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16.06.12 / EU: Alles andere als einheitlich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-12 vom 16. Juni 2012

EU: Alles andere als einheitlich

Andere Länder – andere Sitten, diese Weisheit gilt auch im Steuerrecht. Zwar vereinheitlichte die EU das Umsatzsteuerrecht, und auch im Körperschaftsteuerrecht gibt es Bemühungen, die Regelungen der einzelnen Staaten einander anzunähern, aber im Einkommensteuerrecht der natürlichen Personen hat jedes Land seine eigenen Gesetze. Das Gegenteil des hierzulande geltenden Ehegattensplittings ist die Individualbesteuerung. Das Einkommen jeder natürlichen Person, unabhängig vom Familienstand, wird separat besteuert. Singles, Eheleute, homosexuelle Paare und Paare ohne Trauschein werden somit gleich behandelt.

Innerhalb der EU kennen nur Luxemburg und Frankreich das Ehegattensplitting, in Frankreich wurde dies zum Familiensplitting ausgebaut, da jedes Kind eine erhebliche Senkung der Steuerlast mit sich bringt. In Luxemburg werden auch Lebenspartner mit Partnerschaftsvertrag, egal ob hetero- oder homosexuell, steuerlich wie Ehegatten behandelt.

Österreich, dessen Einkommensteuerrecht aus dem deutschen Recht abgeleitet wurde, hat in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts das Ehegattensplitting abgeschafft, hier gibt es hingegen Abzugsbeträge für Alleinverdiener, Alleinerziehende und Kinder. Trotz dieser Abzugsbeträge ist die Steuerbelastung von Einverdienerehen höher als die von Doppelverdienerpaaren. Aber auch in Österreich gibt es immer wieder Vorstöße, ein Familiensplitting einzuführen.

In allen anderen EU-Staaten gilt die Individualbesteuerung oder es werden nur begrenzte Steuerermäßigungen für Eheleute gewährt. Allerdings gilt in vielen Staaten nicht der progressive, sondern ein proportionaler Steuersatz, bei dem sich die Rechnung des deutschen Splittingverfahrens nicht auf die Steuerschuld auswirken würde. K.O.

 

Zeitzeugen

Kristina Schröder – Die Bundesfamilienministerin (CDU) sieht keinen Änderungsbedarf und ver-teidigt das Ehegattensplitting: „Der Grundgedanke ist richtig. Wir sollten es honorieren, wenn zwei Menschen füreinander Ver-antwortung übernehmen und dann auch finanziell füreinander einstehen.“

Manuela Schwesig – Als stellvertretende SPD-Parteivorsitzende befürwortet sie die Individualbe-steuerung, da die aktuelle Rechts-lage ein nicht mehr zeitgemäßes Partnerschaftsbild zementiere. Das traditionelle Rollenbild werde unserer Generation von gut ausgebildeten Frauen nicht mehr gerecht und berge ein Risiko für Frauen, in Altersarmut zu fallen.

Bernd Schlömer – Seine Piratenpartei fordert in ihrem Programm die Abschaffung des Ehegattensplittings und will steuerliche Vergünstigungen an die Versorgung von Kindern unabhängig vom gewählten Familienmodell knüpfen.

Wolfgang Schäuble – Für den Bundesfinanzminister (CDU) hat die Ehe mit Blick auf „ihre blei-bende Bedeutung als typische Grundlage der Familie mit Kin-dern“ weiterhin eine steuerliche Sonderstellung gegenüber gleich-geschlechtlichen Partnerschaften. Er will der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes nicht vorgreifen und die aktuelle Rechtslage beibehalten.

Miriam Beblo – Die Professorin an der HWR Berlin sieht im Ehegattensplitting eine gezielte Verstärkung des „ökonomschen Teufelskreises“. Durch die innerfamiliäre geschlechterstereotype Arbeitsteilung verfestigten sich traditionelle Rollenmuster, da der „Marktwert“ der Arbeitskraft des erwerbstätigen Ehegatten steige und der des im Haushalt Tätigen – meist die Frau – sinke. In der Folge blieben Lohn-differenzen und unterschiedliche Erwerbsbeteiligung von Männern und Frauen bestehen.

Richard Ochmann – Der Volkswirt vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält die Einschränkung der Steuervorteile des Splittings für erforderlich, um mehr Erwerbsanreize für verheiratete Frauen zu schaffen. Die Mehreinnahmen könnten zur Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen verwendet werden.


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