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19.05.12 / Leistung wirkte befördernd / Studie über die Karrierechancen in der Armee von Friedrich dem Großen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-12 vom 19. Mai 2012

Leistung wirkte befördernd
Studie über die Karrierechancen in der Armee von Friedrich dem Großen

Wozu ein so dickes Buch über die Personalpolitik Friedrichs des Großen in seiner Armee? Man weiß doch, dass seine vornehmlich adligen Offiziere ihrem Dienst-alter gemäß dem Datum ihrer Patente die Ochsentour machten. So brauchte ein Fähnrich um 1750 zum Beispiel fünf bis sieben Jahre zum Lieutnant und dann nochmal sieben bis 14 Jahre zum Kapitän und Kompanieschef, wie man aus Meier-Welckers Untersuchungen zur Geschichte des Offizierkorps von 1962 weiß, in denen nur wenige Ausnahmen erwähnt werden.

Doch Rolf Straubel, habilitierter Historiker am brandenburgischen Landeshauptarchiv, Autor grundlegender Werke über die Personalpolitik im alten Preußen, steigt in „Er möchte nur wißen, daß die Armee mir gehört. Friedrich II. und seine Offiziere“ tiefer in die Quellen ein, vor allem die Kopierbücher, in denen die Verfügungen des Königs festgehalten sind, und zeigt, wie sehr das Klischee trügt. Zwar blieb die Beförderung nach Altersstufe noch bis 1806 die Regel, doch schon Friedrichs Beförderungspraxis orientierte sich mehr und mehr an der Leistung.

So äußerte er in mehreren Ordres, dass er sich bei der Vergabe von Chargen nicht die Hände binden lasse. Deshalb stieg die Zahl der außerplanmäßigen Beförderungen, insbesondere nach dem Siebenjährigen und dem Bayrischen Erbfolgekrieg sprunghaft an. Während die Subaltern-Offiziere noch überwiegend nach dem Dienstalter aufrückten, wollte Friedrich schließlich die Stellen von Kompaniechefs, Stabsoffizieren, Regimentskommandeuren und -chefs grundsätzlich nur noch nach Leistung vergeben. Diese bewies ein Offizier für ihn im Frieden durch besondere Ambition (Engagement) und Disziplin, im Krieg durch besondere Führungskunst und Tapferkeit.

Diese Praxis kompensierte das Fehlen klarer Laufbahnkriterien, welche im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts für höhere Beamten bereits galten: Studium, Absolvierung mehrerer Prüfungen, Probezeiten, Aufstieg nach Leistung. Aber das Verletzen der Altersstufen führte zu zahlreichen Konflikten in der Truppe und zu unzähligen Eingaben, unter anderem auch von Generalfeldmarschall Blücher, der, weil er übergangen wurde, den Abschied erbat und erhielt.

Der Autor befasst sich ferner mit der Rekrutierung von fremden und einheimischen Adligen für die Armee, geht der Erhaltung des adligen Grundbesitzes nach, beleuchtet die Vergabe von Heiratserlaubnissen, die Gewährung von Urlauben, die Versetzungspraxis und die Vergabe von Pensionen und zivilen Ämtern an invalide Militärs. Der Leser erfährt auch, wie sich der König ein Bild von den Offizieren verschaffte. Das konnte er bei seinen jährlichen Inspektionen und während der wenigen Revuetage ja kaum gewinnen, und die Konduiten (Beurteilungen) der Offiziere waren ihm zu oft von persönlichen Beziehungen geprägt. Da Friedrich ständig daran arbeitete, die Schlagkraft seiner Armee zu verbessern, sandte er häufig seine Gewährsleute in die Regimenter oder versetzte Gardeoffiziere dorthin, um Neuerungen einzuführen oder Mängel abzustellen. Diese Offiziere hatten dem König Bericht über den Zustand der Truppe und die Qualität ihrer Offiziere zu erstatten; so erfuhr er, wer schwach und wer hervorragend war.

Der Autor betrachtet praktisch alle dienstlichen und persönlichen Facetten des Verhältnisses Friedrichs II. zu seinen Offizieren und umgekehrt. Er zeigt auch die Spannungen, die teilweise zwischen dem König und dem Adel der verschiedenen Provinzen bestanden. Straubel hat mit großer Akribie teilweise unbekannte Quellen durchforstet und erschlossen. Daher vermittelt sein Buch, anders als viele vorwiegend auf Wertungen beruhende Darstellungen, ein lebensvolles Bild des Preußenkönigs und seiner Offiziere, das oft auch aus quantifizierten Fakten besteht. Das detaillierte Inhaltverzeichnis des Buches ist zum Nachschlagen sehr hilfreich. Als neues Grundlagenwerk ist es ein sehr wertvoller Beitrag zum 300. Geburtstag des großen Königs. Manfred Backerra

Rolf Straubel: „Er möchte nur wißen, daß die Armee mir gehört. Friedrich II. und seine Offiziere“, Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2012, geb., 784 Seiten, 78 Euro


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