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02.06.12 / Marburg feiert ohne Deutsche / Kulturverein der Minderheit »Brücken« plant eigene Veranstaltungen in der slowenischen Kulturhauptstadt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-12 vom 02. Juni 2012

Marburg feiert ohne Deutsche
Kulturverein der Minderheit »Brücken« plant eigene Veranstaltungen in der slowenischen Kulturhauptstadt

„Im Kulturhauptstadtjahr will ich zeigen, dass wir noch hier sind!“ Mit Bitternis, aber auch gehörigem Trotz beantwortet Veronika Haring die Frage nach den Plänen des deutschen Kulturvereins „Brücken“ für das Europäische Kulturhauptstadtjahr 2012 im slowenischen Marburg an der Drau [Maribor].

Nur noch schätzungsweise 2000 Deutsche soll es heutzutage in Slowenien geben, ein kleiner Teil davon ist in der Hauptstadt der Untersteiermark beheimatet, die bis 1919 jahrhundertelang zu Österreich gehört hatte und damals noch mehrheitlich von Deutschen bewohnt war. Staatlicherseits sind die Deutschen in Slowenien bis heute nicht als ethnische Minderheit anerkannt. „Zuerst sagte man, wir seien ,nicht autochthon‘“, erklärt Haring, „dann hieß es, wir seien ,zu wenige‘ und schließlich, die Deutschen würden nicht in einem geschlossenen Raum leben.“

Eine offizielle Anfrage hinsichtlich einer Beteiligung der Marburger Deutschen am Kulturhauptstadtprogramm habe es nicht gegeben, bedauert die 63-jährige Obfrau der „Brücken“. Dass sie dennoch etwas Respektables auf die Beine stellen wird, traut man der energischen Buchhändlerin im Ruhestand sehr wohl zu, wenn man ihren Ausführungen über die Geschichte der Stadt, die besondere Bedeutung der deutschen Kultur in der Region und die schwierigen Bemühungen um eine Neuorganisation der Volksgruppe nach dem Zerfall Jugoslawiens zuhört.

Eine erste Vereinsgründung habe es 1990 mit der Bildung der „Freiheitsbrücke“ gegeben. Diese bestehe bis heute, sei aber weniger an Kultur als am Ziel der rechtlichen Gleichstellung der deutschen Volksgruppe und Entschädigungen für das erlittene Unrecht interessiert, sagt Haring. Deshalb wurde im Dezember 2000 der „Kulturverein deutschsprachiger Frauen ,Brücken’“ aus der Taufe gehoben. Dieser verfügt seit 2005 dank finanzieller Förderungen der österreichischen Bundesländer Steiermark und Kärnten sowie privater Spenden über eigene Ver-einsräume in der Färbergasse [Bavarska ulica], einer engen Altstadtgasse unweit des Domes. Zurzeit zählt man gut 100 Mitglieder.

Längst seien die Aktivitäten nicht mehr auf Frauen beschränkt, betont die Obfrau und verweist stolz auf die Kinder- und Jugendgruppe, den eigenen Kammerchor „Hugo Wolff“ und die Schriften der verbandsinternen Literaturgruppe, die in den Jahrbüchern der „Brücken“ ihren Niederschlag fänden. Darüber hinaus gebe es Sprachkurse für Erwachsene und Kinder, Mal- und Zeichenkurse, Diskussionsrunden, Konzerte, Weih-nachtsfeiern und vieles andere. Zuletzt veranstaltete man im Dezember 2011 einen Erinnerungsabend an Rudolf Wagner, der an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert den Marburger Männergesangsverein geleitet hatte. Einen wichtigen Stellenwert genießt auch die Zusammenarbeit mit anderen deutschen Minderheitengruppen im eigenen Land, allen voran dem Gottscheer Altsiedlerverein, aber auch der Anfang 2011 gegründeten deutschen Vereinigung im nahen Cilli [Celje], oder mit befreundeten Organisationen im Ausland, insbesondere dem Alpenländischen Kulturverband Südmark in Graz.

Zweifellos ist die Regsamkeit des kleinen Vereins wesentlich auf den Tatendrang und den Ideenreichtum Veronika Harings zurückzuführen. Beides hängt auch mit ihrer Biografie zusammen. Von der eigenen Herkunft erfuhr sie überhaupt erst im Alter von 14 Jahren durch die antideutschen Hänseleien ihrer Marburger Mitschüler. Die Eltern hatten die Abstammung tunlichst verschwiegen und ließen die kleine Veronika auch nur mit der slowenischen Sprache aufwachsen, um ihre Tochter vor Benachteiligungen zu schützen. Geholfen hat das aber nicht immer, erzählt Haring. So habe sie in der Schule „immer Partisanengedichte aufsagen müssen, während andere Schüler Zeilen über den Frühling und so weiter vortrugen“. Ihre Muttersprache erlernte sie erst im Erwachsenenalter als Verkäuferin in einer Grazer Spielwarenhandlung. Danach übernahm sie die Leitung der Auslandsabteilung einer großen Marburger Buchhandlung.

Die Deutschen im slowenischen Teil der Steiermark seien bis heute „nicht voll gesellschaftsfähig“ und hätten vielfach „noch immer Bekenntnisängste“, klagt Haring. Obwohl drei Viertel der Bevölkerung Marburgs mehr oder weniger Deutsch sprechen könnten und sich auch städtebaulich und in vielerlei anderer Hinsicht die tiefen deutschen Prägungen nicht leugnen ließen, „berichtet die Presse überhaupt nicht über die Aktivitäten der ‚Brücken‘“. Die deutsche Sprache wird zwar an den Schulen – nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen – ab der vierten Klasse als Wahlfach angeboten, andererseits hat die bundesdeutsche beziehungsweise österreichische auswärtige Kulturpolitik den einstigen Rang des Deutschen als lingua franca auch in dieser Südostecke Mitteleuropas gegenüber dem massiv vordringenden Englisch offenbar längst aufgegeben. Entsprechend kommt es zu fatalen Signalen wie der Rede des deutschen Botschafters in Laibach am letzten 3. Oktober, der seine Gedanken zum Nationalfeiertag in englischer Sprache ausführte. „Das hat mir weh getan!“, beklagt

Veronika Haring diese Instinktlosigkeit des Diplomaten.

In geschichtspolitischer Hinsicht ist die Situation ähnlich unerfreulich. Nach Angaben Harings existieren in der unmittelbaren Umgebung Marburgs ungefähr 20000 Gräber deutscher Opfer des Zweiten Weltkrieges, die geborgen werden müssten und deren Biografien und historischen Hintergründe es objektiv darzustellen gelte. Doch die bis zu den letzten slowenischen Parlamentswahlen am 5. Dezember 2011 regierenden „sozialdemokratischen“ Postkommunisten hätten die überfällige Aufarbeitung total verweigert, während die seither wieder regierende bürgerliche Partei von Ministerpräsident Janez Jansa hierfür immerhin eine gewisse Offenheit zeige.

„Eigentlich können wir als deutsche Minderheit keinen Einfluss auf das Kulturhauptstadtjahr nehmen“, konstatiert Haring. Dennoch will man sich beteiligen, zum Beispiel mit Begleitveranstaltungen im Kasinosaal des Staatstheaters – einst traditioneller Treffpunkt der deutschen Einwohner Marburgs – zur offiziellen Ausstellung „Maribor und die Deutschen“. Persönlich bleibe sie ein „ewiger Optimist“ und hoffe auf ein Umdenken der slowenischen Mehrheitsgesellschaft. Immerhin wachse ihre eigene Tochter mit einer eindeutig deutschen Identität auf, sagt

Veronika beim Abschied lächelnd.

Martin Schmidt

Kontakt: Kulturverein deutschsprachiger Frauen „Brücken“, Barvarska ul. 5, SI – 2000 Marburg [Maribor], E-Mail: kulturno-mostovi@triera.net, Internet: www.drustvo-mostovi.si


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