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19.05.12 / Wundenlecken nach der Blamage / Berliner Flughafen-Desaster: Suche nach den Schuldigen – War es wirklich nur der Brandschutz?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-12 vom 19. Mai 2012

Wundenlecken nach der Blamage
Berliner Flughafen-Desaster: Suche nach den Schuldigen – War es wirklich nur der Brandschutz?

War es wirklich nur der Brandschutz? Nach der plötzlichen Absage der Eröffnung von Berlins neuem Flughafen tauchen weitere Versäumnisse auf. Es wird immer peinlicher.

Nicht einmal Heißluftballons durften am Wochenende das neue Gelände umkreisen. Auch das Abfertigungsgebäude war bei den Publikumstagen nur von außen zu besichtigen, denn dort liegen die Gründe der überraschend bekannt gegebenen Verzögerung. Immerhin bot die „Entschärfergruppe“ der Bundespolizei Besuchern ihr Können dar.

Für die SPD-geführten Koalitionen in Berlin und Brandenburg sendet die Blamage des nach ihrem Idol Willy Brandt benannten Flughafens aber Schockwellen aus: „Die Eröffnungsfeier wird selbstverständlich nicht stattfinden“, sagte Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) mit Blick auf eine spätere Einweihung. Dazu sei „kein Anlass“.

Laut Berlins CDU-Fraktionsvize Arnold Vaatz untergräbt „der Vorgang das Vertrauen in das Flughafenmanagement und ist ein verheerendes Signal für den Standort Deutschland. Es ist inakzeptabel, dass diese Entscheidung über Nacht getroffen wurde und dass die Verantwortlichen über die Zweifel, welche ja seit längerem da sein müssen, nicht vorher informiert wurden“.

Berlins Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) wies indes Verantwortung der Politik zurück: „Das ist keine politische Entscheidung.“ Die Länder Berlin und Brandenburg und der Bund sind jeweils Gesellschafter. Die drei Funktionsspitzen im Aufsichtsrat haben Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), Matthias Plat-zeck und Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) inne. Wowereit steht als Aufsichtsratschef im Mittelpunkt der Kritik. Sogar der Verkehrszubringer Deutsche Bahn warnte im März vor Problemen beim Brandschutz – ohne Reaktion.

Inzwischen kommen immer weitere Mängel ans Licht. Müller erklärt dessen ungeachtet: „Nach meinem Kenntnisstand ist der Brandschutz der einzige Grund.“ Der „Tagesspiegel“ berichtete unter Berufung auf Flughafenarbeiter, aus Kostengründen sei auf einen wesentlichen Teil der Sprinkleranlage verzichtet worden. Auch habe die zentrale Steuerung der 3000 Brandschutztüren versagt. Der Flughafen plante laut Stefan Loge, SPD-Landrat von Dahme-Spreewald, vorübergehend Personal zur Bedienung der Türen anzustellen. Auch dieser Plan verfehlte die sicherheitsrechtlichen Vorschriften.

Aber ist das wirklich alles, wie Senator Müller behauptet? Mitarbeitern zufolge gibt es auch Probleme mit der zentralen Computersteuerung. Die Elektronik stürzt im Testlauf noch häufig ab. Die komplexe Schließanlage der Türen in den Ankunftsbereichen sortiert demnach nicht richtig. Welches Portal sich in welche Richtung öffnet, ist aber nicht nur für Passkontrollen und Zoll sicherheitsrelevant.

Für eine Abstimmung der Vorgänge planten die Verantwortlichen demnach zu wenig Zeit ein. So landen bei Proben weiterhin viele Koffer nicht am Ziel. Die Lage erinnert an die Eröffnung von Terminal 5 in LondonHeathrow. Dort fiel 2008 bei Eröffnung die maschinelle Abfertigung des Gepäcks aus – 30000 Koffer mussten von Hand sortiert werden.

Ähnlich ratlos wie ihre britischen Kollegen blicken jetzt deutsche Bundespolitiker auf die BER-Pleite. SPD-Verkehrsexperte Ole Kreins tröstet sich: „Glücklicherweise haben wir noch den Flughafen Tegel und sind damit vorerst auf der sicheren Seite.“

Jener eigentlich zur Schließung vorgesehene Flughafen muss nun das Gros der bereits auf den Nachfolger gebuchten Flüge übernehmen. Die langen Warte- und Transferzeiten für Passagiere verursachen zudem womöglich eine Kostenlawine. Fluggesellschaften halten sich mit Forderungen nach Schadenersatz noch zurück, doch zumindest Bahn, Lufthansa und Air Berlin wollen Geld.

Die Lage droht für die Politik derweil immer peinlicher zu werden: Ein konkreter Termin für die Eröffnung kann nicht benannt werden, wie der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Sören Bartol, zugeben muss – er hoffe auf die zweite Augustwoche. Das macht die Verzögerung kaum kalkulierbar. Wenn Organisationschaos die Gesellschaften zu aufwändiger Betreuung, Entschädigung und Einquartierung von Fluggästen zwingt, hat dies ernste Folgen für den Flugstandort Berlin und die ehrgeizigen politischen Pläne zu dessen Ausbau.

Versäumnisse der Flughafengesellschaft wiegen daher schwer: Am 4. April reichte sie einen Antrag auf „Nutzung vor Fertigstellung“ ein – erfolglos. Flughafen-Chef Rainer Schwarz erntet für dieses späte Management viel Unverständnis. Er musste vor den Verkehrsausschuss des Bundestages treten, gab aber laut dessen Vorsitzenden Anton Hofreiter (Grüne) „sehr, sehr wenig Substanzielles bekannt“. Schwarz räumte zwar nach einem Gespräch mit Wowereit Fehler bei der Steuerung des Projekts sowie eine Fehleinschätzung der Probleme beim Bau ein, will aber nicht zurücktreten. Er soll nach dem Willen des Senats die Folgen dieser bereits zweiten Verschiebung der Eröffnung auffangen. Sverre Gutschmidt


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