen. Willkommen in der Scharia, Deutschland!

Keine Furcht, so schlimm ist das mit der Scharia gar nicht. Immerhin lässt sie uns jede Freiheit, den Papst zu beleidigen, Buddha zu veräppeln, das hinduistische Kastenwesen als unmenschlich zu verurteilen oder Voodoo-Religionen in aller Öffentlichkeit als Schwachsinn zu bezeichnen. So unfrei werden wir also gar nicht sein.

Überhaupt „Freiheit“. Die fortschrittlichen Kreise unseres Landes haben längst erkannt, dass das eine gefährliche Sache von gestern ist. Dass die Partei, die gemeinhin mit „Freiheit“ identifiziert wird, nun wohl doch nicht untergeht, erfüllt sie mit maßlosem Groll. Das war mal anders: In den 70ern galt die FDP selbst Linken als vergleichsweise passabel, sozusagen die „netteren“, gebildeteren Reaktionäre. Damals war die Union, besonders die CSU, der Bundesbösewicht.

Heute pflegen Claudia Roth und Günther Beckstein eine sogar öffentlich zelebrierte persönliche Freundschaft. Aber haben Sie die Künast gesehen, beim Jauch mit dem Lindner? Wenn der Moderator das Wort an den Liberalen richtete, fing die Grüne schon zu zappeln und zu blinzeln an, bevor der überhaupt antworten konnte.

Nein, Freiheit war nur solange angesagt, wie die „neue Linke“ noch auf dem „Marsch durch die Institutionen“ war und von der Macht weit entfernt schien. Da galt auch „Provokation“ als schick. Wenn damals jemand vom Hauptstrom abwich, war er ein „unbequemer Querdenker“, man nannte ihn süffisant „Nestbeschmutzer“, was durchaus als Lob gemeint war.

Im Jahre 2012 ist jener „Marsch“ längst erfolgreich abgeschlossen, weshalb nun andere Regeln gelten: Wer heute in unser wohlsortiertes Debattennest macht und „provoziert“, der „stellt sich gegen die Zivilgesellschaft“ und „missbraucht die Meinungsfreiheit“, was so viel heißt wie: Der hat sein Recht auf freie Meinungsäußerung im Grunde verwirkt, weshalb der „Druck“ auf ihn „maximal erhöht“ werden muss.

„Druck“ ist ohnehin sehr in Mode gekommen. Angela Merkel erhöht den Druck auf ihre europäischen Partner, auf dass sie ja bei der Stange bleiben in Sachen Sparpolitik. Die Partner drücken derweil kräftig zurück. Die Gewerkschaften steigern den Druck auf die Arbeitgeber und die Bundesregierung will den Druck auf die Mineralölkonzerne erhöhen, damit die mit der „Abzocke an den Zapfsäulen“ aufhören.

Druck auf die Ölmultis ist immer populär, allerdings hat sich rumgesprochen, dass der größte Abzocker beim Benzin der Staat selber ist. Über die Hälfte des Spritpreises tropft in seine Taschen. Da klingt die steile Ansage aus Berlin wie: „Die Vereinigung der Taschendiebe bläst zum Kampf gegen die Straßenkriminalität.“ Eine wahrlich mitreißende Botschaft.

Wenigstens lenken uns Benzin-Kampagne, Salafisten-Randale und Wieder-da-Liberale ein wenig ab vom europäischen Drama. In Athen führen die das Stück „Weimar unter Palmen“ auf und unsere französischen Freunde sind am Sonntag zum Urlaub aufgebrochen. Reiseziel ist das Sozialstaatsparadies der 70er Jahre. Und die Deutschen? Die müssen leider im Hier und Heute bleiben und fürchten sich vor der Rechnung für den Ausflug der Gallier ins Luftschloss der unbezahlbaren Versprechen, die François Hollande ihnen gegeben hat.

Das einzig Schöne an dem Euro-Drama ist: Immer wenn wir gerade anfangen, uns zu langweilen, taucht etwas völlig Neues auf, das wir bis dahin für vollkommen unmöglich gehalten hatten.

Die Europäische Zentralbank (EZB) „druckt“ ja das Geld für ganz Europa, dachten wir. Richtig? Nicht ganz: Wie dieser Tage beiläufig gemeldet wurde, dürfen auch die nationalen Notenbanken Euros nach Gusto produzieren, wenn zwei Drittel des EZB-Rats nichts dagegen haben, und das haben die schon lange nicht mehr. Die nationalen Geldmacher müssen nicht mal berichten, wie viele schöne neue Euros sie gefertigt haben. Die Griechen haben es trotzdem getan: 100 Milliarden hat Athen bis jetzt zu Hause produziert. Wie schön: Bei so vielen Druckern geht uns das Geld niemals aus. Aber was für Geld ist das dann? So ähnlich muss es wohl begonnen haben, damals, Anfang der 20er Jahre.


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