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16.06.12 / Das Kreuz im Acker / Ein rätselhafter Fund aus Petrikatschen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-12 vom 16. Juni 2012

Das Kreuz im Acker
Ein rätselhafter Fund aus Petrikatschen

Als wir auf die Flucht gingen, konnte nur das Nötigste mitgenommen werden. Wer es noch zeitlich ermöglichen konnte, vergrub wenigstens einige Gegenstände, die eine gewisse Lagerzeit im Boden überdauern könnten. Niemand dachte damals, dass viele von ihnen nie mehr gefunden würden. Auch diejenigen, die nach mehr als einem halben Jahrhundert in die Heimat reisen konnten und auf ihrem alten Grund und Boden standen, fanden nur selten die Stellen wieder. Entweder waren schon andere fündig geworden oder die Merkzeichen wie Bäume, Zäune, Mauern waren verschwunden, man fand sich einfach auf dem zerstörten Grund und Boden nicht mehr zurecht. Vieles wird für ewig verschwunden bleiben. Aber ab und zu gibt die Erde doch etwas preis, und bei dem Fund aus dem Königsberger Gebiet, von dem wir heute berichten, dürfte es sich um ein sehr wertvolles Relikt aus alter Zeit handeln. Bisher hat es nur Rätsel aufgegeben. Vielleicht kann unsere Ostpreußische Familie sie teilweise oder sogar ganz lösen.

Es handelt sich um ein Bronzekreuz, das in dem östlich von Ebenrode/Stallupönen gelegenen Dorf Schützenort/Petrikatschen liegt. Dort stieß eine russische Frau beim Umgraben von Gemüsebeeten auf einen metallenen Gegenstand, der sich nach dem Säubern als ein Bronzekreuz von der Größe einer kräftigen Männerhand erwies. Frau Oxana Kharlamova erkannte sofort, dass es sich um einen besonderen Fund handeln musste. Sie hatte in ihrem Garten in Insterburg, wo sie unweit vom Schloss wohnte, schon früher in den dortigen Gemüsegärten viele Dinge ausgegraben, die aus der Vorkriegszeit stammten: Geschirr, Schmuck, eine Schatulle. Aber dieses Kreuz stammte aus keinem Bürgerhaushalt, sie ordnete es eher einer religiösen Vereinigung zu. Vielleicht stammte es aus einem Kirchenschatz oder war im Besitz einer frommen Familie gewesen. Sie hätte gerne gewusst, welche Bedeutung dieses Kreuzes für wen gehabt hatte.

Frau Oxana ließ von dem wunderbar erhaltenen Kreuz Aufnahmen machen und sandte diese an Herrn Hans Dieter Minge in Berlin. Auch er fand die Form sehr ungewöhnlich, beschloss, unsere Ostpreußische Familie zu befragen, und übergab uns zwei Fotos von dem Fund. Die Vorderseite des 30 Zentimeter hohen Kreuzes zeigt den Heiland mit der Dornenkrone – nicht an einem Kreuz, sondern an einem Weinstock hängend. Neben seinem rechten Fuß steht ein eigenartiges Gefäß – galt es zum Auffangen des Blutes oder soll es ein Taufbecken symbolisieren? Die Rückseite füllt das Vaterunser aus. Im Mittelpunkt des Kreuzes befindet sich ein leeres Viereck. Ob es einmal mit einer Inschrift oder mit einem Bild versehen war, ist nicht feststellbar, aber nicht unwahrscheinlich. Vielleicht könnte das Vaterunser einige Hinweise geben, denn es zeigt zwei Besonderheiten. Für mich, die ich in der Altroßgärter Kirche in Königsberg getauft und konfirmiert wurde, beginnt es mit „Vater unser, der du bist im Himmel“ – auf dem Kreuz heißt es „Vater unser im Himmel“. Ich bete auch „… sondern erlöse uns von dem Übel“ und nicht „von dem Bösen“, wie in der Kreuzesinschrift zu lesen. Dies sind nur einige Hinweise, weitere will und kann ich nicht geben, da sie zu Irrtümern führen könnten.

Man muss auch die Fundstelle berücksichtigen, die in Petrikatschen liegt. Ich verwende hier bewusst den bis 1938 gültigen Namen des zwischen Stallupönen und Eydtkuhnen gelegenen Ortes – ehe er in „Schützenort“ umgetauft wurde –, weil das Kreuz ja aus der früheren Zeit stammen muss. Er bestand aus einem Gut mit Ziegelei und mehreren Bauernhöfen, die Einwohnerzahl betrug knapp 150. Petrikatschen gehörte zu dem Ansiedlungsgebiet der 1730 wegen ihres lutherischen Glaubens vertriebenen Salzburger, aber es gab auch Nachkommen der noch vor den Salzburgern eingewanderten reformierten Hessen, der altangesiedelten Litauer und der prussischen Urbevölkerung. Stammte das Kreuz aus einer Kirche – Petrikatschen gehörte zum Kirchspiel Stallupönen – oder aus dem Kreis einer anderen religiösen Gruppe? Es kann aber auch sein, dass der Fundort nicht mit der Herkunft des Kreuzes identisch ist. Vielleicht haben Flüchtlinge es mitgenommen und es dann hier verloren oder versteckt, vielleicht wurde es von russischen Okkupanten als Beutegut mitgeschleppt – es gibt viele Fragezeichen. Herr Minge hofft, mit diesem ungewöhnlichen Fund das Interesse unserer Leser zu erwecken, und das wird ihm mit Sicherheit gelingen. Mich selber hat dieser Fund sehr berührt. Denn meine Mutter stammte aus dem nahen Schöck­stupönen, und dort hatte man 1935 einen Ring aus der Bronzezeit im Acker gefunden. Und unser Familienfriedhof lag mitten in den Feldern bei Petrikatschen! (Hans Dieter Minge, Michiganseestraße 1 in 10319 Berlin, Telefon 030/5111222.) R.G.


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