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26.05.12 / »Schmierenkomödie« statt Rettungskampf / Angeschlagene Partei »Die Linke« wendet in letzter Sekunde Führungsstreit ab – Politische Ziele nicht in Sicht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-12 vom 26. Mai 2012

»Schmierenkomödie« statt Rettungskampf
Angeschlagene Partei »Die Linke« wendet in letzter Sekunde Führungsstreit ab – Politische Ziele nicht in Sicht

Die Ursachen für die verheerenden Wahlniederlagen der Partei „Die Linke“ war noch nicht analysiert, da nahte schon die nächste Zerreißprobe. Mehrere Parteiflügel stritten um die künftige Parteiführung und die Protagonisten drohten sich zu zerfleischen.

Nach dem Rückzug der bisherigen Parteivorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst hatte schon im letzten November der Ex-Geschäftsführer Dietmar Bartsch seinen Hut in den Ring geworfen. Auch der ehemalige Vorsitzende Oskar Lafontaine hatte vor drei Wochen seine Bereitschaft zu einer erneuten Kandidatur erkennen lassen. Stundenlang tagten daher nun in der letzten Woche die Landesvorsitzenden und der geschäftsführende Vorstand, um sich auf eine einvernehmliche Lösung für die neue Doppel-Parteispitze zu einigen – doch ohne Ergebnis. Doch nun hat der ehemalige Vorsitzende selber einen „Showdown“ mit Bartsch abgewendet, zu groß war der Unmut in der Partei über diesen unnützen Machtkampf.

Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzender der Linkspartei im Bundestag und mediengewandter Plauderer in Talkshows, hatte zuvor an beide Kandidaten appeliert, aufeinander zuzugehen. Weder Lafontaine noch Bartsch würden die Partei als Ganzes repräsentieren, so Gysi. Daher solle Lafontaine Vorsitzender und Bartsch Geschäftsführer werden. Wie unrealistisch und vergiftet dieser Vorschlag war, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. Denn es war kein anderer als Gysi selbst, der Bartsch als langjährigen Geschäftsführer der Partei der Illoyalität gegenüber Lafontaine bezichtigte. Daraufhin kandidierte Bartsch nicht mehr für das Geschäftsführeramt.

Beim nun abgewendeten Konflikt zwischen Bartsch und Lafontaine wären in der Partei alte Gräben zwischen Ost und West aufgebrochen. Die Partei „Die Linke“ entstand seinerzeit aus einer Fusion der sozialistischen Parteien SED/PDS auf dem Boden der ehemaligen DDR und der Anti-SPD namens WASG. Diesen Zusammenschluss hatte Lafontaine, ehemaliger Kanzlerkandidat und Parteivorsitzender der SPD, aus Protest gegen die Hartz-IV-Reformen des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder initiiert. Wie brüchig das Bündnis zwischen ehemaligen WASG- und PDS-Anhängern ist, zeigten nun Äußerungen des einstigen „Fusionsbeauftragten“ Bodo Ramelow, der das Agieren der Berliner Parteispitze eine „Schmierenkomödie“ nannte.

Zusätzlich erschwert wurde die Lage dadurch, dass auch um den Posten des Geschäftsführers, der ebenfalls auf dem Parteitag Anfang Juni in Göttingen bestimmt werden soll, Streit entbrannt ist. Matthias Höhn, Vorsitzender der Linkspartei in Sachsen-Anhalt, will für den Posten des Geschäftsführers kandidieren. Er nannte die Aussage des bisherigen Vorsitzenden Klaus Ernst „grotesk und frech“, dass die überwältigende Mehrheit der Parteimitglieder Lafontaine zum Vorsitzenden haben wolle. Die 43000 Mitglieder der Partei aus dem Osten der Republik (gegenüber 26500 westdeutschen) würden nach wie vor mit dem Saarländer Lafontaine fremdeln.

Zu einem Gladiatorenkampf um die Parteiführung hatte aber Lafontaine selbst wenig Neigung gezeigt. Er könne sich Sinnvolleres zum Abschluss seiner politischen Karriere vorstellen, ließ er verlauten. Eine verlorene Kandidatur für den Mann, der einst den SPD-Vorsitzenden Rudolf Scharping von der Parteispitze wegputschte, scheint für den charismatischen Führer der Linken nicht erstrebenswert. Da Bartsch seine Kandidatur – trotz erheblichen

Drucks aus der eigenen Partei – nicht zurückziehen wollte, rückten erst andere Möglichkeiten in den Fokus, zumal laut Parteisatzung eine Doppelspitze aus Mann und Frau vorgesehen ist.

Sahra Wagenknecht, derzeit offiziell eine Auszeit nehmende Stimme der „Kommunistischen Plattform“ der Partei und Lafontaines neueste Lebensgefährtin, bezeichnete eine Doppelspitze mit Bartsch als „unmoralisches Angebot“. Bei einem Treffen von 300 Parteimitgliedern am letzten Wochenende wies sie kompromisslos jedes Entgegenkommen gegenüber dem Reformerflügel um Bartsch zurück. Für die verlorenen Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein, bei denen die Partei aus den Parlamenten flog, machte sie die Annäherung an die SPD verantwortlich. Sie sprach auch von einer „massiven Selbstprofilierung“ einiger Spitzenleute und einigen „selbstzerstörerischen Debatten“. Auch im Osten sei die Linkspartei bei Wahlen, etwa in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin, abgesackt, dozierte Wagenknecht, womit die Parteimitglieder aus dem Osten ihr Fett abbekamen.

Offenbar stritten gleich mehrere Lager innerhalb der Partei. Neben den linksextremen Anhängern von Lafontaine/Wagenknecht sind westdeutsche Ex-SPD-Anhänger und Gewerkschafter sowie Altkommunisten aus der ehemaligen DDR an Bord. Daneben gibt es die für Dietmar Bartsch streitenden jüngeren Reformer aus dem Osten und einige westdeutsche Pragmatiker. Gregor Gysi als Kandidat, auf den sich die vielen Lager hätten einigen können, hatte bereits zuvor abgesagt. Seit der Ankündigung Höhns für den Geschäftsführer-Posten droht aber noch Streit bei den jüngeren Reformern. Dort ist seit zwei Jahren mit Caren Lay eine der ihren im Amt des Bundesgeschäftsführers tätig, der aber die verlorenen Landtagswahlen auch angelastet werden. Hinrich E. Bues


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