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30.06.12 / Athen hält alle Trümpfe in der Hand / Griechische Regierung macht, was sie will, denn eine Strafe muss sie nicht fürchten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-12 vom 30. Juni 2012

Athen hält alle Trümpfe in der Hand
Griechische Regierung macht, was sie will, denn eine Strafe muss sie nicht fürchten

Griechenlands neue Regierung will bei allen wesentlichen Punkten der bisherigen Reformvereinbarungen Änderungen. So aussichtslos das Vorhaben und die Lage im Land auf den ersten Blick auch erscheinen, Griechenland hat noch mehrere Trümpfe in der Hand. Diese könnten für die übrigen Euro-Länder allerdings noch einmal richtig teuer werden.

So dürfte man sich in Brüssel den Wahlausgang in Griechenland nicht vorgestellt haben. Nea Dimokratia und Pasok übernehmen wie gewünscht die Regierung, doch schon folgt die Drohung, sämtliche Reformvereinbarungen aufzukündigen. Der spektakuläre Auftakt hat ein interessantes Detail der Regierungsbildung leider etwas in den Hintergrund rücken lassen. Teil der neuen Koalition ist die „Demokratischen Linke“ (Dimar). Deren Chef, Fotis Kouvelis, war über Jahre einflussreiches Mitglied von Syriza, eben jener Partei, die nach Wunsch von EU, EZB und Internationalem Währungsfonds möglichst weit von den Schalthebeln der Macht ferngehalten werden sollte. Erst nachdem er im Machtkampf gegen Alexis Tsirpas unterlegen war, hat Kouvelis im Jahr 2010 Syriza verlassen und Dimar gegründet. Auch wenn die meisten ausländischen Medien der Partei gern das Etikett „gemäßigt“ anhängen, im Parlament hat Dimar bisher gegen sämtliche Sparpakete gestimmt. Mit den neuen Koalitionspartnern Nea Dimokratia und Pasok scheint Einigkeit zu herrschen, dass die bisherigen Vereinbarungen neu verhandelt werden, das Land aber am Euro festhält.

Diese Hoffnung ist nicht einmal unbegründet, denn der Rausschmiss eines Landes ist in den Europäischen Verträgen schließlich nirgendwo vorgesehen. Stattdessen besteht eher die Gefahr, dass Griechenland ausgiebig eine juristische Grauzone nutzen wird – zu Lasten der übrigen Euro-Länder. Unabhängig von der EZB gewährt die griechische Zentralbank bereits seit geraumer Zeit den Geschäftsbanken des Landes milliardenschwere Liquiditätsnothilfen (Emergency Liquidity Assistance – ELA). De facto handelt es sich dabei um die Schaffung neuer Euro auf eigene Rechnung. Formell sollen die ELA-Hilfen nur kurzfristige Notlagen von Geschäftsbanken überbrücken, in der Realität haben sie sich längst zur Dauereinrichtung entwickelt. Gestoppt werden kann dieses Drucken auf eigene Faust nur, wenn sich zwölf der 17 Euro-Länder im EZB-Rat dafür aussprechen würden. Tatsächlich wird eine derartige Mehrheit gegen Griechenland kaum zustande kommen: Die Unterstützung Athens durch Zypern gilt als sicher. Malta, Portugal, Spanien, Irland und Italien werden kaum ein Interesse daran haben, ELA-Kredite in einem Präzedenzfall erstmalig zu stoppen. Sie greifen zum Teil bereits selbst auf dieses Mittel zurück.

Thomas Warner, der sich im Internet-Blog der „Financial Times“ mit der Thematik beschäftigt hat, geht davon aus, dass im März theoretisch 470 Milliarden Euro an Kundeneinlagen und ausgereichten Krediten im griechischen Bankensystem vorhanden waren, die für Beleihungen bei der griechischen Zentralbank herangezogen werden können. In der Praxis dürften Höhe und Qualität der Sicherheiten allerdings kaum eine Rolle spielen. Entscheidend ist allein der Wille der griechischen Zentralbank frische Euros auszureichen, egal was von den Banken hinterlegt wird. Verblüffend erfolgreiche Auktionen von kurzlaufenden griechischen Staatsanleihen in der Vergangenheit waren bereits ein Indiz dafür, dass sich die griechischen Banken für die ELA erkenntlich gezeigt haben könnten. Die von den Banken gekauften Anleihen sind wiederum bestens dafür geeignet, bei der griechischen Zentralbank beliehen zu werden. Letztendlich ein Kettenbrief, der allerdings für Griechenland durchaus eine „Spielverlängerung“ ermöglichen kann.

Es ist nicht der einzige Anreiz für Griechenland, solange wie möglich im Euro zu bleiben. Bereits Ende April stand Griechenland mit 98 Milliarden Euro bei anderen Zentralbanken im Rahmen des Target2-Zahlungssystems in der Kreide. Mangels vereinbarter Fristen kann der Ausgleich der Position bis zum St. Nimmerleinstag aufgeschoben werden, solange Griechenland Euro-Mitglied bleibt. Verlässt Griechenland den Euro, ist der Ausgleich des Postens theoretisch sofort fällig.

Immer stärkere Auswirkungen hat die Krise Griechenlands inzwischen auch auf Zypern. Nach Spanien ist das Land der nächste Fall für den Euro-Rettungsschirm. Ähnlich wie bei dem Milliardenpaket für die spanischen Banken zeichnet sich abermals ein Scheitern der Merkel-Doktrin „Hilfe gegen Reformen“ ab. Aufgrund seiner geostrategischen Lage könnte sich Zypern aussuchen, wer den Retter spielen darf. So liegt ein Kreditangebot von Russland an Zypern vor. Die Insel ist längst wichtiger Bankplatz für russische Oligarchen geworden, Russland hat ebenfalls ein Interesse an den umfangreichen Öl- und Gasfeldern um Zypern und an einem Marinestützpunkt auf der Mittelmeerinsel. Doch da Brüssel finanzielle Abhängigkeit gegen-über Moskau nicht gutheißt, wird sich Zypern an den Rettungsschirm wenden. Norman Hanert


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