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02.06.12 / Ein Ritter, der mit Tod und Teufel fährt / Dichterrettung: Der Neidenburger Schriftsteller Axel Lübbe neu verlegt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-12 vom 02. Juni 2012

Ein Ritter, der mit Tod und Teufel fährt
Dichterrettung: Der Neidenburger Schriftsteller Axel Lübbe neu verlegt

Der heute vergessene Schriftsteller Axel Lübbe wurde am 18. Dezember 1880 in Littfinken, Kreis Neidenburg, geboren und verstarb am 15. De­zember 1963 im brandenburgischen Schöneiche bei Berlin. Nach dem Ersten Weltkrieg betätigte er sich erfolgreich als Lyriker, Novellist und Übersetzer, verkehrte mit Gerhart Hauptmann und Arthur Schnitzler.

Das Dritte Reich erstickte Lübbes Produktivität. Ihm wurde ein Schreibverbot auferlegt, weil er mit einer Jüdin verheiratet war. Während seiner Frau und seiner Tochter die Flucht in die USA gelang, blieb Lübbe im nationalsozialistischen Deutschland und führte in Berlin das karge Leben eines Ausgegrenzten.

Nach Kriegs­ende wandte er sich an keinen Geringeren als Peter Suhrkamp, dem der einst bekannte Verfasser geradezu klassischer Novellen noch in bester Erinnerung war. 1948 veröffentlichte Suhrkamp Lübbes Roman „Erbe“, der die tragikomische Geschichte einer bürgerlich-philisterhaften Familie erzählt und in eine Auseinandersetzung mit der NS-Ideologie einmündet. Danach wurde es wieder still um Lübbe. Am 18. August 1979 erinnerte das Ostpreußenblatt mit einem Artikel erneut an den vergessenen Schriftsteller, der in der DDR nichts veröffentlicht hatte (OB Nr. 33/1979).

Anfang 2011 wurde der Berliner Kultur- und Literaturhistoriker Martin A. Völker, der sich auf Regionalkunde spezialisiert hat und zur deutschen Literatur im Osten forscht, auf Lübbe aufmerksam. Fasziniert von dessen Œuvre plante Völker eine erste kleinere Neuherausgabe. Er sammelte alle in Lübbes Hoch-Zeit veröffentlichten Werke und Informationen und setzte seine Suche in zahlreichen Archiven fort. In seine Recherche bezog er Ruth Geede mit ein, die in ihrer allwöchentlich in der PAZ erscheinenden Kolumne „Die ostpreußische Familie“ am 15. Oktober 2011 (PAZ Nr. 41/2011) Völkers Suche nach Lübbes Familie und Erben publik machte.

Die von Völker ausgewählte Novelle „Hugo von Brandenburg“, erstmals 1927 veröffentlicht, widmet sich der letzten Lebenszeit eines florentinischen Edelmannes und kaiserlichen Statthalters, der seinen inneren Dämonen entkommen will und in den Krieg zieht, um ihnen dort auf fatale Weise wiederzubegegnen. Es ist ein düsteres und zugleich packendes psychologisches Kammerspiel. Das Buch ist mit einem Nachwort versehen und bietet sich als bibliophiles Mitbringsel geradezu an.

Lübbes „Hugo von Brandenburg“ gewinnt, je häufiger man ihn liest. Hugos Kampf mit seinen verdrängten Gefühlen erinnert an die grausige Schönheit des sterbenden Laokoon. Lübbe verwischt die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit und erzeugt so eine Stimmung, die im Leser lange nachwirkt.

Der aufstrebende „hochroth Verlag“ in Berlin, der mittlerweile Dependancen in Leipzig und Wien unterhält, ist mit kostengünstigen, aber fein ausgestatteten Lyrikbänden bekannt geworden. Die strenge Auswahl weniger Gedichte oder, wie im vorliegenden Fall, die Konzentration auf eine Novelle bringt es mit sich, dass sich der Leser intensiv mit dem Dargebotenen beschäftigt.

Vortrefflich illustriert wird die Novelle durch den bekannten Dürer-Stich „Ritter, Tod und Teufel“ aus dem Jahr 1513. Mit Albrecht Dürer hatte sich Lübbe eingehend befasst. 1918 veröffentlichte er den Band „Deutsches Antlitz“, in dem er bekannte Bildnisse Dürers (zum Beispiel die Mutter des Künstlers oder Hieronymus Holzschuher) mit eigenen Gedichten beschrieb und kommentierte. Der Herausgeber Völker wählte für die Neuherausgabe Dürers „Ritter“, um Lübbes Menschenbild gegenüber den heutigen Lesern transparent zu machen: Der mit der Geburt an den Tod verlorene Mensch ist ein fragiles und störungsanfälliges Wesen, das zwar stets Stärke demonstriert, aber seine Schwächen und seine Ohnmachtsgefühle nur schlecht verbergen kann, dessen Leidenschaften und Ängste ein mithin gefährliches Eigenleben zu führen beginnen, sobald die Kräfte nachlassen.

85 Jahre nach ihrer Erstveröffentlichung hat Lübbes Novelle kaum an Bedeutung verloren. Im Gegenteil.

Es wäre schön, bald wieder mehr von dem Neidenburger Schriftsteller lesen zu dürfen. Das vorliegende Buch lässt zudem die Hoffnung aufkeimen, dass auch andere Autoren Ost- und Westpreußens wiederentdeckt und in einer ähnlich zeitgemäßen Form editorisch bearbeitet werden. Das ist Musik einer hoffentlich nicht allzu fernen Zukunft. Der Herausgeber Völker hat jedenfalls versichert, dass er seine Literatur-archäologie fortsetzen wird. Branka Golding

Axel Lübbe: „Hugo von Brandenburg“, Novelle, mit einem Nachwort herausgegeben von Martin A. Völker, hochroth Verlag, Berlin 2012, 40 Seiten, 6 Euro. www.hochroth.de


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