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30.06.12 / Der eingeweißte Sarotti-Mohr

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-12 vom 30. Juni 2012

Gastkommentar
Der eingeweißte Sarotti-Mohr
von Norbert Breuer-Pyroth

Dieser Tage kaufte ich mir eine Tafel Schokolade der altbekannten Marke Sarotti. Zu meiner Verblüffung entpuppte sich auf deren Verpackung der vormalige Mohr als Weißer, dem nicht einmal mehr eine mediterrane Urlaubsbräune zugestanden wird. Mit dem pechschwarz glänzenden, frohen Gesicht und der an das Osmanische Reiche erinnernden Livree des kleinen Sarotti-Mohrs bin ich aufgewachsen. Lebhaft erinnere ich mich an kindergroße, rotblaue Figuren, die eingangs von Konditoreien mit Praliné-Tabletts aufwarteten. Etwas Rassistisches dachten wir uns wirklich niemals dabei, zumal unsere kleinen Schwestern bereits pechschwarze Babypuppen hätschelten. Damals wurde noch die vom Lateinischen „niger“ herrührende Bezeichnung für Schwarzer, nämlich Neger, benutzt – keineswegs abwertend. Zum Beleg: In den 50er Jahren gab es in meiner Heimatstadt Saarlouis einen „Neger“, nur einen im ganzen Stadtbild. Er hieß Sehard, ein gertiger, gutaussehender Mann, sehr beliebt und trinkfreudig. Eben daher prangte er gar lachend auf einem Werbeplakat der Saarlouiser Donner-Brauerei, umrahmt von dem Slogan: „Saarlouiser Neger (trinken) Donner-Bier“. Als er 1958 beim Einsturz einer Gaststätte ums Leben kam, herrschte gerade auch um ihn besondere Trauer. Und ebenfalls exemplarisch für die Arglosigkeit: Auf dem Alten Friedhof der Stadt ist ein Grabstein zu besichtigen mit der Aufschrift: „Hier ruht mein lieber Neger Chime Bebe, gestorben im Alter von 26 Jahren.“

Nein, Neger wurde kaum als Schimpfwort begriffen, übrigens auch nicht bei Karl May, Nigger hingegen schon. Und „Mohr“ war irgendwie gar positiv besetzt. Man denke an den „Mohr des Zaren“, Puschkins unvollendete Novelle über seinen aus Eritrea stammenden schwarzen und fürstlichen Urgroßvater. Auch Schillers Satz „Der Mohr hat seine Arbeit getan, der Mohr kann gehen“ war mitnichten abwertend gemeint. (Das geflügelte Wort „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen“ rührt zwar von Schiller her, doch nicht in dieser Form.)

Generell mag endlich gelten, dass jene Leute, die sich bei einem Begriff etwas Schlechtes denken, eben jene sind, die die Begriffe zu ändern suchen. Die anderen indes, die ohnehin wohlmeinenden Menschen, würden dies nicht für nötig erachtet haben. Woraus interessanterweise folgert, dass es gerade die Schlechtmeinenden sind, die den Gutmeinenden oktroyieren, einen Begriff wie Neger als übel anzusehen. Es sind dieselben ideologischen Wortverdreher, die das einstmals hehre, Fortschritt versprechende Wort „Reform“ in seinen Inhalten dermaßen verhunzt haben, dass beispielshalber Krankenkassenmitglieder oder Bundeswehrsoldaten sich heutzutage tief ducken, wenn sie Reform-Posaunen nur von weitem hören.

Zu viele althergebrachte Begriffe haben Politiker und Mediale bereits aktiv dem Mülleimer überantwortet, um dafür lächerliche neue zu gebären. Es gibt unzählige weitere Beispiele für ideologisch gefärbte Sprachoptimierung: Den Begriff „Zigeuner“ habe ich in einer belletristischen Arbeit ganz bewusst benutzt, auch aus historischen Gründen benutzen müssen. Zum einen lasse ich mir ungern vorschreiben, welche Worte ich dem Zeitgeist zuliebe oder weil gewisse Leisetreter und Eiertänzer sich Schlechtes dabei denken, benutzen soll und welche nicht mehr, da die Sprache schließlich mir ebenso gehört wie Konrad Duden und der Kultusministerkonferenz; zum anderen kann niemand ernsthaft verlangen, immer wieder „Sinti und/oder Roma“ zu schreiben. Es käme ja auch – hoffentlich – niemand, der recht bei Sinnen ist, auf die Idee, den „Zigeunerbaron“ in „Sinti- oder Roma-Baron“ umzubenennen und mit dem „Zigeunerschnitzel“ oder Alexandras „Zigeunerjungen“ posthum entsprechend zu verfahren. Wie sehr ich selbst Sinti und Roma zu schätzen vermag, kann am Beispiel des genialen Jazzgitarristen Django Reinhardt bewiesen werden, dessen Musik ich liebe. Er war ein großer Mann.

Noch ein Beispiel für schlitzohrigen Kostümwechsel: „multikulturell“ und „interkulturell“ sind fälschlicherweise immer wieder synonym verwendete Begriffe, die miteinander jedoch weit weniger zu tun haben, als landläufig angenommen wird. „Multikulturell“ ist als Begriff mancherorts negativ bewertet, wohingegen „interkulturell“ beileibe kein Politikum ist, sondern ein uneingeschränkt positiv empfundener Begriff aus dem Geschäftsleben, der den respektvollen, einfühlsamen, zielgerichteten Umgang von räumlich getrennten Kulturen miteinander aufzeigt. Nun ist festzustellen, dass sich Politiker – zum Beispiel die Bürgermeisterei Saarbrückens – dieses Begriffes aus leicht nachvollziehbaren Motiven bemächtigt haben, um „multikulturell“ verschämt weglassen zu können. Man sollte ihnen diese Verdrehung aber nirgends durchgehen lassen.

Was soll denn noch kommen? Macht der schwarz-gelbe Salamander Lurchi Werbung für eine FDP-CDU-Koalition, wird er alsbald rot-grün eingefärbt? Wieso ist Meister Proper noch immer strahlend weiß und nicht eingedunkelt wie die schnieken Farbigen aus der VW-Werbung? Weswegen figuriert unter den Mainzelmännchen noch immer kein Araber, gerne schlipslos und unrasiert, wie Mahmud Ahmadineschad oder Heiko Maas – nennt man das Proporz? Was wird aus der Milka-Kuh, verulkt sie gar schwule Männer mit lila Hemden? Was ist mit dem Distelfink, der ungeniert mit den deutschen Nationalfarben herumfliegt, drucken wir ihm an den Vogelwarten die EU-Sterne auf den Bürzel? Der Negerkuss wurde bereits gekillt. Und das „Fräulein“ auch, was uns immerhin „Fräulein Alice Schwarzer“ erspart hat. Was wird jetzt aus den „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“ und den „Zehn kleinen Negerlein“, die doch Volksgut waren? Ich werde sie heute Abend noch singen. Kritik von ideologisch verbohrten Seiten wird es immer geben. Wir sollten darauf gehörig pfeifen und endlich damit aufhören, unsere überkommenen Traditionen einer dem Zeitgeist geschuldeten, oberservilen Hinterherhechelei zu opfern. So freiwillig, gehorsamst vorauseilend wie den zu Grabe getragene Sarotti-Mohr, dem seine Anhänger zu Recht nachtrauern. Jene Kulturen, denen wir uns so überanpassen, haben allenfalls ein Lächeln, wenn nicht Verachtung für eine solche Kultur ohne Selbstbewusstsein übrig. Nicht selten in der Geschichte erkennen wir eben, dass grobschlächtigere, ja barbarische Kulturen die feinsinnigeren, verzärtelten überwältigten. Wer anderer Meinung ist, der schaue sich den Untergang des Römischen Reiches oder der Etrusker an oder lese des famosen Kurt Kusenbergs (1904–1983) „Leute aus dem Wald“.

Zu seiner Kultur und Historie muss man stehen, mit allem gebotenen Respekt, mit Zivilcourage, ohne Wenn und Aber. Jedes Volk muss wissen, woher es kommt, um zu wissen, wohin es geht. Und in diesem Sinne ist es ein schlimmes Zeichen, dass der Sarotti-Mohr nun zum Weißen mutierte, wie weiland der bedauernswerte Michael Jackson, dem dies nicht bekömmlich war. Und zum Abschluss sage ich gerne, dass meine schwarzen Studierenden mir von jeher zu den liebsten zählen und sie in mir weit mehr Sympathie auslösen als diese törichten Zeitgeisthechler deutscher Provenienz, deren eigene Meinung allein darin besteht, die Narretei aller Gattungen engstirniger Ideologen nachzuäffen.

 

Norbert Breuer-Pyroth arbeitet als selbständiger internationaler Managementberater mit Schwerpunkt Deutschland/Frankreich. Daneben ist er als Seminar- und Hochschuldozent, Publizist sowie als Fachbuchautor tätig. Außerdem schreibt er belletristisch.


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