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23.06.12 / Die Balance im Leben wiederfinden / Kloster auf Zeit gegen die Plagen der Moderne: Statt Hektik ein heilsamer Rhythmus aus Arbeit und Gebet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-12 vom 23. Juni 2012

Die Balance im Leben wiederfinden
Kloster auf Zeit gegen die Plagen der Moderne: Statt Hektik ein heilsamer Rhythmus aus Arbeit und Gebet

Klöster vermelden in letzter Zeit großen Zulauf für ein Angebot, das lange Zeit als antiquiert galt. Die Angebote heißen „Oase“, „Exerzitien“ oder „Tage der Stille“ und werden bei gestressten Großstädtern, Angestellten und Managern immer beliebter. Wo die Seele leer geworden ist, hilft oftmals die Ordnung des Klosterlebens, eine neue Lebensbalance wieder zu finden.

Was sind die Plagen der Moderne? Im Arbeitsleben steigt der Druck scheinbar unaufhörlich, immer weniger Mitarbeiter sollen immer anspruchsvollere Tätigkeiten ausüben. Auch im Familienleben machen sich Hektik und negativer Stress bemerkbar, weil die Familienmutter Geld verdienen, den Haushalt versorgen und die Kinder erziehen soll. Doch wer dauerhaft „Gas gibt“, hat bald alle Energie verbraucht; oft genug macht die Seele schlapp.

Ist die Seele erst einmal ausgebrannt („Burn-out“), hilft meist nur noch ein mehrmonatiger, therapeutischer Klinikaufenthalt. Wer dagegen rechtzeitig die Gefahr einer erschöpften Seele erkennt, braucht es dahin nicht kommen zu lassen. Eine Möglichkeit dazu sind Angebote in Klöstern, die dem Burn-out vorbeugen wollen. Seit Jahren bietet etwa das Benediktinerkloster Plankstetten, oberhalb des Main-Donau-Kanals in Bayern gelegen, ausgelaugten Menschen eine Auszeit an. Jeden Monat versammeln sich hier ein bis zwei Dutzend Menschen aller Berufsgruppen. Die Menschen nehmen am klösterlichen Leben wie ein Mönch, aber nur „auf Zeit“ teil; sie fügen sich in zunächst ungewohnte Stille und Ordnung ein.

Die Mönche des Benediktinerordens gelten gemeinhin als Meister der Lebensbalance. Vor 1500 Jahren erfand der heilige Benedikt von Nursia mit seiner berühmten Formel von „Ora et labora“, von Gebet und Arbeit, eine als genial geltende Lebensregel. Keine andere Ordnung des menschlichen Zusammenlebens hat sich als so beständig und erfolgreich erwiesen wie die der Benediktiner. Der Rhythmus von Arbeit, Besinnung, Gebet, Essen und Schlaf ist so ausgewogen, dass die Mönche in der Regel ein außerordentlich hohes Lebensalter erreichen. In diese Lebensweise klinken sich die Gäste ein.

Der Tag ist eingeteilt durch vier bis sechs Gebetszeiten, von morgens um fünf bis abends um neun Uhr. Die Mahlzeiten im „Refektorium“ werden schweigend eingenommen, während ein Mönch aus einem Buch oder der Lebensregel des Ordensgründers vorliest. Einige Stunden körperlicher Arbeit gehören ebenfalls zum Tagesablauf. Es ist die Mischung dieser Elemente, die zur Linderung vieler Symptome eines unausgeglichenen Lebens führt.

Das Kloster in Plankstetten ist landesweit bekannt für seine „grüne Landwirtschaft“. Mehrfach wurde Produkte aus den Betrieben der Bio-Abtei prämiert, wo beispielsweise Brot und Bier hergestellt wird. Wenn die Gäste einige Stunden auf den Feldern oder in den Ställen mitgearbeitet haben, verstehen sie schnell, warum das Essen so gut schmeckt. Die Gebetszeiten nach dem strengen Brauch des benediktinischen Stundengebetes sind für viele der Teilnehmer zunächst ungewohnt. Auch wer katholisch getauft und gefirmt worden ist, ist oft genug nicht geübt in dieser Spiritualität. Doch nach einiger Zeit gewöhnen sich die Gäste an den Tages­rhytmus von Matutin, Laudes, Mittagshore, Non, Vesper und Complet, wie die lateinischen Bezeichnungen für die Tagzeitengebete lauten. Die alten gregorianischen Gesänge der Psalmen wirken anfangs fremd, doch auf die Dauer wird die Seele dabei ruhig. Der Verstand muss nicht immer eingeschaltet sein, damit Körper und Seele wieder zueinander finden.

Anstöße erhalten die Teilnehmer auch in kleinen Gesprächskreisen. Unter Anleitung eines seelsorgerlichen Begleiters können Probleme behutsam angesprochen werden. Keiner wird gezwungen sich zu äußern. Manche Teilnehmer hören einfach nur zu und denken dabei über ihr Leben nach.

Auch ausgedehnte Spaziergänge helfen dabei, über den Sinn und Unsinn des eigenen Daseins zu reflektieren. Dabei reifen bei den Teilnehmern teilweise wichtige Entschlüsse. Die einen finden den Mut, die eigene Arbeitsstelle endlich zu kündigen, die anderen entschließen sich, nicht mehr „immer 100 Prozent“ geben zu wollen. Viele Selbstständige und Freiberufler stehen in dieser Gefahr. Für sie ist es ein großer Schritt, mit nur noch 60 oder 70 Prozent der eigenen Arbeitsleistung auch innerlich zufrieden zu sein, die eigenen materiellen Ansprüche daher zurückzuschrauben.

Die Kursangebote zur Burn-out-Prävention haben sich in ganz Deutschland zu einem Renner entwickelt. Viele Klöster und Seminarhäuser sind auf diesen Zug der Zeit aufgesprungen. In Plankstetten werden jährlich rund 1000 Gäste zu den verschiedenen Angeboten der „inneren Einkehr“ empfangen.

Der Abt des Klosters, Beda Maria Sonnenberg, erklärt den Erfolg mit einfachen Worten: „Die Stabilität, die viele verzweifelt suchen, ist hier wie von selbst vorhanden.“ In der Hektik der Welt würden viele Menschen ihre Wurzeln, ihren Bezug zu Gott, verlieren oder vergessen. Der Gottesglaube sei zwar bei vielen nicht verloren gegangen, aber vernachlässigt worden. Im langsamen Rhythmus des Klosterlebens gelinge es, die christliche Spiritualität wieder neu zu entdecken und so zu einem neuen Gleichgewicht der Emotionen zu finden. Hinrich E. Bues


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