Warning: file_get_contents(https://paz.de/lib/extern/header.php): failed to open stream: Connection refused in /homepages/10/d855424685/htdocs/wrapper.php on line 25
16.06.12 / Jenseits jeglicher Vernunft / Mit vielen Fakten entlarvt Sarrazin den Euro als ideologisches Projekt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-12 vom 16. Juni 2012

Jenseits jeglicher Vernunft
Mit vielen Fakten entlarvt Sarrazin den Euro als ideologisches Projekt

Die 460 Seiten brächten „strikt ökonomisch gesehen nichts Neues“, so Thomas Mayer, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, über „Europa braucht den Euro nicht. Wie uns politisches Wunschdenken in die Krise geführt hat“. Zugleich böte das umstrittene Buch von Thilo Sarrazin jedoch eine „saubere Analyse“. Diesem Urteil ist aus rationaler Sicht vollkommen zuzustimmen. Doch wenn das Buch wirklich nichts Neues bietet, warum löste seine Veröffentlichung dann einen Sturm der Entrüstung aus? Wohl weil die darin sauber zusammengetragenen Fakten über den Euro, seine Entstehungsgeschichte und die bisherigen Versuche seiner Rettung bei Ökonomen zwar nicht umstritten sind, bei Politik und Medien jedoch nicht gerne so gesehen werden. Denn im Grunde sagt Sarrazin, dass der ganze Euro ein hochideologisches, politisches Projekt ist, das gegen jede wirtschaftliche Vernunft durchgezogen werden soll.

Eigentlich hat Sarrazin ein Volkswirtschaftsbuch geschrieben. Da er im Laufe seines Berufslebens schon vor seiner Zeit als Finanzsenator in Berlin und Vorstandsmitglied der Bundesbank als Beamter an wichtigen Schaltstellen der Politik gedient hat, unterfüttert er viele Beschreibungen mit seinen Erfahrungen. Das ist zum Teil interessant, kann aber mitunter nerven, da es ein wenig so wirkt wie „Ich hab’s Euch doch damals schon gesagt“. Aber im Grunde ist Sarrazin auch ein „Besserwisser“, denn als studierter Volkswirt, der viele Jahre in dieser Funktion aktiv war, weiß er einfach mehr über die Materie als die ganzen Berufspolitiker, die eigentlich Jurist, Lehrer oder Physiker sind, aber dafür die Entscheidungen treffen.

Und dass diese Entscheidungen auf bedenklichen Grundlagen getroffen werden, belegt der Autor anhand zahlreicher Beispiele. So habe der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl die Einheitswährung aus der Perspektive der Nachkriegszeit mit dem für Deutschland verlorenen Zweiten Weltkrieg im Rücken gesehen. Und nicht nur er. „Auch Angela Merkel ist offenbar die Gefangene jenes deutschen Nachkriegs-Denkstils, wonach nur ein letzt-endliches Aufgehen Deutschlands in Europa Deutschland vor sich selbst und die Welt vor Deutschland retten könne. Dieser Denkstil hat uns in ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang geführt, und er blockiert jetzt die deutsche politische Klasse bei der Suche nach Auswegen“, klagt der Volkswirtschaftler Sarrazin, der dem Leser, bevor er dieses Urteil spricht, lang und ausführlich erklärt hat, warum der Euro ökonomisch niemandem einen langfristigen Segen bringen kann.

Und was heißt eigentlich „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“, was so viele deutsche Politiker immer wieder behaupten? Von welchem Europa sprechen die politischen Protagonisten da eigentlich? Sarrazin ist überzeugt, dass sie nicht den Kontinent meinen, auf dessen Geschichte der Autor kurz eingeht, sondern die Vision der Vereinigten Staaten von Europa. Diese seien jedoch für die Volkswirtschaftler historisch und rational nicht zu begründen und bestenfalls eine alte Idee aus der direkten Nachkriegszeit, die sich aber längst überlebt habe. Hier, gegen Ende des Buches, wird Sarrazin dann echt boshaft, da er die fanatischen Euro-Retter mit DDR-Chef Erich Honecker vergleicht, der selbst kurz vor dem Fall der Mauer noch sagte „Vorwärts immer, rückwärts nimmer“.

Doch was schlägt Sarrazin für die Zukunft vor? Sein ständiges Rumreiten auf dem Festhalten an der No-Bail-out-Klausel des Maastricht-Vertrages hilft ja nichts mehr, weil sie schon unzählige Male gebrochen wurde. Im Grunde sind Sarrazins Lösungsvorschläge relativ brav und gehen konform mit den Fiskal-pakt-Vorschlägen von Angela Merkel. Nur dass sich auch schon hier wieder in der Realität zeigt, dass sie nicht eingehalten werden. Dann fordert er noch, auf gar keinen Fall eine Transferunion zuzulassen, da diese nachweislich die Wettbewerbsunterschiede zwischen den Ländern zementiere, statt sie zu beheben, doch auch hier kommt er zu spät. Den Vorschlag von Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel, einen Nord- und einen Süd-Euro einzuführen, hält er sogar für einen Affront gegen Frankreich. Und somit bietet „Europa braucht den Euro nicht“ zwar eine scharfe Zustandsbeschreibung und Analyse der Vergangenheit, doch keineswegs einen Aufruf zur Rebellion gegen den Euro an sich. Rebecca Bellano

Thilo Sarrazin: „Europa braucht den Euro nicht. Wie uns politisches Wunschdenken in die Krise geführt hat“, DVA, München 2012, geb., 461 Seiten, 22,99 Euro


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren

Warning: file_get_contents(https://paz.de/lib/extern/footer.php): failed to open stream: Connection refused in /homepages/10/d855424685/htdocs/wrapper.php on line 53