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30.06.12 / Dialog mit der Vergangenheit / Jörn Pekrul über seine »Königsberger Wanderungen«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-12 vom 30. Juni 2012

Dialog mit der Vergangenheit
Jörn Pekrul über seine »Königsberger Wanderungen«

Er war in Königsberg auf Spurensuche, der Sohn vertriebener Eltern. Mit der Kamera und einem alten Stadtplan durchwanderte Jörn Pekrul die Stadt, die noch viele Zeugnisse der Zeit vor der Eroberung durch die Rote Armee birgt. Sie aufzufinden war sein Motiv für die „Königsberger Wanderungen“. Wenn man eine Beziehung zu diesem Land und dieser Stadt hat, dann bleibt man nicht unberührt. Er fand Erschütterndes, das sich nicht kaschieren lässt. Und es gab Schönes, wie die Begegnung mit einem jungen Russen, über die wir bereits berichteten. Jörn Pekrul hat für uns seine Empfindungen aufgeschrieben, und sie lassen einen nicht unberührt. Im Gegenteil: Sie zwingen zum Nachdenken und führen zum Dialog mit der eigenen Vergangenheit. Lesen Sie selbst!

„Es war zu Beginn meiner ,Königsberger Wanderungen‘ schon etwas eigentümlich, nun an dem Ort zu sein, der für mich immer ein unerreichbares Ziel war – nicht nur geographisch, sondern auch im Geistigen. Königsberg – das war ein unerreichbares Terrain, verschwunden im Raum, verschwunden in der Zeit, ein Tabu selbst in der Schule. Und dennoch: Fragmente aus unvollständigen Erzählungen der Erwachsenen in der Familie; immer rechtzeitig unterbrochen mit dem Zusatz: ,Wir hören jetzt damit auf, die Kinder sind im Hause. Wir wollen sie nicht damit belasten.‘

Ein altes Foto des Königsberger Domes in einem Buch, in dem ich als Kind blätterte. Kurze Erklärungen dazu, die aber allgemein blieben. Das Bauwerk gefiel mir, es wirkte so mächtig und doch so klar, so fein. Später, als Jugendlicher, fand ich einen Satz von Kant, irgendwo in eine Zeitung hineingestreut. Eine Weisheit, eine Stellungnahme. Und für den jungen Leser eine Erkenntnis: Hier war Übereinstimmung spürbar, Identifizierung. So eine ganz andere Sicht hatte er auf das Leben als die Menschen in der Gegend, in der er geboren wurde und aufwuchs. Er schien aus einem Land zu kommen, das ihm vertraut erschien. Als die Eltern alt wurden, kehrten lange vergangene Ereignisse mit Macht zurück. Wir mussten uns selbst helfen, damit umzugehen. Ich lernte, ich verstand. Heute ist es mein Ziel, meine Eltern in ihrem hohen Alter Sicherheit und Ruhe fühlen zu lassen.

In Königsberg ist heute ganz banaler Alltag. Aber es ist mehr für mich. Hier haben Angehörige des Volkes, zu dem ich auch gehöre, gelitten. Das ist genügend dokumentiert. Und dennoch ist es mir nicht möglich, diese Dokumentation nüchtern zu lesen. Und ich bemühe mich, aus den Bruchstücken der Überlieferungen, aus der Fürsorge für meine alten Eltern und aus den ganz realen Anforderungen der Gegenwart ein sinnvolles Ganzes zu bilden. Ein Ganzes, das einzelne Begegnungen konstruktiv, bereichernd gestalten lässt. Aber auch wahrhaftig, der Wahrheit verpflichtet, auf Wahrheit gegründet. Und in diesem Sinne sind dann auch die Bruchstücke nicht destruktiv, sondern konstruktiv einzusetzen.

Der Ostpreußischen Familie fühle ich mich daher besonders verbunden. Es ist die Wesensart, aus der ich auch komme. Sie weiß um die Zusammenhänge im menschlichen Miteinander und ist mehr am guten Auskommen im Sinne einer größeren guten Sache ausgerichtet als an kurzfristigen Bedürfnissen persönlicher Natur. Das zeichnet die Preußen, insbesondere die Ostpreußen, aus.

Ich denke, dass wir nachgeborenen Ostpreußen nur auf diesem Wege in unsere Zukunft gehen können. In den Taten und Höchstleistungen, aber auch in dem Leid der vorangegangenen Generationen und ihrer Haltung zu diesem Leid, eine Inspiration und eine wandelnde Kraft zu finden für kommende Werke. Für ein besseres Verstehen, für eine Erhaltung der Fähigkeit zur Anteilnahme, auch angesichts von schweren Wahrheiten und Fakten. Zu versuchen, Trost und Linderung dort zu geben, wo sie gebraucht werden. Freundlichkeit und Offenheit da zu zeigen, wo sie nicht erwartet werden und wo sie zum Guten beitragen. Für die Lebenden wie für die Toten.“ R.G.


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