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16.06.12 / Das Karussell von Sanssouci / Pferdeballett vor dem Neuen Palais in Potsdam – Höhepunkt der Feiern im Friedrich-Jahr

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-12 vom 16. Juni 2012

Das Karussell von Sanssouci
Pferdeballett vor dem Neuen Palais in Potsdam – Höhepunkt der Feiern im Friedrich-Jahr

Als am Ende des Mittelalters die Ritter nicht nur ihre Rüstungen ablegten, sondern auch von Kampfspielen auf Leben und Tod Abstand nahmen und sich zu Scheinkämpfen durchringen konnten, brachten sie damit eine neue Mode der Reiterspiele auf, die man Karussell nennen sollte. Wegbereiter war der Italiener Federico Grisone, der um 1535 in Neapel die erste europäische Reitakademie gründete, an der die klassische Reitkunst wieder geübt wurde. Mit wachsenden Fertigkeiten in der Hohen Schule stieg auch das Bedürfnis, diese in immer prunkvolleren Vorführungen zur Schau zu stellen.

Anfang des 17. Jahrhunderts wurde das Karussell von Italien nach Frankreich „exportiert“, von wo es sich zusammen mit der französischen Hofkultur an allen europäischen Höfen durchsetzte. In Paris fand das erste Karussell 1605 statt. Das prunkvollste jedoch wurde unter Ludwig XIV. am 5. und 6. Juni 1662 in Paris auf dem Platz vor den Tuilerien veranstaltet, der seitdem den Namen „Place du Carrousel“ führt.

Spätestens seit diesem Tag waren Pferdekarusselle die Königsdisziplin aller höfischen Festlichkeiten. Da machte auch Preußen keine Ausnahme und ließ am 25. August 1750 zu Ehren des Besuchs von Friedrichs Schwester Wilhelmine von Bayreuth das berühmte „Carrousel de Berlin“ veranstalten. Es gilt bis heute als „das größte Spektakel, das es in Berlin zu Zeiten Fried­richs des Großen zu bewundern gab“, so Reinhold Koser, Fried­richs bedeutendster Biograf. Das letzte Karussell in Preußen war übrigens der berühmte „Zauber der Weißen Rose“, der 1829 zu Ehren von Zarin Alexandra Feodorowna aufgeführt wurde.

In einer Mischung aus Sport, Kunst und Show – wie man heute sagen würde – war das Carrousel de Berlin gleichzeitig eine bombastische Zurschaustellung von Friedrichs, und damit Preußens, militärischer, dynastischer und höfischer Stellung, an der bis auf den König die prominentesten Mitglieder des Hofes persönlich teilnahmen. Gesandte und Vertreter der europäischen Herrscherhäuser waren geladen und fast die gesamte Familie Friedrichs war anwesend.

Als anno 1750 mehr als 200 Teilnehmer die Reitbahn im Lustgarten betraten, waren sie an Glanz, Pomp und Pracht nicht zu übertreffen. Man erblickte Kostüme aus Purpur und Samt, Tiger- und Marderfell, Brokat und Atlas, aufgenähte Diamanten, Perlen und Rubine, ja selbst die Sporen der Pferde sollen aus mit Diamanten besetztem Silber bestanden haben. Die aufwendige Choreografie zu dem Riesenspektakel hatte Fried­rich II. selber entwickelt.

Vom 19. bis 22. Juli, jeweils um 20 Uhr, feiert es jetzt vor dem Neuen Palais im Park Sanssouci in Potsdam eine Renaissance. In Zusammenarbeit mit der Fürstlichen Hofreitschule Bückeburg und der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg wird es als „Le Carrousel de Sanssouci“ den Höhepunkt der Höfischen Festspiele zum 300. Geburtstag des Monarchen bilden und sich dabei so weit wie möglich an das Vorbild von 1750 anlehnen.

In geradezu wissenschaftlich zu nennender Vorbereitung hat das Team der höfischen Festspiele zahlreiche Quellen gesichtet und die Original-Festschrift aus dem Französischen übersetzt. Im Nationalmuseum Stockholm konnten sogar die originalen Kostümentwürfe von 1750 gefunden werden. Ein Glücksfall! Da Friedrichs Schwester Königin Luise Ulrike von Schweden seinerzeit nicht an dem höfischen Fest teilnehmen konnte, weil sie im Wochenbett lag, hatte Bruder August Wilhelm ihr die sogenannten Figurinen geschickt, damit sie sich ein Bild von der Aufführung machen konnte.

Der Prunk von einst wird unübertroffen bleiben. Dennoch: „Wir werden 300 Meter kostbarste Stoffe und 400 Meter unterschiedlicher Borten vernähen. Diese Stickereien werden einen ebenso pompösen Effekt erzeugen wie einst im Original, auch Kunstfelle sind inzwischen kaum von echten Fellen zu unterschieden“, so Chefausstatterin Manuela Motter. Bei aller Akribie, das Carrousel de Sanssouci wird mit 20 Pferden und 70 Akteuren wohl zwar eine prächtige, aber doch nur kleine Ahnung von dem Berliner Original vermitteln können. Bläser- und Kammermusik, höfischer Tanz, lyrischer Gesang und Artistik runden das Pferdeballett anno 2012 ab.

Zur Erläuterung der historischen Hintergründe der Aufführung bieten die Höfischen Festspiele im Juli ein Symposion mit Vorträgen namhafter Experten und Historiker zum Thema an. Helga Schnehagen


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