19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
23.06.12 / Kalter Tyrann / Ein Tscheche über Benesch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-12 vom 23. Juni 2012

Kalter Tyrann
Ein Tscheche über Benesch

Jiri Grusa war tschechischer Schriftsteller und Dissident, wurde 1983 deutscher Staatsbürger, war von 1991 bis 1997 tschechischer Botschafter in Deutschland, von seinem Freund Václav Havel dorthin geschickt. Mit seiner deutschen Frau lebte er zuletzt wieder in Deutschland, wo er 2011 bei einer Herzoperation verstarb. Zur Leipziger Buchmesse erschien sein Benesch-Buch, das Vermächtnis eines brillanten Autors, politischen Denkers und deutsch-tschechischen Mittlers.

Der Buchtitel ist verwirrendes Programm: Benesch und Hitler behandelt Grusa als Exponenten der Habsburger Provinzialität, die den „Hader der Nationen“ als Kompensation eigener Unzulänglichkeit kultivierten: Beide entstammten quasi inzestuösen Familienverhältnissen, litten unter unerfülltem Ehrgeiz, „der gescheiterte Student“ Hitler und der „Streber“ Benesch bastelten sich nationalistisch-sozialistische Weltbilder und steigerten ihre Aversion zur Abrechnung: „Der Tscheche hat hier nichts zu suchen“, befanden deutsche Nationalsozialisten über Böhmen und Mähren – „die Deutschen herauszuliquidieren, unsere Heimat definitiv zu entgermanisieren“, das wollte Benesch.

Faktenreich und ironisch verfolgt Grusa, wie der Konflikt Benesch und „Hýdla“ weiteste Kreise zog: München und Appeasement, Protektorat und Krieg, Heydrich-Attentat, deutsche Rache, Beneschs „Rettung“: „Lidice, ein Dorf unweit von Prag, symbolisierte nun die bedrohte Civitas mundi plus Nazi-Barbarei. Benesch war wieder im Sattel“. Da blieb er dann mittels Dekreten, 143 an der Zahl, „in einem rechtlichen Vakuum, das er gerne verlängert“. Besonders eilig hatte Benesch es mit der „wilden Abschiebung“, die der Potsdamer Konferenz zuvorkam „für den Fall, dass die Westmächte noch einmal zögern würden“, und die bis 1946 2,2 Millionen Deutsche vertrieb, um dann als „systematische Deportation“ (Benesch) fortzufahren. Kein Wort über Gräuel an Deutschen äußert Grusa, nur Schadenfreude an eigene Adressen: Das „leere Grenzland“ wurde nie wieder recht besiedelt, die Vertreibung stärkte die „Westdeutschen“ und entblößte die Tschechen wertvoller Nachbarn, US-Diplomaten sahen Benesch als „Schwächling und Sauhund“. Wolf Oschlies

Jiri Grusa: „Benesch als Österreicher – Ein Essay“, Wieser Verlag, Klagenfurt 2012, geb., 167 Seiten, 21 Euro


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren