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30.06.12 / Die Fröhlichkeit der Christenheit / »Seliges Lächeln und höllisches Gelächter«: Vergnügliche Schau in Mainz über das Lachen in der Kunst des Mittelalters

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-12 vom 30. Juni 2012

Die Fröhlichkeit der Christenheit
»Seliges Lächeln und höllisches Gelächter«: Vergnügliche Schau in Mainz über das Lachen in der Kunst des Mittelalters

Zum „Lachen“ schickt einen das Diözesanmuseum von Mainz in den Keller. Dort wird man in die Lachkultur des Mittelalters eingeweiht. Den Weg in die Sonderausstellung begleiten Wandtexte. Der Mönch Ephraim etwa warnt: „Lachen richtet Körper und Seele zugrunde.“ Der Abt Johannes Klimakos hingegen verkündet: „Gott will, dass der Mensch aus Liebe zu ihm in seiner Seele lache und fröhlich sei.“ Und wer auf Erden nichts zu lachen hat, wird von Jesus in der Bergpredigt mit den Worten getröstet: „Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen.“

Seliges Lächeln und höllisches Gelächter flankieren das Tor in die Schau. Links ist nämlich der in Stein gemeißelte Kopf eines lächelnden Engels (um 1245) ausgestellt. Sein feines Lächeln mit geschlossenen Lippen und dezent nach oben gezogenen Mundwinkeln ist Zeichen dafür, das Richtige maßvoll zur rechten Zeit zu tun. Rechts wird der steinerne Kopf eines grinsenden Teufels (um 1239) präsentiert. Er hat beim Lachen das Gesicht zur Fratze verzerrt und zeigt dabei die Zähne. Museumsdirektor und Kurator Winfried Wilhelmy erklärt: „Entblößte Zähne stehen in der mittelalterlichen Ikonografie, ähnlich wie offen getragene Haare, für das Lasterhafte an sich.“

Die Ausstellung umfasst 53 exquisite Werke der mittelalterlichen Bildhauerei, Schatzkunst, Buchmalerei und frühen Druck­kunst. Erster Blickfang ist das vom Naumburger Meister in Stein gehauene Weltgericht (um 1239). Weltenrichter Christus wirkt geradezu melancholisch. Die Verdammten zu seiner Linken schauen verzweifelt drein, eine Frau hebt ringend die Hände, ein Mann reibt sich angstvoll das Kinn. Mit der rechten Hand weist Christus auf die Gruppe der Seligen. Die meisten blicken ernst, haben gar die Mundwinkel herabgezogen. Der König zeigt immerhin den Anflug eines Lächelns. Der einzige aber, der seiner Freude und Erleichterung freien Lauf lässt, ist ein Knabe: er klatscht in die Hände und grinst bis über beide Ohren.

Mittelalterliche Hochburg des gottgefälligen wie des lasterhaften Lachens ist der Bamberger Dom. Ausgestellt ist der Gipsabguss des Tympanons vom Fürstenportal (um 1225/37). Es zeigt ebenfalls das Weltgericht. Doch hier nun offenbart sich die Angst und Erschütterung der Verdammten in Körperverrenkungen, Grimassen und verzweifeltem Lachen. Die Geretteten hingegen zeigen ein seliges Lächeln. Bei drei Kindern ist es so ausgeprägt, dass man einfach mitlächeln muss.

Hat Jesus je gelacht? In der Bibel findet sich darauf kein Hinweis. Die mittelalterliche Kunst stellt ihn trotzdem zuweilen fröhlich dar, wie die „Fuststraßen-Madonna“ (Sandstein, um 1250) beweist. Lebensgroß steht sie vor uns, das Jesuskind im linken Arm. Beide haben die Köpfe einander zugeneigt. Während die Gottesmutter verhalten lächelt, ist ihr Einzig-geborener ausgesprochen vergnügt.

Märtyrer, so sollte man meinen, haben nichts zu lachen gehabt. Aber weit gefehlt. Die einen lächeln trotz Marter angesichts des unmittelbar bevorstehenden Eintritts in die himmlische Herrlichkeit. Die anderen präsentieren das triumphierende Lachen der Stärke, mit dem sie ihre Peiniger verhöhnen. „Hier ist das Lachen nicht nur gestattet, sondern sogar gefordert“, wie Kurator Wilhelmy erklärt. Zum Beleg ist eine 1483 in Nürnberg gedruckte Bibel aufgeschlagen, Die kolorierte Illustration zeigt das Martyrium des Evangelisten Johannes. Er steht bis zu den Hüften in einem Kochtopf mit siedendem Öl. Diese Folter wird er unbeschadet überstehen. Sein Lächeln kündigt den Triumph über seine Peiniger an.

Klemens von Alexandrien verfasste um das Jahr 200 ein Benimmbuch für Christen. Im Kapitel „Über das Lachen“ heißt es, liebenswürdige Scherze seien gottgefällig, wer aber alles ins Lächerliche ziehe, zeige nur seine Unvernunft und seinen schlechten Charakter. Hemmungsloses Lachen entstellt, ein harmonisches Lächeln aber ziert das Gesicht. Das laute Kichern von Damen sei töricht, das dröhnende Gelächter der Männer unverschämt. Erhöhte Vorsicht sei unter Alkoholeinfluss geboten. Nie sollte über Unanständiges oder in Anwesenheit einer Respektsperson gelacht werden – es sei denn, diese habe zu scherzen beliebt. Das sind Standards, die im Grunde noch heute gelten (sollten). Veit-Mario Thiede

Bis 16. September im Dom- und Diözesanmuseum Mainz, Domstraße 3. Dienstags bis freitags von 10 bis 17 Uhr, sonnabends und sonntags von 11 bis 18 Uhr. Informationen unter Telefon (061 31) 253344.


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