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19.05.12 / Generation Flucht – Projekt einer jungen Fotografin / Verena Berg sucht Vertriebene, die ihr ihre Fluchtgeschichte erzählen und sich von ihr porträtieren lassen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-12 vom 19. Mai 2012

Generation Flucht – Projekt einer jungen Fotografin
Verena Berg sucht Vertriebene, die ihr ihre Fluchtgeschichte erzählen und sich von ihr porträtieren lassen

Manches von uns behandelte Vertriebenenschicksal, das vorher noch nie angesprochen wurde, hat nicht nur mich, sondern auch viele Leserinnen und Leser beschäftigt. Besonders erfreut war ich über das Interesse, das die Fluchterinnerungen bei der jüngeren Generation bewirkt haben, selbst wenn sie keine ostpreußischen Eltern oder Großeltern hatten. Endlich besinnt man sich auf uns, die wir die Flucht bewusst erlebt haben, dass wir authentische Zeitzeugen sind und nicht vom Heute das Gestern beurteilen. So sieht das auch die junge Fotografin Verena Berg, die nach abgeschlossenem Studium jetzt als Bildredakteurin bei einem großen Hamburger Verlag tätig ist und, seit sie die ersten Kontakte mit Vertriebenen erhielt, an einem Projekt arbeitet, das sie „Generation Flucht“ nennt. Und wir, die wir ja dazu gehören, können ihr dabei helfen. In einem langen Gespräch hat mir die engagierte junge Frau ihr Vorhaben erläutert, und so erklärt sie es auch unseren Leserinnen und Lesern:

„Durch das Projekt ,Generation Flucht‘ möchte ich ein sichtbares Zeichen der Erinnerung an Flucht und Vertreibung entstehen lassen. Für mich, die dritte Generation nach dem Zweiten Weltkrieg ist es noch fassbare Geschichte. Ich möchte Zeitzeugen porträtieren, und so der Geschichte ein Gesicht geben, darauf aufmerksam machen und daran erinnern, was Krieg und Vertreibung auslösen. Mit diesem Projekt entsteht die Möglichkeit, auch bei jüngeren Generationen – durch die Sprache der neuen Medien – Interesse und Wachsamkeit zu erwecken, für die eigene Geschichte. Mittels fotografischer Portraits und schriftlicher Dokumentation möchte ich Flüchtlingen und Vertriebenen aus dieser Zeit ein visuelles Gesicht geben. Noch ist auch für meine Generation die Möglichkeit gegeben, das Erlebte zu dokumentieren und über die Erfahrungen miteinander zu sprechen. Die Porträts und die dazu gehörenden Landschaftsaufnahmen, die aus der erzählten Geschichte von mir metaphorisch umgesetzt werden, sollen ein Gefühl vermitteln, das an das „Nicht Vergessen“ appelliert.“

Durch erste Kontakte und Recherchen konnte Verena Berg schon einige Vertriebene aus Ostpreußen, Pommern und Schlesien porträtieren und ihre ganz persönliche Fluchtgeschichte aufnehmen. Nun sucht sie weitere Zeitzeugen, die bereit sind, ihre eigene Geschichte zu erzählen und sich porträtieren zu lassen. Mit Aufnahmen aus der Heimat ergibt sich so ein Lebensbild von großer Aussagekraft, das mehr ist als eine bloße Dokumentation. Da Verena Berg beruflich an Hamburg gebunden ist, möchte ich ihre Bitte, sich bei ihr zu melden, in erster Linie an Vertriebene mit Wohnsitz in Norddeutschland weitergeben. Wobei nicht nur unsere ostpreußischen Leserinnen und Leser, sondern auch westpreußische, pommersche, schlesische und weitere Vertriebene gefragt sind. Am Ende dieses aufwendigen Projektes soll eine Ausstellung oder ein Buch entstehen, auch eine andere dokumentarische Präsentation ist denkbar. Über den Fortgang dieser Aktion werden wir von Zeit zu Zeit berichten. (Verena Berg, Eimsbütteler Straße 81 in 22769 Hamburg, Telefon 040/38071860, Mobil 0176/718 60, E-Mail: contact@verenaberg.de)

Als sie mich besuchte, dehnten sich unsere Gespräche weit über die vorgegebene Zeit aus, so groß war das Interesse der Fotografin. Dabei hatte sie bisher keine Verbindungen zu Vertriebenen, schon gar nicht familiäre, sie stammt aus dem Bergischen Land, studierte in Kassel und wurde Meisterschülerin an der Ostkreuzschule für Fotografie in Berlin, ehe sie in Hamburg Bildredakteurin bei einer internationalen Wirtschaftszeitung wurde. Als sie das Projekt „Generation Flucht“ aufgriff, stieß sie auch auf „Unverständnis wegen Unkenntnis“, vor allem bei jüngeren Menschen, und dem will sie nun begegnen. Mich berührt vor allem der Gedanke, dass sie das Porträt eines älteren Menschen wie einen Spiegel des Erlebten und Verlorenen sieht. Mir fiel bei dem Gespräch ein Gedicht des tauben Königsberger Dichters Walter Scheffler ein, „Der Ostpreuße“ betitelt. Ich sehe die vierte Strophe als eine Art Leitmotiv für dieses Projekt:

„Um meine Wiege schlich Krieg und Not,

man lehrte mich Arbeit und Pflicht.

Ich aß meiner kämpfenden Heimat Brot,

ich trag meiner Heimat Gesicht“.

R.G.


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