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30.06.12 / Der gefallene »Messias« / Immer mehr Medien wenden sich von US-Präsident Barack Obama ab

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-12 vom 30. Juni 2012

Der gefallene »Messias«
Immer mehr Medien wenden sich von US-Präsident Barack Obama ab

Es waren Stichworte wie „Change“ (Wechsel) oder „hope“ (Hoffnung) oder „Yes, we can“ (Wir schaffen es), die Barack Obamas Wahlkampf 2008 bestimmten und die Menschen elektrisierten. Sie feierten den Präsidentschaftskandidaten auf Freiluftveranstaltungen, die Feldgottesdiensten glichen. Heute brechen selbst linksliberale Medien über den US-Präsidenten den Stab.

Der Titel des vorletzten „Spiegel“ „Schade, Obamas missglückte Präsidentschaft“ klingt wie ein Nachruf. Sorgfältig ist von Redakteuren das Bild eines ergrauten und verkniffen guckenden Präsidenten ausgewählt worden. Fast gleichzeitig berichtet die „Welt“ erstmals von schlechten Umfragezahlen für Obama. Der republikanische Herausforderer Mitt Romney führe mit bis zu drei Prozentpunkten, wie die Meinungsforschungsinstitute Gallup und Rasmussen herausgefunden hätten, lautete die Nachricht. Und noch alarmierender für alle, die in Europa bisher auf eine Wiederwahl des Präsidenten am 6. November gewettet hatten: Auch in dem meist wahlentscheidenden Bundesstaaten Florida und Ohio liegt Romney bei einigen Umfragen hauchdünn vorne. Selbst bei der Höhe der im Mai eingegangenen Wahlkampfspenden hat der Herausforderer den Präsidenten mit 76 zu 60 Millionen US-Dollar überflügelt.

Was hat sich verändert, was ist passiert? Warum sehen selbst berühmte Ostküsten-Medien wie die „Washington Post“ oder die „New York Times“ den Präsidenten kritischer und den steinreichen republikanischen Herausforderer positiver? Schon im Januar 2010, nur ein Jahr nach dem Beginn der Präsidentschaft Obamas, mehrten sich dort bereits die kritischen Stimmen. Kommentatoren der linksliberalen Medien zogen ein durchwachsenes Fazit über den Mann, der gerade den Friedensnobelpreis bekommen hatte. Die Magie Obamas schien verflogen zu sein. Das US-Gefangenenlager Guantánamo war immer noch nicht aufgelöst, der Krieg in Afghanistan forderte noch mehr Soldaten und Tote, die Wirtschaft geriet in eine tiefe Krise und die Arbeitslosenzahlen schnellten in die Höhe. Gleichzeitig verpufften die von Obamas Wirtschaftsberatern favorisierten Konjunkturprogramme. Das US-Staatsdefizit erreichte astronomische Höhen. In dieser Zeit beurteilte David Brooks für die „New York Times“ Obama noch gnädiger und hielt ihm seine Dialogbereitschaft, seine abwägende, pragmatische Art zugute.

Zur Halbzeit der Präsidentschaft votierten jedoch die US-Bürger mehrheitlich für die oppositionellen Republikaner im Repräsentantenhaus, dem amerikanischen Parlament. In der Folgezeit sah sich Obama zu nervenzehrenden Verhandlungen über die Höhe der Neuverschuldung gezwungen. Doch all das schien dem Präsidenten bis vor kurzem nicht viel anhaben zu können. Den Sturz von seinem Sockel hatten Obama viele vorausgesagt, aber bisher schienen die Misserfolge seiner Politik oder die hohen Kosten der viel kritisierten Gesundheitsreform nur wenig an seinem Image zu kratzen. Die Republikaner verzehrten sich indes in einem sehr aufreibenden Kandidatenwettkampf und genüsslich schalteten Obamas Leute Werbespots über den Mormonen und gierigen Hedgefonds-Manager Mitt Romney, dem zudem noch mangelndes Charisma nachgesagt wurde.

„Schade“, sagt nun der „Spiegel“, der traditionell mit den amerikanischen Ostküsten-Medien eng verbunden ist, die jetzt das Spiel anscheinend verloren geben. Der mediale Mainstream zeigt sich außerordentlich irritiert über einen Friedensnobelpreisträger, der einen „schmutzigen Drohnenkrieg“ in Pakistan führt und Klimaabkommen blockiert. Die Enttäuschung der Medien ist mit Händen zu greifen, wenn Hans Ulrich Gumbrecht im Feuilleton der „Welt“ schreibt, Obama und seine Minister seien durch die Herausforderungen der elektronischen Revolution „radikal überfordert“. Hinrich E. Bues


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