19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
26.05.12 / Abbau demokratischer Rechte / Entwurf zum Jahressteuergesetz enthält verfassungsrechtlich bedenkliche Neuregelungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-12 vom 26. Mai 2012

Abbau demokratischer Rechte
Entwurf zum Jahressteuergesetz enthält verfassungsrechtlich bedenkliche Neuregelungen

Das Bundesfinanzministerium hat einen Entwurf für das Jahressteuergesetz 2013 vorgelegt. Darin geht es nicht nur um Anpassungen an das EU-Recht sowie Maßnahmen zur Sicherung des

Steueraufkommens und zur Verfahrensvereinfachung. Versteckt im Dschungel technischer und redaktioneller Änderungen findet sich vor allem ein Passus mit weit reichenden Folgen: Künftig soll schon die bloße Erwähnung eines Vereins im Verfassungsschutzbericht automatisch zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit führen.

Die in Artikel 10 des Gesetzentwurfes vorgesehene Änderung von Paragraf 51 Absatz 3 Satz 2 der Abgabenordnung ist so unscheinbar, dass sie trotz ihrer Brisanz erst auf den zweiten Blick auffällt. Es wurde lediglich ein Wort gestrichen: widerlegbar. Bisher wurde „widerlegbar“ davon ausgegangen, dass Vereinigungen, die im Verfassungsschutzbericht als extremistisch erwähnt wurden, nicht gemeinnützig sein konnten. „Widerlegbar“ bedeutete, dass betroffene Vereine dies durch Einspruch oder Klage vor dem Finanzgericht anfechten konnten, indem sie den Nachweis erbrachten, trotz Erwähnung im Verfassungsschutzbericht gemeinnützig zu sein. Zudem konnten sie vor dem Verwaltungsgericht gegen die Nennung im VS-Bericht klagen.

So einfach geht das nun nicht mehr. In dem Gesetzentwurf heißt es: „Körperschaften, die sich aktiv gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung wenden und den Bestand, die Sicherheit und die Funktionsfähigkeit des Bundes oder eines der Länder beeinträchtigen oder beseitigen wollen, können nicht als gemeinnützige Körperschaft anerkannt werden und von Steuervergünstigungen profitieren. Dies gilt auch, wenn eine Körperschaft dem Gedanken der Völkerverständigung zuwiderhandelt. Ist deshalb eine Körperschaft im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als verfassungsfeindlich aufgeführt, ist ihr die Anerkennung als gemeinnützige Körperschaft zu versagen.“ Damit sind Finanzämter und Finanzgerichte in diesen Fällen nicht mehr für die Überprüfung der Gemeinnützigkeit zuständig. Den betroffenen Organisationen ist dadurch ein ganzer Rechtsweg verwehrt. Sie können sich nur noch wehren, indem sie in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren feststellen lassen, dass sie zu Unrecht in einem VS-Bericht aufgeführt werden. Dies ist allerdings eine hohe Rechtsschutzhürde.

Das Versagen der Gemeinnützigkeit und der damit verbundenen Steuervorteile kann einen Verein in den finanziellen Ruin stürzen und damit seine Existenz vernichten. Kritiker des Gesetzes befürchten daher, dass der Staat die neue Klausel gezielt nutzen könnte, um politisch missliebige Organisationen durch Erwähnung im Verfassungsschutzbericht auszuschalten. Der Verdacht der Willkür erhält vor allem dadurch Nahrung, dass sich die Verfassungsschutzämter auf den Quellenschutz berufen können und daher die Grundlage, auf der die Erwähnung eines Vereins erfolgt, nicht offenlegen müssen. In der Praxis würde das bedeuten, dass eine kaum zu kontrollierende Behörde über die Gemeinnützigkeit von Organisationen entscheidet. Dabei würde schon die Nennung in einem einzigen der 17 Verfassungsschutzberichte von Bund und Ländern ausreichen, unabhängig vom Vereinssitz. Die Verfassungsschutzberichte würden damit von einem informellen Bericht und Mittel der Öffentlichkeitsarbeit der Bundes- und der Landesregierungen zu einem hoheitlichen Entscheidungsinstrument aufgewertet.

Ein weiterer Passus des Gesetzentwurfes ruft ebenfalls Kritiker auf den Plan. Nach der bisherigen Regelung in der Abgabenordnung mussten die Finanzämter im Besteuerungsverfahren zunächst ein Auskunftsersuchen an den Steuerpflichtigen richten, bevor sie die Vorlage von Unterlagen verlangen konnten. Diese aus dem verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebotene und auch vom Bundesfinanzhof 2010 bestätigte Beweismittelfolge soll nun aufgehoben werden. Zukünftig sollen Auskunftsersuchen und Vorlageverlangen als gleichwertige Instrumente nebeneinander stehen. Das Bundesfinanzministerium begründet die Änderung damit, das alte Verfahren sei „unnötig verwaltungsaufwändig“ gewesen. Tatsächlich dürften sich die Finanzämter künftig kaum noch mit Auskunftsersuchen aufhalten, sondern gleich ihren Vorlageanspruch durchsetzen. Diese geplante Ausweitung des Zugriffs der Finanzämter auf persönliche und personenbezogene Daten bei gleichzeitiger Einschränkung der Schutzvorschriften würde, so der Deutsche Steuerberaterverband, tief in die Persönlichkeitssphäre und das Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung der Steuerpflichtigen sowie in den Datenschutz eingreifen. Jan Heitmann (siehe Kommentar S. 8)


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren